Schreitet man auf das Märchenhotel in Braunwald (GL) zu, ist es, als würde man selber wieder zum Kind. Überall entdeckt man Spannendes, wie in einem Wimmelbuch. Da sind einerseits die Lamas, die friedlich unterhalb des Hotels weiden, vor dem Hotel erspäht man eine Brücke, eine Nachahmung der Golden Gate Bridge, hier wird sie keck «Golden Geiss Bridge» genannt. Denn über diese Brücke spazieren majestätisch die Zwerggeissen. Vor dem Hoteleingang halten die Hasen in ihrem Schlosse Hof, die Hühner logieren in einer noblen Villa, und bei einem Blick auf den Spielplatz taucht ein Kran im Augenwinkel auf, wo kleine Lausmädchen und -buben wacker Lasten umschichten. Die Attraktionen ums Hotel sind nur ein Bruchteil dessen, was die Vogels bieten. Im Innern des Hotels verstecken sich viele weitere Überraschungen.
Vor nun zehn Jahren übernahm das Paar das Hotel von Patrics Eltern: «Die einzige Bedingung, war, die Tradition des abendlichen Märchenerzählens weiterzuführen», erinnert sich Nadja Vogel. Abwechslungsweise verzaubern sie seither abends die Kinder mit ihren Geschichten. Teils aus dem Fundus von Vater Vogel, teils mit selbst erfundenen. Nach dem Märchen wird die Kinderschar von der Lokomotive Emma – eine Einzelanfertigung – in den «Saal der Könige» geführt. Hier läuft das Znacht für die Kinder mit vielen spielerischen Elementen ab. Welcher Tisch sich als Erstes am Lok-Buffet – jeweils von Emma in den Saal gefahren – bedienen darf, entscheidet eine Lichtshow. Am Ende des Kinderznachts fliegen die Kindertische in die Höhe, und eine Hüpfburg schwebt auf der anderen Seite des Saals von der Decke.
«Es ist toll, dass wir als Paar mit einem kleinen Familienbetrieb ausgewählt wurden.»
Nadja und Patric Vogel, Inhaber, Gastgeber sowie Märchenfee und Märchenonkel
Der Kinderspeisesaal zeigt exemplarisch, wie innovativ, verspielt und erfindungsreich das Hotelierpaar ist. Dass der Raum nur für eine halbe Stunde pro Tag genutzt wurde, fanden die beiden schade. Doch wohin mit den Tischen? Die Lösung: Hoch an die Decke mit ihnen. Heute werden die Tische per Knopfdruck hochgezogen, und der Saal ist innerhalb von zehn Minuten umgebaut und zu anderer Nutzung bereit.
Auswahlverfahren. Welche Kriterien galten?
Die Fachjury um Jurypräsident André Witschi hat sich aufgrund folgender Kriterien für das Hotelierpaar Nadja und Patric Vogel, Inhaber und Gastgeber des Märchenhotel in Braunwald, entschieden.
Positionierung: Die einzigartige Positionierung macht das Haus krisenresistent, profitabel und attraktiv für angestammte und neue Gäste.
Strategie: Nadja und Patric Vogel haben sich in einer kleinen Destination auf eine klare Zielgruppe fokussiert und sind durch das vielfältige Angebot im Hotel wetterunabhängig.
Innovation: Das Märchenhotel liefert durch immer neue Produkte und Angebote viele wertvolle Impulse für das Segment Familie.
Dazu meint Nadja Vogel mit einem Lachen: «Mein Mann kann hier all seine Bubenträume ausleben.» Ein reines Spiel ist es jedoch nicht, sondern bedingt viele Diskussionen und stundenlanges Tüfteln. «Wir haben ein gutes Team an Experten, das uns in unseren Vorhaben unterstützt», erzählt Patric Vogel. So etwa den Hotelarchitekten Peter Hummel von Hunikat, mit dem er bereits im Hotel Montana gearbeitet hatte.
Doch es war nicht von Anfang an klar, dass Patric Vogel, gelernter Banker und Betriebsökonom, in die Hotellerie finden würde. Erst über ein Nachdiplomstudium in Hotelmanagement und einer Tätigkeit bei der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) stieg er als Sales- & Marketingmanager ein, zuerst im «Giardino» in Ascona bei Daniela und Philippe Frutiger, danach im Art Deco Hotel Montana in Luzern bei Fritz Erni.
