Nachhaltigkeit darf kein Lippenbekenntnis sein, sondern muss von oberster Stelle vorgelebt werden. Nur so können die Mitarbeitenden diese Denkweise übernehmen und den Gästen glaubwürdig vermitteln. Darin waren sich die Teilnehmenden des htr-Tischgespräches auf Anhieb einig. Aufgrund der aktuellen Lage fand das Round-Table-Gespräch nicht in Bern an einem echten Tisch statt, sondern digital. Zugeschaltet waren Leo Maissen, CEO der Tschuggen Hotel Group, Daniel Lauber vom Cervo Mountain Boutique Resort in Zermatt, Roland Zegg, Präsident von Ibex Fairstay, Meike Rapp, Head of Sustainability der Brita Group, Fabrizio Gessa, Verkaufsleiter bei Geberit, und Joel Striegel, Verkaufsleiter bei ADA Cosmetics International.
Mit dem htr-Tischgespräch bietet die htr hotel revue Lieferanten, Hotelièren, Hoteliers und Vertretern der Branche die Möglichkeit, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Die htr hotel revue lädt regelmässig zur Diskussionsrunde an den runden Tisch zu Themen wie Food & Beverage, Table Top, Technik, Digitalisierung, Interior Design, Wellness, Sauna und Spa.
Immer mehr Luxushotels streben Nachhaltigkeit an
Allen Teilnehmenden ist gemeinsam, dass das Thema Nachhaltigkeit in ihrem Alltag als Hotelier, CEO, Verkaufsleiter oder Head of Sustainability einen hohen Stellenwert hat. «Bei uns im ‹Cervo› spielt Nachhaltigkeit seit der Eröffnung vor elf Jahren eine grosse Rolle. Nach dem Umbau im letzten Sommer bekam das Thema noch mehr Gewicht», gibt Daniel Lauber zu Protokoll. Das «Cervo» erhielt Ende letzten Jahres das Goldlabel von Ibex Fairstay. «Wir wollten einen Schritt weitergehen, und mit Ibex Fairstay haben wir das passende Instrument gefunden, das uns in dem Prozess optimal begleitet.» Im Wallis ist das «Cervo» das erste 5-Sterne-Hotel mit einem Goldlabel. Dass auch Luxushotels ein Nachhaltigkeitslabel anstreben, entspricht ganz einem Trend, wie Roland Zegg von Ibex Fairstay bestätigt. «Wir konnten in den letzten Jahren vermehrt 4- bis 5-Sterne Hotels gewinnen, ihr nachhaltiges Wirtschaften dokumentieren und weiterentwickeln.»
«Wir konnten in den letzten Jahren vermehrt Luxushotels gewinnen.»
Roland Zegg, Ibex Fairstay
Die Tschuggen Hotel Group ist ebenfalls an vorderster Front mit dabei, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Das in der dritten Generation geführte Familienunternehmen mit Hotels in Arosa, St. Moritz und Ascona erhielt 2020 einen Myclimate Award, der nachhaltige und gleichzeitig wirtschaftlich erfolgreiche Angebote sowie besondere Anstrengungen würdigt. Das 2017 von der Hotelgruppe eröffnete Valsana Hotel & Apartments in Arosa, das über eine komplett CO₂-neutrale Gebäudetechnik verfügt, ist zudem von Green Globe zertifiziert und gehört zu den nachhaltigsten Schweizer Hotels.
Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit sei im Tourismus und in der Beherbergungsbranche vor rund acht Jahren aufgekommen, weiss Roland Zegg. Zu Beginn waren es laut Zegg vor allem Idealisten. Als das nachhaltige Energiemanagement durch Benefits gefördert worden sei, sei das Interesse gestiegen. Ebenfalls um diesen Zeitpunkt sei der Druck vonseiten der Gäste spürbar geworden. «Seit rund drei Jahren stellen wir fest, dass Gäste noch stärker auf Nachhaltigkeit pochen», sagt Zegg.
Leo Maissen kann dies bestätigen, ortet diesbezüglich jedoch grosse Unterschiede. Gerade bei Gästen aus dem angelsächsischen Raum sei «Sustainability» sehr hip. «Wir stellen aber fest, dass das Thema insgesamt eine gewisse Selbstverständlichkeit erreicht hat», sagt Maissen. Als die Tschuggen Hotel Group das «Valsana» in Arosa vor vier Jahren eröffnete, gab es noch grossen Erklärungsbedarf.
