Die kleine Kammer sprach sich am Mittwoch mit 30 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung gegen das Volksbegehren aus. Die Initianten verlangen, dass alle AKW spätestens nach 45 Betriebsjahren stillgelegt werden. Beznau I müsste ein Jahr nach Annahme der Initiative vom Netz gehen.
Im Ständerat verwiesen die Gegner auf die Energiestrategie 2050 und das erste Massnahmenpaket dazu. Dieses sehe einen schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie vor. So bestehe ausreichend Zeit, den Atomstrom zu ersetzen. Auch finanzielle Risiken wurden geltend gemacht: Müssten die AKW wegen neuer Regeln vorzeitig vom Netz gehen, drohten Entschädigungsforderungen der Betreiber.
Lehren aus Fukushima ziehen
Die Befürworter der Initiative argumentierten, diese würde Sicherheit bringen für die Bevölkerung und für die AKW-Betreiber. Letztere könnten so ihre Planung für die Ausserbetriebnahme an einem präzisen Datum ausrichten.
Kritisiert wurde von Seiten der Gegner, dass das Parlament im Rahmen der Energiestrategie keine Laufzeitbegrenzung beschlossen hat. Pascale Bruderer (SP/AG) sprach von einer «völlig verpassten Chance». Sie unterstütze deshalb nun die Initiative.
Robert Cramer (Grüne/GE) erinnerte an die Katastrophe von Fukushima vor fünf Jahren und jene von Tschernobyl vor 30 Jahren. Es gelte, daraus die Lehren zu ziehen. Die Gefahr nehme mit steigendem Alter der AKW zu. Die Schweizer Atomkraftwerke müssten abgeschaltet werden, bevor es ein tragisches Ende nehme.
Staatliche Rettung der AKW?
Auf eine Laufzeitbegrenzung werde nur aus finanziellen Gründen verzichtet, wegen der Drohungen der Betreiber, stellte Cramer fest. Die Diskussion der vergangenen Tage habe aber gezeigt, dass diese Drohungen nicht sehr ernst zu nehmen seien. Die AKW seien faktisch konkurs, die Allgemeinheit werde so oder so zahlen müssen.
In den letzten Tagen hatte die Idee für Schlagzeilen gesorgt, der Bund könnte über eine Auffanggesellschaft die Atomkraftwerke übernehmen, die wegen der tiefen Strompreise unrentabel gewordenen sind. Von linker Seite wurde die Hoffnung geäussert, so könnten die AKW schneller stillgelegt werden. Bei einem Konkurs der Betreiber müsste ohnehin der Bund einspringen.
Gegen eine staatliche Rettung stellte sich im Ständerat Beat Vonlanthen (CVP/ FR), Präsident der Energiedirektorenkonferenz der Kantone. Er hätte eine zeitliche Limite für die AKW im Rahmen der Energiestrategie begrüsst, sagte er.Doch er stelle sich «mit Vehemenz» gegen einen Kuhhandel mit den Kraftwerksbetreibern, um diese mit Milliardenzahlungen zur vorzeitigen Stilllegung der AKW zu bewegen. Besser sei es, den Betreibern die nötige Zeit zu geben.
Energiestrategie als Gegenvorschlag
Als indirekter Gegenvorschlag zur Atomausstiegsinitiative soll das erste Massnahmenpaket zur Energiestrategie 2050 dienen, das noch in der parlamentarischen Beratung ist. Darin haben die Räte verankert, dass in der Schweiz keine neuen Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Wann die heutigen AKW vom Netz gehen, bleibt aber offen.
Das Parlament beschloss, bei den geltenden Regeln zu bleiben. Atomkraftwerke können demnach so lange betrieben werden, wie die Aufsichtsbehörde sie als sicher erachtet. Eine Laufzeitbeschränkung stand zur Debatte. In der ersten Beratung hatte der Nationalrat sich dafür ausgesprochen, die Laufzeit der ältesten AKW auf sechzig Jahre zu beschränken. Beznau I hätte damit im Jahr2029 vom Netz gehen müssen, Beznau II im Jahr 2031.
Ab vierzig Jahren sollten AKW-Betreiber zudem ein Langzeitbetriebskonzept für die jeweils nächsten zehn Jahre vorlegen müssen. Gewünscht hatte dies die Atomaufsichtsbehörde ENSI. Der Ständerat wollte aber nichts davon wissen. In neuer Zusammensetzung nach den Wahlen beschloss auch der Nationalrat, sowohl auf eine Laufzeitbeschränkung als auch auf das Langzeitbetriebskonzept zu verzichten. (sda/it)