Es war ein Paukenschlag, als die grosse Kammer die Totalrevision des CO2-Gesetzes im Dezember 2018 in der Gesamtabstimmung ablehnte.
Neben der SVP, die auch heute nichts mit der Vorlage anzufangen weiss, stimmten damals auch die Grünen und die Grünliberalen dagegen, die SP-Vertreter enthielten sich mehrheitlich der Stimme. Der Grund: Eine bürgerliche Mehrheit hatte in der vorangehenden Debatte das Gesetz stark verwässert.
Im Frühjahr 2020 sind die Vorzeichen anders, viel ist in der Zwischenzeit passiert. Einerseits formierte sich die Klimabewegung, welche die eidgenössischen Wahlen im Herbst 2019 mitprägte und zu einem ökologischen Rutsch im Parlament führte. Kurz davor hatte der Ständerat unter dem Eindruck der Klimastreiks und neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse Massnahmen beschlossen, die den Zielen des Klimaabkommens von Paris entsprechen.
Komfortable Mehrheit für die Vorlage
Diese wird der Nationalrat nun am Dienstag und Mittwoch diskutieren. Die Beratungen beginnen von vorne, alle bisherigen Entscheide sind hinfällig. Die Zeit drängt. Ursprünglich sollte das neue Gesetz nächstes Jahr in Kraft treten.
Der grundsätzliche Widerstand ist deutlich kleiner als vor 18 Monaten. In der Gesamtabstimmung hat die vorberatende Umweltkommission des Nationalrats (Urek) das revidierte CO2-Gesetz mit 18 zu 7 Stimmen angenommen. Nur die SVP-Fraktion lehnt ein Eintreten auf die Vorlage ab. Ein weiterer Antrag aus ihren Reihen fordert zudem die Rückweisung der Vorlage an die Kommission. Beide Anliegen dürften chancenlos sein.
Die Urek schlägt beim Bundesgesetz über die Verminderung von Treibhausgasemissionen – wie das CO2-Gesetz offiziell heisst – verschiedene Änderungen vor. Bis Montagmittag lagen zudem zu verschiedensten Artikeln über ein Dutzend Einzelanträge vor.
Entscheid zur Flugticketabgabe
Viele davon betreffen ein in der Öffentlichkeit immer wieder kontrovers diskutiertes Thema: die Flugticketabgabe. Gegen die vom Ständerat beschlossene Abgabe formiert sich von bürgerlicher Seite neuer Widerstand, weil die Luftfahrtindustrie von der Corona-Pandemie besonders hart getroffen worden ist.
Die Mehrheit der Urek will aber dem Ständerat folgen: Auf Tickets für kommerzielle Passagierflüge soll eine Abgabe zwischen 30 und 120 Franken erhoben werden, je nach Reisedistanz und Klasse. Flüge mit Privatjets wären ebenfalls betroffen.
Zu reden geben dürfte auch die Verwendung der Mittel aus dem neuen Klimafonds. Die Nationalratskommission legt Wert darauf, dass auch die ländlichen und alpinen Regionen zum Zug kommen. Deshalb will sie im Gesetz verankern, dass der Bundesrat bei der Verteilung der Gelder die wirtschaftliche Situation dieser Regionen berücksichtigen muss.
Alle Unternehmen mit ins Boot holen
Wesentlich von den Beschlüssen des Bundesrats und des Ständerats abgewichen ist die Nationalratskommission bei den Möglichkeiten für Unternehmen, sich von der CO2-Abgabe befreien zu lassen. Seit 2008 können grosse und energieintensive Unternehmen das tun, wenn sie sich dazu verpflichten, ihre Emissionen zu senken.
Nach dem Willen der Nationalratskommission soll die Möglichkeit neu allen Unternehmen offenstehen. Der Bundesrat hatte einen Schwellenwert von jährlich 15'000 Franken CO2-Abgabelast vorgeschlagen, der Ständerat sprach sich für 10'000 Franken aus. Die Nationalratskommission möchte, dass auch KMU Zielvereinbarungen abschliessen können.
Teureres Benzin
Einverstanden ist die Nationalratskommission mit Massnahmen, die das Benzin verteuern. Treibstoffimporteure müssen schon heute einen Teil ihrer Importe kompensieren. Künftig sollen sie mehr kompensieren müssen – und einen grösseren Teil im Inland. Dies verteuert das Benzin.
Bei den Ölheizungen kommt die Nationalratskommission den Kantonen entgegen: Deren Aus soll etwas später kommen als geplant. Zwar soll für Altbauten ab 2023 ein CO2-Grenzwert gelten, wenn die Heizung ersetzt werden muss. Die Kantone sollen aber eine Übergangsfrist bis 2026 erhalten.
Klimaabkommen als Basis
Mit der Revision des CO2-Gesetzes wird die künftige Klimapolitik geregelt. Die damalige Umweltministerin Doris Leuthard hatte die Botschaft im Dezember 2017 vor den Medien präsentiert. Seit Anfang 2019 betreut die aktuelle Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga das Dossier.
Die Schweiz will die Verpflichtungen aus dem Klimaabkommen von Paris umsetzen und ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 halbieren. Dabei sollen mindestens 60 Prozent der Verminderung im Inland erfolgen. (sda)