«80 Prozent der Produkte stammen aus einem Umkreis von 150 Kilometern.»
Daniel F. Lauber. Cervo Mountain Resort
Mittlerweile hat die Tschuggen-Gruppe Nachhaltigkeitsräume eingerichtet, wo sich interessierte Gäste informieren können. «Als Hotelier sollten wir nicht in einen missionarischen Eifer verfallen und die Gäste bekehren wollen», sagt Maissen. «Unser Fokus sollte darauf liegen, Gastgeber zu sein und Erlebnisse zu schaffen.» Dem pflichtet Daniel Lauber bei: «Unsere Gäste möchten unbeschwert Ferien machen. Unsere Aufgabe ist es, hinter den Kulissen für ein nachhaltiges Wirtschaften zu sorgen.» Der Hotelier, dessen Resort in Zermatt über ein praktisch autarkes Energiesystem verfügt, ist überzeugt, dass Nachhaltigkeit in fünf Jahren zum Standard gehört. «Wir kommen gar nicht darum herum», sagt er.
Mit finanziellen Anreizen, Investitionen und neuen Technologien den Klimawandel bekämpfen
Die Uhr tickt. Unaufhaltsam. Die Temperaturen steigen hierzulande doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. Umso wichtiger sind Massnahmen, um den Klimawandel einzudämmen. Doch die Schweiz hat ihre für 2020 definierten Klimaziele nicht erreicht. Um die nächsten Etappenziele einhalten zu können, sind deshalb umfassendere Eingriffe notwendig. Schon bis in zehn Jahren muss die Schweiz gemäss dem Pariser Klimaschutzabkommen ihren Treibhausgasausstoss nochmals deutlich reduzieren. Ziel ist eine Halbierung der Emissionen im Vergleich zu 1990.
Die gesetzliche Grundlage für die Umsetzung dieser Ziele bildet die Totalrevision des CO₂-Gesetzes, die das Parlament am 25. September 2020 verabschiedet hat. Am 13. Juni kommt das revidierte CO₂-Gesetz aufgrund eines Referendums zur Abstimmung und setzt wie bisher auf die Kombination von finanziellen Anreizen, Investitionen und neuen Technologien, jedoch mit verstärkten Massnahmen. Lenkungsabgaben sorgen dafür, dass sich klimafreundliches, nachhaltiges Verhalten lohnt.
Charta zur nachhaltigen Entwicklung bereits 2009 lanciert
Bei der Lancierung des bundesrätlichen Abstimmungskampfes Ende März in Bern äusserte sich Umweltministerin Simonetta Sommaruga folgendermassen: «Wir müssen beim Klimaschutz vorwärtsmachen und dafür jetzt die Weichen richtig stellen. Unsere Enkelkinder bekommen die Folgen des Klimawandels sonst noch stärker zu spüren.» Diese Aussage der Umweltministerin deckt sich mit der Definition von nachhaltiger Entwicklung, welche die Weltkommission für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen 1987 wie folgt definierte: «Nachhaltige Entwicklung verlangt, dass die heute lebenden Menschen ihre Bedürfnisse befriedigen können, ohne den in Zukunft lebenden Menschen die Möglichkeit einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu decken.» Darauf basiert das am Erdgipfel von Rio de Janeiro 1992 propagierte 3-Dimensionen-Konzept aus ökonomischen, sozialen und ökologischen Aspekten. Nachhaltige Entwicklung berücksichtigt demzufolge den Schutz der Umwelt wie auch wirtschaftliches Wohlergehen und eine soziale Gesellschaft.
Dass die Zukunft der Nachhaltigkeit gehört, hat die Schweizer Tourismusbranche bereits 2009 erkannt, indem sie sich mittels einer Charta zur nachhaltigen Entwicklung verpflichtet hat. Diese wurde von 26 Organisationen unterzeichnet, darunter den führenden Tourismusverbänden, HotellerieSuisse, Gastrosuisse, Schweiz Tourismus und den SBB. Die Anstrengungen haben Früchte getragen, der Schweizer Tourismus gehört heute weltweit zu den führenden nachhaltigen Feriendestinationen und belegt in diversen internationalen Rankings Spitzenplätze.
