In der kleinen Kammer hatte sich immerhin noch der parteilose Thomas Minder(SH) für das Volksbegehren ausgesprochen. Mit diesem will die Vereinigung Umwelt und Bevölkerung (Ecopop) erreichen, dass die Zuwanderung auf 0,2 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung beschränkt wird. Das wären rund 16'000 Personen pro Jahr – Verfolgte, vorläufig Aufgenommene oder heimkehrende Auslandschweizer eingeschlossen.
Zudem sollen mindestens 10 Prozent der Entwicklungshilfe-Gelder für freiwillige Familienplanung eingesetzt werden. Erklärtes Ziel ist der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Im Nationalrat war die Ablehnung einstimmig. «Absurd», «widersprüchlich» und «anmassend» waren die mildesten Urteile, welche über das Anliegen gefällt wurden.
Zu wenig Arbeitskräfte
Einige Redner sahen im Beitrag zur Familienplanung unverkennbare koloniale Absichten. «Die Zeiten, in welchen der Norden entscheidet, was für den Süden gut ist, sind hoffentlich endgültig vorbei», sagte auch Justizministerin Simonetta Sommaruga.
Von «Herrenmenschentum» war im Nationalrat die Rede, vor allem aber vom Schaden, den die Wirtschaft bei einer Annahme erleiden würde. Um ausreichend Spezialisten und andere Arbeitskräfte ins Land zu holen, wäre das Kontingent nämlich zu klein. «Annähernd alle Branchen hätten bei einer Annahme Problem, genügend Personal zu rekrutieren», sagte Doris Fiala (FDP/ZH).
Mit der Personenfreizügigkeit wäre die Initiative nicht vereinbar, womit das Paket der Bilateralen I und andere Abkommen auf dem Spiel stehen würden. Auch andere völkerrechtliche Pflichten könnte die Schweiz nicht mehr erfüllen, wenn sie die Grenzen für Flüchtlinge oder Familienmitglieder von in der Schweiz ansässigen Ausländern schliessen müsste.
Nicht einmal die zuwanderungskritische SVP konnte der Initiative etwas abgewinnen, nachdem sich diese als untaugliches Vehikel zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative erwiesen hatte. Das Problem der Zuwanderung sei ungelöst, starre Zahlen würden diesem aber nicht gerecht, sagte Parteipräsident Toni Brunner (SG). «Und mit weltweiter Geburtenkontrolle überschätzen wir uns etwas.»
Gültigkeit umstritten
So einig man sich in der grossen Kammer im Urteil über die Ecopop-Initiative war, so sehr gingen die Meinungen in der Frage der Gültigkeit auseinander. Vor allem die CVP setzte sich für die Ungültigerklärung ein: «Wenn hier die Einheit der Materie erfüllt ist, dann ist in Zukunft so ziemlich alles möglich», hatte Gerhard Pfister (CVP/ZG) im ersten Teil der Debatte am Dienstag gesagt.
Die vorberatende Kommission war – wie der Bundesrat und der Ständerat – anderer Meinung gewesen: Ihre Ansicht nach fordert die Initiative zwar verschiedene Massnahmen, diese dienen aber dem gleichen Ziel: Der Sicherung der Nachhaltigkeit. «Die beiden Massnahmen müssen nicht sachlich zusammenhängen, es reicht, wenn sie auf das gleiche Ziel gerichtet sind», erklärte Sommaruga.
Einige Rednerinnen und Redner lehnten es aus demokratiepolitischen Gründen ab, die Initiative für ungültig zu erklären: Sie riefen dazu auf, diese mit politischen Argumenten zu bekämpfen, den Entscheid aber dem Volk zu überlassen.Die Mehrheit folgte diesen Argumenten und erklärte die Initiative mit 120 zu 45 Stimmen bei 9 Enthaltungen für gültig.
Keine Grundsatzdiskussion
Chancenlos war auch der Antrag der BDP, die eine Grundsatzdiskussion über die Frage der Gültigkeit führen wollte. Sie schlug vor, die Vorlage an die Kommission zurückzuschicken mit dem Auftrag, zusammen mit der Schwesterkommission eine «tragfähige Praxis» zur Gültigkeit zu entwickeln, welche sowohl den demokratischen Rechten der Initianten als auch der Rechtsstaatlichkeit Rechnung trägt.
Hintergrund ist die Rückweisung der Erbschaftssteuer-Initiative durch den Ständerat. Dieser hatte seine Kommission beauftragt, sich noch einmal mit der Gültigkeit zu befassen. Die BDP befürchtet nun, dass es zu inkohärenten Entscheiden kommt, wenn sich die beiden Räte nicht um eine gemeinsame Lösung bemühen. Der Nationalrat sprach sich jedoch mit 162 zu 8 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegen die Rückweisung aus.
Die Gruppe Ecopop setzt sich nach eigenen Angaben für die «Lebensgrundlagen und die Lebensqualität in der Schweiz und weltweit» ein. Die Ecopop-Initiative ist im November 2012 mit knapp 120'000 gültigen Unterschriften eingereicht worden. (sda/npa)