Im Jahr 2023 waren in der Schweiz nur 22 Prozent der Führungspositionen im Top-Management von Frauen besetzt. Auf der mittleren Managementebene lag der Anteil bei 24 Prozent. Im EU-weiten Vergleich liegt die Schweiz bezüglich des Frauenanteils in Verwaltungsräten an zweitletzter Stelle, hinter Ländern wie Portugal, Kroatien oder Italien.
Woran liegt das? Wollen Frauen keine Führungspositionen übernehmen? Werden sie nicht ausreichend gefördert? Meine Beobachtungen im Führungsalltag zeigen, dass Frauen im mittleren Management oft sehr gut ausgebildet sind und über hohe Leistungsbereitschaft und Persönlichkeitskompetenzen verfügen. Dennoch fehlt es ihnen häufig an der nötigen «Ellbogen-Mentalität», um für Führungspositionen zu kämpfen.
Wie erfolgen Beförderungen? Finden sie nach dem Ähnlichkeitsprinzip statt? Fördern Vorgesetzte lieber Kandidatinnen und Kandidaten, die ihnen ähneln? Frauen definieren sich meist über Leistung, und sie stellen sich oft infrage. Häufig fehlt das Selbstverständnis, dass ihnen eine Beförderung zusteht. Und sie suchen allzu oft nach Harmonie und Miteinander, handeln ziel- und lösungsorientiert und beachten manchmal zu wenig die strategisch-taktische Ebene. Hier bedarf es der aktiven Talentförderung und konkreter Vorbilder auf allen Führungsstufen.
Bezüglich Frauenanteil in Verwaltungsräten liegt die Schweiz im EU-Vergleich an zweitletzter Stelle.
Hinzu kommt die Herausforderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. In der Schweiz basiert die Doppelbelastung von Managerinnen immer noch stark auf Eigenlösungen in der Familie. Dies fordert alle Beteiligten sehr. Es braucht einen klaren Plan. Ich kenne diese Doppelrolle aus eigener Erfahrung. Sie fördert zwar viele wichtige Kompetenzen, die auch in der Führung essenziell sind, bringt aber auch viele Belastungen mit sich.
«Women in Leadership» (WIL), eine EHL-Initiative für Frauen in Führungspositionen, organisierte am WIL Day im März 2024 eine Diskussionsrunde, bei der EHL-Studentinnen ihre Sorgen teilten: Wie können sie Karriere und Familie vereinbaren? Werden sie einen Mentor oder Sponsor finden, der sie unterstützt? Und wie finden sie einen Partner, der ihre Karriere- und Familienziele teilt?
Diese Fragen sind besonders relevant angesichts der Erkenntnisse aus einer Studie von McKinsey, wonach Frauen in Führungspositionen häufiger die Position wechseln als Männer. Dies könnte daran liegen, dass Frauen oft bestehende Strukturen ändern wollen und Schwierigkeiten haben, tragfähige Beziehungen zu männlichen Kollegen aufzubauen. Zudem mangelt es ihnen häufig an Sponsoren und Unterstützern. Um diesen Herausforderungen zu begegnen und mehr Frauen in Führungsrollen zu sehen, ist es entscheidend, dass sowohl Männer als auch Frauen aktiv zur Förderung und Unterstützung von Frauen auf ihrem Karriereweg beitragen.
Beatrice Schweighauser ist Schulleiterin der EHL Passugg.