Emmentaler, Monsteiner, Greyerzer, Schönriederli und Appenzeller – unzählige Käsesorten tragen den Namen ihrer Ursprungsregion. Zwar wird explizit Emmentaler nicht mehr nur im Emmental produziert, sondern auch in anderen Ländern wie Frankreich, Deutschland oder Österreich. Wegen seines Namens assoziiert man den Käse aber mit seiner Ursprungsregion, dem Emmental. Und er hat so den Namen der Gegend weltberühmt gemacht. Davon kann die Region touristisch profitieren.
Jährlich reisen Hunderttausende in die Region zur Emmentaler Schaukäserei in Affoltern. «Die Emmentaler Schaukäserei zieht 300 000 Besucherinnen und Besucher an», sagt die Leiterin von Emmental Tourismus, Isabelle Hollenstein. So wie Zermatt sein weltberühmtes «Horu» hat, so hat das Emmental seinen Käse. Die Touristikerin freut sich, mit der Schaukäserei einen so starken Partner an der Seite zu haben, der nicht nur Käse verkauft, sondern auch Gäste anzieht. Neuerdings bietet die Käserei auf ihrem Areal auch Übernachtungen an: in zwei Wohnfässern inmitten der lieblichen Hügellandschaft. «Diese Gäste bleiben länger und geben mehr Geld als Tagesgäste aus», sagt Hollenstein.
Auch andere Regionen profitieren mit einer Schaukäserei vom Käsetourismus. Greyerz will beispielsweise seine Schaukäserei stark ausbauen. Sie soll ab 2026 als Publikumsmagnet an Beliebtheit zulegen. Dass eine neue Schaukäserei die Lösung dafür ist, mehr Gäste anzulocken, bezweifelt Christian Laesser, Professor für Tourismus an der Uni St. Gallen, allerdings: «Das Konzept kann nicht geschützt werden und kann leicht kopiert werden. Innerhalb kurzer Zeit könnte jede Tourismusgegend über eine eigene Schaukäserei verfügen.» Bestehende Schaukäsereien würden ihre Einzigartigkeit verlieren und könnten als Teil des touristischen Grundangebotes verstanden werden.
Wenn Touristiker mit Bauern zusammenspannen wollen
Eigentlich hätte die Zusammenarbeit von Tourismus und Landwirtschaft ein grosses Potenzial. Denn das Bedürfnis nach Angeboten wie jenem, bei der Käseherstellung zu helfen, ist gross. Aber: «Hinter dem romantischen Bild verbergen sich einige Herausforderungen», erklärt Guillaume Schneuwly, Tourismusdirektor Region Greyerz. Denn was die Landwirte bieten können und was sich Touristiker wünschen, ist oft sehr unterschiedlich.
Die Gäste suchen ein exklusives Angebot. Es soll jederzeit verfügbar sein.
Das fängt bei Organisation und Zeitmanagement an, geht über Hygienekonflikte bei der Herstellung bis hin zu sprachlichen Herausforderungen bei internationalen Gästen. «Die Gäste suchen meist ein exklusives Angebot, und dies soll jederzeit verfügbar sein», so Schneuwly. Es sei nicht einfach, den Gästen zu kommunizieren, dass auf der Alp nur am Morgen und nicht den ganzen Tag über gekäst werde. «Wir müssen die Gäste informieren und ihnen die Gründe erklären.» Trotzdem will Greyerz Tourismus das Potenzial nutzen: Tourismus und Landwirtschaft sollen näher zusammenrücken. Alle Gäste, die das Greyerzerland besuchen, sollen mit Käse in Kontakt kommen, ein lebendiges Erlebnis nach Hause nehmen, davon erzählen und dadurch andere Gäste anlocken.
Berühmter Käse, unbekannte Region
Der Appenzeller Käse macht seit Jahren Werbung mit dem Geheimnis um das Rezept des rezenten Käses. Er hat damit an Bekanntheit gewonnen und ist um einiges populärer als das Reiseziel Appenzell. Dass nur der Käse von der Werbung profitiert, glaubt Tourismusdirektor Guido Buob nicht. Er bezeichnet die Zusammenarbeit mit der Käsesorte als Komplizenschaft: «Weil Appenzeller mit der intakten Natur und traditionellen Werten wirbt, sprechen wir als Destination genau dieselbe Marketingsprache.» Die Destination zeigt also Bilder von Folklore, Trachten und Alpabzügen. Sie verzichtet bewusst auf Werbung für Trendaktivitäten wie Mountainbiking oder Bungee-Jumping.
