Alle rufen nach nachhaltigem Tourismus: Mit Trara hat Schweiz Tourismus Anfang Jahr das Swisstainable-Programm lanciert. Und auch der Bundesrat wünscht sich von der Branche mehr Nachhaltigkeit. In der vor wenigen Wochen vorgestellten neuen Tourismusstrategie hat die Regierung die Nachhaltigkeit als neues Ziel aufgenommen. Der Tourismus solle «zur nachhaltigen Entwicklung beitragen», steht im Papier.
Nicht ins Bild passt da, dass gemäss einer Umfrage von HotellerieSuisse nur jedes fünfte Hotel in der Schweiz komplett energetisch saniert ist. Zwar haben weitere 41 Prozent immerhin teilweise energetisch saniert, indem sie etwa die Heizung ausgewechselt oder die Isolation verbessert haben.
Trotzdem wird die Mehrheit der Hotels immer noch mit Öl oder Gas beheizt. Wobei ausgerechnet in den Bergen, wo im Winter nicht nur Tiefsttemperaturen, sondern auch Hochsaison herrscht, Öl besonders beliebt ist. Gemäss österreichischem Umweltministerium stammen mehr als 20 Prozent der durch den Tourismus verursachten CO2-Emissionen aus der Beherbergungsindustrie. In der Schweiz dürfte das nicht viel anders aussehen.
Viele Gründe sprechen für eine energetische Sanierung
Einer, der seine Ölheizung gerne ersetzen würde, ist Lukas Kalbermatten, Direktor im Hotel Edelweiss in Blatten im Lötschental. Für ihn sprechen gleich mehrere Gründe für einen Wechsel zu einer Erdsonde: das gute Gefühl, etwas für die Umwelt zu tun, finanzielle Anreize, weil die CO2-Abgabe wegfiele, die nächstes Jahr von 96 auf 120 Franken pro Tonne CO2 steigt, sowie die positiven Auswirkungen für das Image des Hauses.
«Ich kann den Gästen nicht 10 Franken mehr verrechnen, nur weil ich mit Erdwärme heize.»
Lukas Kalbermatten
Direktor des Hotel Edelweiss in Blatten im Lötschental
Bisher habe er energetisch immer das gemacht, was möglich gewesen sei, sagt der Hotelier, habe zum Beispiel die Sauna mit einem Wärmetauscher ausgerüstet, dichte Fenster einbauen lassen und das Dach isoliert. Dafür gebe es auch gute Programme, die ihn finanziell unterstützt hätten. Aber beim Ersatz der Heizung – mit einem Kostenvoranschlag von 300 000 Franken ein happiger Brocken – fehle die Unterstützung. Komme hinzu, dass er den Gästen nicht plötzlich 10 Franken pro Nacht mehr verrechnen könne, nur weil das Zimmer mit Erdwärme geheizt werde, findet Kalbermatten.
Wie ihm geht es vielen Hotelièren und Hoteliers. Die Umfrage des Verbands zeigt: Dass nicht mehr saniert wird, liegt nicht am fehlenden Willen, sondern primär am fehlenden Geld. In den Bergen, wo Sanierungen meist teurer ausfallen als im Flachland, gaben über die Hälfte der Betriebe an, ihnen fehlten die Mittel für eine energetische Sanierung. Kommt hinzu, dass es in den Bergen im Winter besonders kalt wird. Die Kältemonate verlangen von der Heizung Spitzenleistungen, was wiederum mit entsprechend hohen Investitionen verbunden ist.
Wenn Hoteliers sanieren, dann mit Vorliebe dort, wo der Gast es sieht. Ob im Keller eine Ölheizung oder eine Wärmepumpe steht, ist für viele Gäste zweitrangig. Doch das könnte sich ändern. Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung. Gut möglich, dass energetische Sanierungen für Hotels aus Positionierungsgründen in Zukunft attraktiver werden. Auch Kalbermatten sagt, er würde eine Erdsondenheizung auf jeden Fall nach aussen kommunizieren.
Parlament fordert mehr Geld für Berghotels
Es haben letztlich alle Beteiligten ein Interesse daran, dass die Branche in Sachen Nachhaltigkeit einen Schritt vorwärtsmacht. Das fand in der Herbstsession auch das Parlament und hat eine Motion des Ständerats Hans Stöckli verabschiedet. Der Vorstoss fordert «eine zeitlich befristete Spezialfinanzierung für die Sanierung von Beherbergungsbetrieben im alpinen Raum».
Die Verwaltung ist aktuell mit der Umsetzung der Motion beschäftigt. Laut Christophe Hans, Leiter Public Affairs bei HotellerieSuisse, hat der Verband klare Ideen dazu. Erstens: Die Umsetzung dürfe nicht nur den Alpenraum umfassen, sondern müsse generell Berggebiete berücksichtigen. Zweitens: Unterstützung sollten nur Individual-, aber keine Kettenhotels erhalten. Drittens: Die Umsetzung müsse einfach sein. «Administrative Hürden hat die Branche genug», sagt Hans.
Die vierte Vorstellung des Verbands ist eine Knacknuss: Die Spezialfinanzierung dürfe nicht diskriminieren. «Wie kann die Motion umgesetzt werden, ohne dass Hoteliers diskriminiert werden, die in letzter Zeit energetisch saniert haben?», fragt Hans. «Und was ist mit Hotels, die erst vor ein paar Jahren eine neue Ölheizung eingebaut haben mit einer Lebensdauer von 20 Jahren? Auch wenn das Programm zeitlich befristet läuft, muss es berücksichtigen, dass Hotels Investitionszyklen von bis zu 25 Jahren haben.»
Dass es schon 2024 mehr Geld gibt, ist «optimistisch»
Laut Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik beim Seco, wird noch diesen Monat ein Auftrag an ein externes Büro vergeben, das sich mit der Frage der Umsetzung befassen soll. «Die Umsetzung ist alles andere als trivial – vor allem, weil bereits diverse Unterstützungsprogramme bei energetischen Sanierungen existieren.» Zudem gebe es bei den Regulierungen und Förderprogrammen im Energiebereich grosse kantonale Unterschiede, sagt Kämpf und verweist auf das am Sonntag in Zürich angenommene Energiegesetz, das vorsieht, dass bestehende Heizungen nur durch erneuerbare Energien ersetzt werden dürfen.
Bei der Marschtabelle für die Umsetzung der Motion will sich Kämpf nicht auf die Äste rauslassen. Nur so viel: Dass die notwendigen gesetzlichen Grundlagen schon 2024 in Kraft treten könnten, sei «optimistisch». Bis nächsten Frühling oder Sommer sollte aber laut Kämpf das externe Büro seine Arbeit abgeschlossen haben und mehr Klarheit herrschen.