Volkmar Pfaff, Mercure ist zwar ein bekannter Name und auch klar im Mittelklassebereich angesiedelt, für Aussenstehende aber auch irgendwie eine Marke ohne Gesicht. Nun soll sie einen umfassenden neuen Auftritt erhalten. Warum ist die Zeit reif für eine Neudefinition?
Unsere Studien haben ergeben, dass sich die Erwartungen unserer Gäste und Franchisepartner massiv verändert haben, auch wenn wir die ersten vier Jahrzehnte sehr erfolgreich waren. Damit das auch zukünftig so bleibt, müssen wir uns mit Innovation, Modernisierung, höhere Qualität und Effizienz hervorheben. Grundsätzlich hat die Mittelklasse ein problematisches Image, denn die Marken voneinander zu unterscheiden, ist schwierig und gilt als durchschnittlich, rational, funktional und langweilig. Wo früher pragmatische Lösungen erwartet und akzeptiert wurden, ist heute ein ausgeprägter Wunsch nach professionellem Service, Persönlichkeit, Genuss und Authentizität vorhanden. Die Strategie des Mercure von morgen richtet sich an diesen Marktgegebenheiten neu aus.

Wie sieht dieser Wandel bei Mercure aus?
Das Spannungsfeld zwischen dem Economy-Segment und den High-End-Standards des Upscale-Segments und die wachsende Nachfrage nach einem authentischen, kundenfreundlichen und vielfältigen Angebot sind Chancen für Mercure. Um uns abzuheben, haben wir deshalb unseren neuen anspruchsvollen Ansatz entwickelt, der mit den traditionellen Mustern in der Mittelklasse bricht und nicht allein auf dem Preis-Leistungs-Verhältnis basierenden Modell der Mittelklasse basiert.

Bei Accor tummeln sich im Bereich Midscale neben Mercure mit Novotel, Novotel Suite und Adagio insgesamt vier Marken. Wo hat Mercure dort seinen Platz?
Die Marke ist kein standardisiertes, sondern ein individuelles Produkt im Mittelklasseportfolio von Accor. Den Meisten ist wahrscheinlich nicht bewusst, dass wir im Mittelklassesegment bereits die Nr. 2 in Europa und die Nr. 2 in der Welt sind. Wir sind die einzige Mittelklassemarke, die ein internationales Netzwerk mit einheitlicher Qualität mit individuellen, in der Region verwurzelten Hotels verbindet. Das heisst, Mercure ist «glokal» aufgestellt und genau dieser prägnante Begriff steht für unsere Strategie, mit der wir uns unterscheiden. Hinzu kommt nun ein vollständig überarbeitetes Produktangebot mit neuer Lobby, eine Qualitätsgarantie, ein neuer Markenauftritt nach außen und das "Easy Work-Konzept". Ausserdem wollen wir schneller expandieren – vor allem im Franchise-Bereich – mit einem Zielwert von 1000 Hotels weltweit in fünf Jahren.

Erhält der Aspekt der Standardisierung bei Mercure in Zukunft eine grössere Bedeutung als bisher?
Wir wollen eine einheitlich hohe und verlässliche Qualität weltweit, ohne die Individualität unserer Hotels und die unternehmerische Freiheit unserer Franchisepartner einzuschränken. Das Eine muss das Andere nicht ausschliessen. Einheitlich ist bei Mercure die Qualität. Produkte und Services werden aber individuell und regional adaptiert. Wir stehen auch weiterhin für individuelle Mittelklasse Hotels mit weltweit einheitlichen hohen Qualitätsmerkmalen, unter dem Dach eines internationalen Netzwerks.

Wie haben sich die Mercure-Häuser in der Schweiz auch angesichts der Frankenkrise am Markt behauptet?
Wir sind sehr zufrieden und hatten eine erfolgreiche Wintersaison. In der Schweiz gibt es aber noch Wachstumspotenzial für die Marke.

Franchising und Management geniessen bei Ihnen weiterhin Priorität?
Ja, ein Schwerpunkt bei unserer Entwicklung bleibt das Franchising. Mercure in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist heute schon mehr als andere Marken eine starke Franchisemarke. Im Sinne der Asset-Light Strategie von Accor wollen wir zukünftig noch mehr Franchising und Management machen. Mercure bietet ein flexibles, erfolgreiches und nachhaltiges Businesskonzept und die Adaption ist für eine Vielzahl von Standorten und Objekten möglich. Gleichzeitig bleibt große unternehmerische Freiheit. Neben der langfristigen Zusammenarbeit mit Franchisepartnern setzt Mercure aber auch auf die Entwicklung eigener Hotelprojekte.


Mercure Schweiz
Im Schweizer Markt kommt es zu folgenden Anpassungen: Das Mercure in Basel befindet sich derzeit in einer grossen Renovationsphase und wird 2014 im neuen Glanz erstrahlen. Das Mercure Plaza Biel und das Mercure in Leukerbad haben ebenfalls bereits Renovationsprogramme geplant und ziehen diese durch. Der Neuauftritt wird in ein bis zwei Jahren abgeschlossen sein. Das von der Besitzerfamilie auf den neusten Stand gebrachte Mercure Leysin hat unlängst seine frühere Dépendance mit einer erheblichen Investition in ein ibis budget umfassend umgebaut. Die Anpassung des Mercure an den Neuauftritt der Marke wird in den nächsten Jahren erfolgen. Das Zürcher Mercure Hotel Stoller wurde 2012 renoviert. Für die Anpassung an den neuen Auftritt rechnet Werner Stoller mit einer Frist von ein bis zwei Jahren mit einer zusätzlichen Investition von einer halben Million Franken.

In der Schweiz betreibt Accor derzeit 51 Hotels mit 5300 Zimmern, die über 1000 Mitarbeitende beschäftigen: das Hotel Rotary in Genf, das Hotel Royal-St. Georges in Interlaken sowie das Hotel Continental in Zürich mit der Marke MGallery; sechs Novotel in Bern, Genf, Lausanne, Lugano, Zürich (zwei); fünf Mercure in Basel, Biel, Leukerbad, Leysin, Zürich; ein Suite Novotel in Genf; zwei Adagio City Aparthotel in Basel und Genf; dreiundzwanzig ibis in Baar, Basel, Bern, Bulle, Chur, Crissier, Delsberg, Freiburg, Genf (vier), Kriens, Lausanne, Locarno, Lugano, Neuenburg, Rothrist, Sion, Winterthur, Zürich (drei); ein ibis Styles in Luzern; zehn ibis budget in Bern, Genf (zwei), Lausanne-Bussigny, Leysin, Lugano, Luzern, Pratteln, Winterthur, Zürich. (nk/sjp)