Diverse Institutionen wie etwa die Hochschule Luzern tragen mit ihren Studien, Forschungen und Weiterbildungsangeboten dazu bei, die Beherbergungsbranche noch nachhaltiger zu machen. Auch HotellerieSuisse setzt sich schon lange für eine nachhaltige Entwicklung ein und hat kürzlich einen Nachhaltigkeitskompass lanciert. Zurzeit erarbeitet der Verband ein neues digitales Portal, um das Thema Nachhaltigkeit für Hotelièren und Hoteliers praxisorientiert, übersichtlich und informativ zugänglich zu machen.
hotelleriesuisse.ch/kompass
40/40/20: So lautet die Faustregel der Nachhaltigkeit
Um Nachhaltigkeit im Bereich Wasserverbrauch, Energie und CO₂-Verbrauch möglichst effektiv umzusetzen, kann folgende Faustregel ein guter Anhaltspunkt sein: 40 Prozent kann man mit den richtigen Anlagen wie Spülkästen, Spartasten und Einmischventilen erreichen, 40 Prozent sind Schulungen zur Sensibilisierung der Mitarbeitenden, und 20 Prozent beruhen auf der Wahl der Produkte.
Eine wichtige Rolle im ganzen Kreislauf spielen demzufolge auch die Zulieferer, gerade was Verpackung, Transport sowie CO₂-Ausstoss und Wasserverbrauch angeht. So stellt Meike Rapp von der Brita Group vor allem bei den Wasserspendern und den personalisierten Wasserflaschen eine gesteigerte Nachfrage in der Gastronomie und Hotellerie fest. «Die Hotels und Restaurants können Plastik, Abfall und CO₂ reduzieren und brauchen keinen Stauraum», sagt Rapp.
Noch vor fünf Jahren war Wassersparen kein Thema
Das Thema Wasser, wenn auch in einer anderen Form, spielt auch beim Sanitärtechnikanbieter Geberit eine wichtige Rolle. Fabrizio Gessa betreut seit 2015 die Hotellerie: «Bei meinen ersten Besuchen war ich über die Reaktion der Hoteliers schon sehr erstaunt, als ich ihnen das Wassersparen ans Herz legte.»
Viele schauten ihn damals verständnislos an. Nach knapp zwei Jahren setzte jedoch eine Veränderung ein, als Gessa weitere Vorteile wie etwa die Reduktion von Reinigungsmitteln aufführte. Denn auch im Wasserschloss Schweiz ist die Ressource Wasser äusserst wertvoll und mit Bedacht einzusetzen.
Bei ADA Cosmetics International gehört die Vermeidung von Verschwendung zur DNA der Firma. Gründer Andreas Dahlmeyer setzte bereits vor 30 Jahren auf grosse Seifenspender. Heute dreht sich im Arbeitsalltag von Verkaufsleiter Joel Striegel neben der Regionalität der Zusatzstoffe und dem Entwickeln innovativer Verpackungsmaterialien vieles um den Transport und die Logistik.
Um Nachhaltigkeit in die internen Prozesse eines Hotels zu implementieren, ist es zentral, die Mitarbeitenden einzubinden. So kann etwa eine Nachhaltigkeitsverantwortliche definiert werden oder es können ganze Nachhaltigkeitsteams gebildet werden. Im «Cervo» steht einer Mitarbeiterin ein Teilpensum zur Verfügung, um die Abläufe auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Zudem ist ein Nachhaltigkeitsteam im Einsatz, das sich regelmässig austauscht. Ebenso bei der Tschuggen Hotel Group, die ein Greenteam gebildet hat, das aus Mitarbeitenden besteht, die sich besonders für Nachhaltigkeit interessieren. «Dabei entstehen sehr innovative Lösungen. Und es ist sehr motivierend, dass diese nicht von der Direktion kommen, sondern aus dem Team heraus», sagt CEO Leo Maissen.
Neben der Verankerung im Team erachtet Roland Zegg das Storytelling als wichtigen Erfolgsfaktor. «Man darf die Gäste keinesfalls belehren, aber sie erwarten Geschichten», weiss Zegg. «Man könnte ihnen beispielsweise erzählen, wie viel Energie das Hotel spart, wie der Spa betrieben wird und dass das Fleisch von der nahen Alp kommt.»