Auch Nadja Vogel kommt von der betriebswirtschaftlichen Seite. Sie absolvierte ein Studium der Ökonomie und der Betriebswirtschaft an der Universität Bern, arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und war Assistentin des damaligen Schweiz-Tourismus-Direktors Jürg Schmid.
Solide betriebswirtschaftliche Basis gepaart mit Ideenreichtum
Diese betriebswirtschaftlich geprägte Ausbildung des jungen Hotelierpaars bildet eine solide Basis. Eine grosse Portion Kreativität, nie versiegende Ideen und ein grosses Herz für Kinder – selber stolze Eltern zweier kleiner Töchter – bringen die beiden obendrauf mit. Mit viel Ausdauer, einer Schärfung der angelegten Positionierung und einer gezielten Vermarktung haben die Vogels die Gästefrequenz in den zehn Jahren ihres Wirkens mehr als verdoppeln können.
Hotelier des Jahres
Mit dem Fach-Award «Hotelier des Jahres» werden jährlich Persönlichkeiten ausgezeichnet, die sich innerhalb der Branche durch Erfolg, Einzigartigkeit und Innovation profiliert haben und dadurch für die nationale Hotellerie von besonderem Interesse sind. Zusätzlich wird seit 2019 ein «Special Award» verliehen, der spezielle Leistungen würdigt. Die neunköpfige Jury wertet bei der Wahl insbesondere Managementleistung, Profitabilität, Innovation oder innovative Ausrichtung, Originalität, Risikobereitschaft, positives Image in der Branche sowie Kundenbezug.
hotelierdesjahres.ch
Konstante Auslastung von rund 90 Prozent übers ganze Jahr
Mittlerweile haben sie das Hotel zehn Monate im Jahr geöffnet bei einer konstanten Auslastung von rund 90 Prozent. «Diese hohe Auslastung ist sicherlich unserer messerscharfen Positionierung zuzuschreiben», sagt Patric Vogel. Viele Hoteliers hätten Angst vor einer klaren Positionierung, da sie befürchteten, Gäste zu verlieren. Man dürfe jedoch nicht vergessen: Verliere man einen Gast, gewinne man zwei.
Das Paar ist Patrics Eltern enorm dankbar, dass «sie uns so einen gesunden, gut geführten und clever positionierten Betrieb übergeben haben». Dass sie nun mit dem Award «Hotelier des Jahres» ausgezeichnet wurden, ist eine grosse Ehre für die Gastgeber: «Es ist toll, dass wir als Paar mit einem kleinen Familienbetrieb ausgewählt wurden.» Einerseits seien sie voller Ehrfurcht ob der Prominenz ihrer Vorgänger, andererseits sei es ein schönes Kompliment, in einer Reihe mit solch erfolgreichen Unternehmern zu stehen.
Zur Geschichte des Hotels:
Es war einmal ein quengelndes Kind ...
[IMG 2]Das Märchenhotel in Braunwald (GL) ist seit fast 50 Jahren im Besitz der Familie Vogel. 1972 hatte Fridolin Vogel – er führte bereits seit 20 Jahren das Hotel Glarnerhof in Glarus – die Gelegenheit, das 1907 erbaute Grandhotel zu kaufen. Das Haus war damals in einem desolaten Zustand. Der erfahrene Hotelier liess sich davon nicht abschrecken, sondern sah das Potenzial der Liegenschaft.
Sein Sohn Martin und dessen Frau Lydia übernahmen das Hotel 1977. Im gleichen Jahr wurde durch Zufall auch der Grundstein für die Positionierung als Märchenhotel gelegt. Ein kleines Mädchen soll im Speisesaal so laut geschrien haben, dass es den Eltern peinlich wurde. Der Hotelier versprach dem Mädchen ein Märchen. Es blieb nicht bei dem einen ... Für die konsequente Weiterverfolgung dieser Ausrichtung wurden Martin und Lydia Vogel 2006 mit dem Sonderpreis «Klein und kreativ« des Tourismuspreises Milestone ausgezeichnet. An der anschliessenden Cocktailparty lernten sich Nadja Bänziger und Patric Vogel kennen. Heute führen die beiden als Ehepaar Vogel das Märchenhotel in dritter Generation.
Die Preisverleihung «Hotelier des Jahres» fand am Dienstagabend im Rahmen des 1. Hospitality Summits in der Halle 550 in Zürich-Oerlikon statt. Mit dem Spezialpreis wurde Beat Kuhn , Managing Director SV Hotel, ausgezeichnet. [RELATED]