Der Destination nimmt man das Heile-Welt-Image ab, das zeigen die Zahlen. Diese kletterten innerhalb von 25 Jahren von 86 418 Logiernächten (1996) auf fast das Doppelte, nämlich auf 167 855 Einheiten, an. Dass die Kombination aus dem sehr bekannten Käse und der weniger bekannten Destination einen entscheidenden Nutzen bringt, bestätigt auch Christian Laesser: «Im Crossmarketing ist der Effekt dann am grössten, wenn die eine Marke sehr bekannt und die andere weniger bekannt ist.»
Käsefeste, Chästeilet und Alpabfahrten sind der Renner
Ein guter Imageträger ist auch Raclette. So ist das «Palp Festival et Village» in Val de Bagnes VS, das kürzlich mit dem Prix Montagne ausgezeichnet wurde, ein Publikumsmagnet mit 20 000 Besuchern. Im Zentrum des Festivals: der Raclettekäse. Vor kurzem wurde im Val de Bagnes nun sogar die Käsemeisterschaft durchgeführt. Laut Organisatoren reisten 7500 Besucher ins Tal, was zu viel Wertschöpfung führte.
Authentische Kultur- und Kulinarikanlässe rund um den Käse sind für den Tourismus besonders gewinnbringend, weil sie dann durchgeführt werden können, wenn Flaute herrscht: Sie beleben die Zwischensaison.
Hoteliers sollten beim Frühstück Käse aus dem eigenen Dorf servieren.
Gerade die Gastronomie habe grosses Potenzial, mit Käse zu punkten und Gäste anzulocken, findet Christian Laesser. «Essen ist eine zentrale Erlebniskomponente.» Deshalb rät er, in der Käsekulinarik innovativer zu werden und auf Regionalität zu setzen. «Käse hat einen grossen Lokalbezug. Deshalb sollten Hoteliers besonders in Alpen- und Landregionen beim Frühstück ausschliesslich Käse aus dem eigenen Dorf servieren und das den Gästen auch mitteilen.» Dies komme momentan, da Nachhaltigkeit im Trend liege, sowieso gut an. Es schaffe zudem Authentizität und sorge für ein gutes Gefühl.
Guillaume Schneuwly betont, dass es wichtig sei, immer auch Geschichten über den Käse zu erzählen – mündlich oder schriftlich. Wenn der Gast wisse, dass der Greyerzer im Cordon bleu von jener Alp stamme, an der er am Nachmittag vorbeigewandert sei, schaffe das ein nachhaltiges Erlebnis.
Tipps, wie Tourismus von Käse profitieren kann
Genuss bedeutet Lifestyle. Von lokalem Käse als Qualitätssiegel kann der Tourismus in vielfältiger Form profitieren. Einzigartige Geschichten und Erlebnisse binden die Gäste an ein Restaurant und an eine Destination.
Unverwechselbare Anlässe sind authentisch
Gäste schätzen Authentizität. Deshalb boomen Anlässe, an denen Käsegenuss mit Tradition kombiniert wird. Als Vorbilder dienen Alpabzüge, kombiniert mit Volksmusik und Markttreiben. Sie ziehen jährlich Tausende Gäste an und beleben so die Zwischensaison. Weitere Möglichkeiten sind Käsemärkte mit Streichelzoo oder eine Tavolata, an der die umliegenden Käsereien sowie Weinhändler ihre Spezialitäten anbieten.
Aufs Frühstücksbuffet gehört einheimischer Käse
Die ehrliche Küche verwendet lokalen Käse: auf dem Frühstücksbüffet und im Cordon bleu. Auf der Speisekarte unbedingt die Herkunft ausweisen. Vielleicht gibt es eine besondere Geschichte über den Käse zu erzählen?
Imagekultur und Botschafter für mehr Gäste
Wenn in Käsedestinationen das Image von Tourismus und Käse übereinstimmt, wirkt das Bild stimmig und für neue Gäste anziehend. Das Potenzial für Cross-Marketing zwischen Käse und Tourismus ist dann am grössten, wenn die eine Marke weniger bekannt ist als die andere. Bestes Beispiel sind die Marken Emmental als Reiseziel und Emmentaler Käse.
Landwirtschaft und Tourismus arbeiten zusammen
In vielen Bergkantonen sind Alpkäsereibesichtigungen Tradition. Sie können durch neue Erlebnisse wie einen Tag beim Heuen oder beim Melken erweitert werden. Auch im Mittelland sind die Möglichkeiten vielfältig: Stallbesichtigungen, Hofführungen und ein Tag bei der Ernte.