Zeitgenössische Land Art (Landschaftskunst) entsteht im Dialog mit der Natur, der Landschaft und in der Wahrnehmung des Betrachters. So geschehen diesen Sommer im wild-schönen Safiental in der Südostschweiz. 15 temporäre Kunstinstallationen, sieben internationale und acht heimische Kunstpositionen luden unter dem Titel «Horizontal-Vertikal» ein, das Bündner Bergtal mit neuen Augen zu entdecken. «Die 2. Art Safiental vom 7. Juni bis am 21. Oktober 2018 war erneut ein grosser Erfolg, das lässt sich schon drei Wochen vor ihrem Ende sagen», schreiben die Organisatoren der Landschaftsausstellung in einer Mitteilung.
Die Art Safiental 2018 erstreckte sich über eine Distanz von 25 Kilometern, vom Eingang des Tales in der Rheinschlucht mit einer zeitgenössischen Felsmalerei (Analia Saban) bis zum hintersten Ausgleichsbecken am Talende mit der Soundarbeit «Apedromo» (Marianne Halter & Mario Marchisella). Aber nicht nur in der Horizontale verteilten sich die Werke, auch vertikal waren die Arbeiten auf sehr unterschiedlichen Höhen installiert. Die «Egschishell» (Bob Gramsma) schwamm ganz unten in der Talsohle, während für «Transparent Earth» (Lita Albuquerque) auf den Gipfel des Schlüechtli auf 2283 m ü. M. aufgestiegen werden musste.
Grosses Medienecho und viele Besucher
Spektakuläre Bilder waren es, welche die Art Safiental 2018 rund um den Erdball in die Medien rückten. Den Anfang machte die monumentale Schanze «Himmel III» des Künstlerduos Bildstein|Glatz, die im Juli unter «Best photographs of the day» in The Guardian figurierte. Es folgten renommierte Publikationen wie Condé Naste Traveler, Lonely Planet, Spiegel online, news-Beiträge aus den USA, China, Russland, der Ukraine, Israel und Spanien. Aber auch lokale Medien und mehrere Fernsehsendungen, Beiträge in Kunstzeitschriften, Kunst-, Architektur- und Design-Blogs und Tausende von Social Media-Posts taten Kunde von der Art Safiental.
Und die Besucher kamen - gegen 10‘000 dürften es bis zum 21. Oktober 2018 sein, welche einen oder mehrere Tage der Art Safiental widmeten. Die Gäste stammten aus der Region, aus der ganzen Schweiz, und in grosser Zahl auch aus dem Ausland. So finden sich etwa im Gästebuch des Werkes «Bergkanzel» (Com&Com) in Versam über 200 Einträge, darunter solche aus Costa Rica, den USA, Canada, Israel, Frankreich, Spanien, Portugal, Holland und dem arabischen Raum.
Hotel- und Gastrobetiebe verzeichnen mehr Gäste
Dank der Kunst und dem schönen Wetter zeigt die erste Tourismusstatistik bei Gastrobetrieben und Übernachtungen einen Zuwachs von rund 30 Prozent gegenüber dem letzten Sommer ohne Art Safiental. Neben individuellen Besuchern wurden auch die offiziellen Touren rege besucht, zudem nutzten viele Ferienlager, Schulklassen, Vereine und Wandergruppen die Kunstangebote. Und auch die Safier selbst besuchten in grösserer Zahl die Freiluftausstellung in ihrer Heimat. Und sei es nicht zuletzt auch, um bei den teilweise kontroversen Diskussionen um einzelne Kunstwerke mitreden zu können.
Noch intensiver als bei der ersten Ausgabe war der Einbezug der Talbevölkerung. Neben der aktiven Mitwirkung in einzelnen Projekten (Recherche, Bau oder Betrieb) konnten längerfristige Partnerschaften etabliert werden. So etwa mit der Kirchgemeinde, den Kraftwerken Zerfreila, mehreren Handwerkbetrieben und Einzelpersonen. Die Gemeinde Safiental wie auch das Berghotel Alpenblick in Tenna sind seit Beginn Partner der Alps Art Academy und der Art Safiental.
Grossartige Chance für eine periphere Region
Gemeindepräsident Thomas Buchli ist ein Förderer der ersten Stunde und sieht einen gegenseitigen Gewinn: «Das Safiental bietet der Kunst eine wunderbare Bühne, die wir mit allem Respekt vor der Natur gerne zur Verfügung stellen. Denn die 15 Wochen dauernde Freiluftausstellung stellt für unsere periphere Region eine grossartige Chance dar, uns zu zeigen. Und dem Safiental selbst bringt die Kunst viel Diskussionspotenzial. Ich freue mich schon auf die Art Safiental 2020.»
Remo Kellenberger, Leiter der Geschäftsstelle des ‚Naturpark Beverin‘, der neuen Trägerschaft der Alps Art Academy und der Art Safiental, zieht ebenfalls eine positive Bilanz: «Die Art Safiental schuf abermals einen frischen Zugang, sich mit der einzigartigen Natur, Kultur und Landschaft in unserer Region auseinanderzusetzen und bringt neue Gäste ins Safiental. Darum engagiert sich der Naturpark Beverin mit Freude als Trägerschaft dieses wichtigen Kulturanlasses.»
