Ausgangslage

Wie hat sich die Destination in letzter Zeit finanziell entwickelt? Diese einfache Frage nach der finanziellen Performance einer Tourismusdestination ist für die meisten Destinationen nicht zu beantworten. Die üblichen touristischen Kennzahlen wie beispielsweise die Logiernächte sind rein frequenzbasiert und decken nur einen kleinen Teil der Branchen des lokalen Tourismus ab. Tagesgäste werden zudem kaum erfasst. Aus solchen Kennzahlen lassen sich folglich nur bedingt Schlüsse über die tatsächliche Entwicklung der Destination aus finanzieller Hinsicht ziehen. Aus diesem Grund haben die Forschungsstelle Tourismus und Gstaad Saanenland Tourismus den Tourismusbarometer, dessen Grundkonzept aus einer Dissertation der Universität Bern aus dem Jahre 2003 stammt, weiterentwickelt und schrittweise in der Destination Gstaad umgesetzt.

Konzept

Im Kern des Tourismusbarometers steht, die touristische Umsatzentwicklung der Destination zu messen. Dies geschieht über den Tourismus-Performance-Index (TPI). Dieser misst die prozentuale Veränderung des touristischen Umsatzes der Destination eines Monats im Vergleich zum selben Monat im Vorjahr. Diese prozentuale Veränderung lässt sich zudem in den Teil, der durch veränderte Frequenzen entsteht, und den Teil, der durch veränderte Umsätze pro Frequenz entsteht, zerlegen. So lassen sich Rückschlüsse über die Treiber der Veränderungen ziehen.

Der TPI wird auf Basis von Kennzahlen einzelner Unternehmen verschiedener Branchen erhoben, die zumindest teilweise touristische Umsätze haben. Neben Beherbergung und Gastronomie sind dies unter anderem Bergbahnen, Sportanbieter, Einzelhandelsunternehmen und Bauunternehmen. Der TPI liefert so ein umfassendes Bild des Tourismus in der Destination. Zur Berechnung werden die Unternehmenskennzahlen zunächst auf Unternehmensebene erhoben und gewichtet zu Branchenindizes aggregiert. Dies erlaubt Rückschlüsse, auf welche Branchenentwicklungen die Gesamtentwicklung zurückzuführen ist. Dieser branchenübergreifende Vergleich ist nur durch die relative prozentuale Entwicklungsbetrachtung möglich. Die Branchenindizes werden schliesslich gewichtet zum TPI aggregiert.

Umsetzung

Erhoben werden die Unternehmenskennzahlen mittels monatlicher Umfragen bei den Unternehmen, die sich auf jeweils zwei monatliche Kennzahlen, den Umsatz und die Frequenz beschränken. Dabei variiert das Mass für die Frequenzen pro Branche. So werden in der Beherbergung die Logiernächte erhoben, während beispielsweise in Skischulen die Anzahl Unterrichtsstunden erhoben wird. Viele Unternehmen vor allem im Einzelhandel haben keine monatlichen Daten, oder die Umsätze sind wie in der Baubranche nicht unbedingt klar gewissen Monaten zuordenbar. Daher wurde der Tourismusbarometer so gestaltet, dass er monatlich nur die touristischen Kernbranchen wie Hotellerie, Gastronomie und Sportanbieter abdeckt. Quartalsweise wird er um weitere Branchen ergänzt, die ein umfassendes Bild der touristischen Entwicklung ergeben. Die Erhebungen erfolgen bei diesen Branchen als Selbsteinschätzung der Unternehmen, da viele Unternehmen keine unterjährigen Abschlüsse tätigen. Die einzelnen Unternehmensdaten werden durch die Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern erhoben, verwaltet und ausschliesslich für den Tourismusbarometer genutzt. Andere Unternehmen oder Gstaad Saanenland Tourismus erhalten keinen Einblick in die Daten. Als Output erhält Gstaad Saanenland Tourismus ein monatliches Reporting, den Tourismusbarometer. Ziel ist, dass das Reporting jeweils am 20. eines jeden Monats vorliegt, sodass die Destination zeitnah ein umfassendes Bild der Entwicklung erhält. Für die Unternehmen ist die Teilnahme kostenlos. Sie erhalten zudem ein monatliches Branchenbenchmarking, das es ihnen erlaubt, ihre eigene Entwicklung mit der jeweiligen Branche zu vergleichen.

Stand

Aufgebaut wurde der Tourismusbarometer schrittweise seit Frühjahr 2021. Zunächst galt es in einer Pilotphase mit ausgewählten Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Hotelierverein und dem Gewerbeverein das Konzept zu verfeinern und die Umsetzung stetig anzupassen. Danach wurde der Tourismusbarometer schrittweise auf die heutige Abdeckungsgrösse ausgedehnt. Dies umfasste einen aufwendigen Stakeholdermanagementprozess, da die einzelnen Unternehmen vertrauliche Daten abgeben müssen. Derzeit erfasst der Tourismusbarometer circa 70 Unternehmen und deckt somit genügend Unternehmen ab, um ein umfassendes Bild der monetären touristischen Entwicklung der Destination Gstaad zu erhalten.

Nutzen

Bereits zu Beginn des regulären Betriebs findet der Tourismusbarometer grossen Anklang in der Destination. Das Interesse steigt stetig. Auch können bereits spannende Erkenntnisse gewonnen werden wie, dass im Jahr 2022 zwar die Frequenzen in der Destination im Vergleich zum Vorjahr leicht rückläufig sind, aber die höheren Umsätze pro Frequenzen – ausgelöst durch einen wieder erstarkenden Überseemarkt – diese Verluste ausgleichen können. Neben der Destinationsstrategie ist der Tourismusbarometer ein zentrales Instrument für Gstaad Saanenland Tourismus und dient insbesondere zur Überprüfung der touristischen Entwicklung und zur Wirkungsmessung der umgesetzten Massnahmen und Aktivitäten. So ist der Tourismusbarometer für die DMO wie auch für ihre Partner ein wichtiges strategisches Instrument geworden, dank dem nicht nur anhand der Logiernächtezahlen die touristische Entwicklung stetig überprüft werden kann.

Ausblick

Der Tourismusbarometer versteht sich nicht als abgeschlossenes Projekt, sondern wird laufend angepasst und optimiert. Kürzlich wurde der Barometer um zukünftige Buchungsstände ergänzt, was den Leistungsträgern in der Destination erlaubt, nicht nur retrospektiv, sondern auch prospektiv zu agieren. Während des Aufbaus des Tourismusbarometers lag der Fokus stark auf der inhaltlichen Umsetzung. In Zukunft ist angedacht, die derzeitigen Outputs flexibler in einem Online-Dashboard zur Verfügung zu stellen. Interessant wäre zudem eine Ausweitung auf weitere Destinationen. Letzteres würde ein Benchmarking unter Destinationen ermöglichen und somit weitere wichtige inhaltliche Erkenntnisse aus den reinen Zahlen für die Destinationen liefern.

Marcus Roller ist Dozent und Co-Leiter der Forschungsstelle Tourismus an der Universität Bern. Er forscht empirisch zum Strukturwandel im Tourismus und dessen Arbeitsmarkt sowie zu Bergbahnen. Flurin Riedi ist seit 2019 Tourismusdirektor der Destination Gstaad und CEO von Gstaad Saanenland Tourismus.