Denn gerade auch die Lebensmittel sind in Bezug auf Energieaufwand und CO₂-Verbrauch der zweitgrösste Posten neben Heizung, Wasseraufbereitung und Kühlung. Auch in Bezug auf Food-Waste. «Um diesen Impact zu reduzieren, kann man mit einer entsprechenden Menügestaltung viel erreichen», sagt Maissen. Gerade auch mit der Reduktion des Fleischverzehrs. Die Tschuggen Hotel Group hat denn auch in ihren Häusern ein neues Ernährungskonzept umgesetzt, das den Gästen Plant-based-Menüs bietet. Auch im «Cervo» ist eines der drei Restaurants rein vegetarisch mit einem grossen veganen Anteil. Zudem setzt das «Cervo», wie auch die Tschuggen-Gruppe, stark auf Regionalität. «80 Prozent unserer Produkte stammen aus einem Umkreis von 150 Kilometern», sagt Lauber. Das heisst aber nicht, dass das ‹Cervo› nicht auf internationale Küche setzt. «Im Restaurant Bazaar, das eine orientalisch-asiatisch inspirierte Karte bietet, sind die meisten Produkte trotzdem aus der Region», sagt Lauber. Wie etwa das Zermatter Joghurt für den libanesischen Frischkäse Labné.
All diese Mosaiksteine und noch viele weitere tragen dazu bei, einen Hotelbetrieb nachhaltig zu führen. Es ist ein Kreislauf, der noch sehr viel weiter gefasst werden kann, wie Daniel Lauber überzeugt ist. Denn neben den ökologischen Aspekten spielen auch die soziale Verantwortung und die regionale Verankerung eine wichtige Rolle. Und nicht zuletzt die ökonomische Nachhaltigkeit, auf der das gesamte System beruht.
Sechs Branchenprofis sprechen über Nachhaltigkeit
Daniel F. Lauber führt seit elf Jahren das Cervo Mountain Resort zusammen mit Seraina Lauber. Nachhaltigkeit liegt den beiden Hoteliers seit den Anfängen am Herzen. Seit dem Umbau und der Erweiterung im letzten Jahr und der durch Corona auferlegten Zwangspause messen sie dem nachhaltigen Wirtschaften noch viel mehr Wert bei.
Fabrizio Gessa ist Verkaufsleiter beim Sanitärtechnik-Anbieter Geberit. Das weltweit tätige Unternehmen bietet innovative Produktlösungen und umfassendes Know-how. Die konsequente Nachhaltigkeitsorientierung zeigt sich in Wasser sparenden Produkten, bei neuen Lösungen in der Logistik und energieeffizienten Produktanlagen. Und dies schon seit Jahrzehnten.
Roland Zegg ist Gründer der Businessberatung Grischconsulta, wo er heute noch als Senior Advisor tätig ist. 2006 übernahm er das damalige Steinbock-Label. Aus dem Ökolabel machten Zegg und sein Team das Nachhaltigkeitslabel Ibex Fairstay. Das Schweizer Label vergibt Auszeichnungen von Bronze bis Platin. Zurzeit sind 60 Betriebe zertifiziert und 11 in Prüfung.
Meike Rapp verantwortet seit fünf Jahren den Bereich Nachhaltigkeit bei der Brita Group. Das auf Wasserfilter und Wasserspender spezialisierte deutsche Familienunternehmen hat das Thema Nachhaltigkeit letzten Herbst in der Strategie verankert. Nun gilt es für die Head of Sustainability, die Nachhaltigkeit in allen Unternehmensbereichen strukturiert zu implementieren.
Joel Striegel hat seit 16 Jahren die Funktion als Verkaufsleiter bei der ADA Cosmetics International inne. Das Unternehmen gehört zu den weltweit führenden Herstellern von Hotelkosmetik. Der Gründer Andreas Dahlmeyer entwickelte bereits vor 30 Jahren das erste Dispenser-Seifen-System, um Verschwendung zu vermeiden.
Leo Maissen ist seit 14 Jahren für die Tschuggen Hotel Group – die erste klimaneutrale Premiumgruppe der Schweiz – tätig. Während zehn Jahren führte er das Tschuggen Grand Hotel in Arosa, bevor er das Nachhaltigkeitsvorzeigeprojekt «Valsana» in Arosa eröffnete. Seit einem Jahr ist er nun CEO der Hotelgruppe. Nachhaltigkeit ist für den Familienbetrieb essenziell.
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