Auch der Gründer und künstlerische Leiter der Art Safiental Johannes M. Hedinger ist sehr zufrieden mit der diesjährigen Doppelveranstaltung: «Der Ausbau der Alps Art Academy und der Art Safiental hat sich gelohnt. Beim Akademiebetrieb haben wir eine markante Professionalisierung erreicht, was sich auch im hohen Niveau der Teilnehmenden spiegelte. Die Art Safiental 2018 hatte doppelt so viele Positionen zu bieten als zwei Jahre zuvor. Um sie alle erleben zu können, mussten die Besucher mindestens zwei Tage bleiben, respektive wiederholt ins Safiental reisen. Und viele von ihnen sagen schon heute, dass sie auch zur 3. Ausgabe kommen werden.»
Sommerakademie 2018: Professionalisierung und Internationalisierung
Der Biennale Art Safiental vorangegangen war erneut die internationale «Alps Art Academy». Neu zehn Tage (2016: 7) lang widmeten sich 35 Kunststudierende (2016: 30) aus 22 Ländern und allen Kontinenten in Workshops und Master Classes verschiedenen Land-Art-relevanten Themen. Ein zweitägiges Symposium brachte internationale Gastexperten ins Tal (u.a. vom CLUI Los Angeles, Center for Art + Environment in Reno NV, oder Land Art of the American West aus Texas).
Exkursionen führten zu spannenden, teils ungewöhnlichen Orten und Institutionen, welche zu Landschaftskunst im weiteren Sinne anregen können. Besucht wurden etwa das Wasserkraftwerk Zervreila in Safien Platz, das Gonzenbergwerk Sargans und der Militärbunker Magletsch bei Gretschins. Daneben arbeiteten die Teilnehmenden an eigenen Projekten, die im Rahmen der Art Safiental-Vernissage auch öffentlich gezeigt wurden. Die Sommerakademie baut derzeit ein Netzwerk mit nationalen und internationalen Partnern auf.
Art Safiental 2018: Was geht, was bleibt, was kommt?
Der Titel der diesjährigen Art Safiental «Horizontal-Vertikal» versprach, das Spannungsfeld zwischen Berg und Ebene neu auszuloten. Einige der 15 Land Art-Installationen kamen dieser Einladung explizit nach. So baute etwa das schweizerisch-österreichische Künstlerduo Bildstein/Glatz eine monumentale Schanze, bei welcher der Blick von der Horizontale in die Vertikale katapultiert wird.
Die von der amerikanischen Land-Art-Ikone Lita Albuquerque geschaffene, leuchtend blaue Frauenfigur ‚Transparent Earth‘ auf dem Gipfel des Schlüechtli horcht nicht nur senkrecht in die Erde hinein, sie wird ab Frühling auf der Antipode des Planeten in Neuseeland eine Zwillingsfigur bekommen und damit die grösstmögliche Vertikale zwischen zwei zusammengehörenden Kunstwerken auf dieser Erde schaffen. Mindestens so lange bekommt die Figur auf dem Schlüechtli eine Verlängerung.
Die meisten Werke werden jedoch nach der Finissage Ende Oktober abgebaut, nur ein paar wenige sind noch etwas länger präsent: etwa Analia Sabans an prähistorische Felsmalereien erinnernde Wandarbeit «Circuit Board for Rock Painting» in der Rheinschlucht beim Bahnhof Versam-Safien. Die mit Kalkfarbe geschaffene Zeichnung von Computerschaltstellen wird der Erosion überlassen und baut sich über die nächsten Monate selber ab. Für die beliebte «Bergkanzel» bei Versam wird eine Verlängerung bis nächsten Sommer geprüft, ehe sie dann abgebaut wird und 2020 an einem ganz neuen Ort im Tal wieder auftauchen wird. Noch offen ist auch, ob die Egschi-Shell von Bob Gramsma eine neue Funktion erhalten wird. Grundsätzlich soll nach dem Festival Ruhe einkehren, damit das Safiental in knapp zwei Jahren mit neuen Werken und frischem Blick wieder neu entdeckt werden kann.
Noch bis 21. Oktober zu erleben
Wer die Art Safiental 2018 noch nicht gesehen hat, hat noch bis und mit 21. Oktober 2018 täglich die Möglichkeit dazu. Das Finissage-Wochenende vom 20./21. Oktober verspricht ein fulminantes Finale mit einem vielseitigen Programm in Anwesenheit zahlreicher Künstlerinnen und Künstler. Im alten Acla- Tunnel kann man einem Konzert von Peter Conradin Zumthor beiwohnen, im Flussbett der Rabiusa mit H.R. Fricker einen persönlichen Stein finden, mit Lita Albuquerque den Sonnenaufgang bei ihrer Skulptur auf dem Schlüechtli erleben, und Bildstein|Glatz machen ihre Schanze begehbar.
Das Londoner DIG Collective kehrt zurück und schaufelt – gerne mit Hilfe von Gästen – das Loch in Tenna wieder zu, während Ueli Alder mit einer historischen Plattenkamera analoge schwarz-weiss-Portraits der Finissage-Besucher macht. Im Berghotel Alpenblick gibt es eine Ausstellung, weitere Präsentationen und Screenings. Das detaillierte Programm (siehe unten) findet man auch unter www.artsafiental.ch.