Seit Anbruch der Pandemie sind gemäss dem Branchenverband Gastrosuisse in der Gastronomie 30'000 Stellen verloren gegangen. Trotz weniger Jobs können viele Restaurants ihre ausgeschriebenen Stellen nur schwer besetzen. Es gibt nämlich auch immer weniger Personal.
Dafür ist mitunter die Pandemie verantwortlich. «Zum Teil verliess das Personal die Branche aus Existenzängsten, teilweise wurde es aber auch von anderen Branchen abgeworben», sagt Tobias Burkhalter, Präsident des Verbands Gastro Bern auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP.
Jeder vierte Betrieb hatte im Januar zu wenig Personal, wie eine Umfrage der Konjunkturforschungsstelle (KOF) der ETH Zürich und Gastrosuisse zeigte. «Viele mussten dadurch ihre Öffnungszeiten kürzen», bestätigt ein Sprecher des Verbands Gastro Zürich.
Einige Betriebe sehen nun in den Flüchtlingen aus der Ukraine eine Möglichkeit, dem Personalmangel entgegenzuwirken. «Wir sind überzeugt, dass ukrainische Flüchtlinge die Schweizer Gastrobetriebe entlasten können», sagt Burkhalter von Gastro Bern.
In Bern wird deshalb aktuell eine Onlineplattform für arbeitsuchende Flüchtlinge eingerichtet. Zudem wird dafür ein einmonatiger Einführungskurs auf die Beine gestellt.
Sprache als Hindernis
Auch Gastrosuisse sieht hier Potenzial und begrüsst deshalb den Entscheid des Bundesrates, ukrainischen Flüchtlinge einfachen und raschen Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt zu gewähren. Doch hier hört es mit dem Zuspruch auf, denn die Sprache stellt ein Problem dar. Deshalb werde der Entscheid des Bundesrates gemäss Gastrosuisse wohl nur einen kleinen Beitrag gegen den Personalmangel leisten.
Der Arbeitnehmerverband Hotel & Gastro Union nimmt die Sprachbarriere ebenfalls als ein Problem wahr. «Die Gastronomie ist ein Peoplebusiness», sagte Roger Lang, Leiter Rechtsdienst beim Verband, im Gespräch mit AWP. Nicht zuletzt deshalb seien ukrainische Flüchtlinge seiner Meinung nach nicht die Lösung des Problems.
Dies sieht auch der Gastroverband des Kanton Zürichs so. Dort ist man sich sicher, dass die Personen aus der Ukraine in ihrem angestammten Beruf eine Stelle finden werden. Personalmangel gäbe es schliesslich auch in anderen Branchen.
Die ukrainischen Flüchtlinge scheinen also nicht die Lösung zu sein. Vielmehr muss das Problem an der Wurzel gepackt werden. «Wir sehen den Fachkräftemangel bereits seit 2003 kommen», führte Lang weiter aus. Es müsse deshalb nach mittel- oder langfristigen Lösungen gesucht werden. «Die Berufe sind attraktiv, aber die Bedingungen nicht. Das müssen wir ändern.»
Attraktivere Bedingungen gefragt
Burkhalter von Gastro Bern ist sich deshalb sicher, dass die Berufe in der Gastronomie attraktiver werden müssen, um wieder mehr Personal anzulocken. In Bern arbeite man deshalb an neuen Arbeitszeitmodellen wie beispielsweise der Viertagewoche oder an einem Modell ohne Zimmerstunde.
Eigentlich sollte seit 2020 zudem ein neuer Landesgesamtarbeitsvertrag (L-GAV) die Bedingungen für Jobs in der Gastronomie bestimmen. Dazu hat es aber bereits seit über zwei Jahren keine neuen Verhandlungen mehr gegeben, denn Gastrosuisse hat im Mai 2019 die Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften eingestellt.
Der Grund: Die Gewerkschaften würden versuchen, mit der Einführung von kantonalen Mindestlöhnen die Lohnkomponente zu übersteuern. Die Verhandlungen werden erst wieder aufgenommen, wenn wieder Rechtssicherheit herrsche.
Gemäss einer aktuellen Stellungnahme von Gastrosuisse hätten sich die Gewerkschaften selbst zuzuschreiben, dass generelle L-GAV-Verhandlungen gegenwärtig eingestellt wurden. Dazu, ob die Verhandlungen in naher Zeit wieder aufgenommen werden können, nimmt der Verband keine Stellung. (awp/sda/nde)