An seinem Medientermin über seine ersten hundert Tage als SBB-Chef präsentierte Vincent Ducrot am Freitag in Zürich gleich eine ganze Liste von Problemen. Zuoberst steht aktuell – wenig überraschend – die Coronakrise, die auch die SBB in finanzielle Nöte brachte.
Für das laufende Jahr rechnen die SBB mit Verlusten von mehreren hundert Millionen Franken. Um liquide zu bleiben, erhöhten die SBB beim Bund bereits die Kreditlimite auf 750 Millionen Franken – für den absoluten Notfall.
Der neue SBB-Chef muss nun einen Plan vorlegen, wie er die Schulden mittelfristig stabilisieren will. Denn während der Bund den Regionalverkehr unterstützen wird, bleiben die SBB im Fernverkehr und im Immobilienbereich auf ihren Verlusten sitzen. «Wie jedes Unternehmen werden auch wir sparen müssen», sagte Ducrot.
Wie das gehen soll, ist noch offen. Ducrot zeigte sich aber zuversichtlich, dass auch die Corona-Phase irgendwann vorüber ist und die Menschen wieder gerne im Zug reisen. Aktuell sind die Züge nur zu zwei Dritteln ausgelastet.
«Für Kunden unbefriedigend»
Nicht für alle Probleme auf der Liste ist jedoch das Coronavirus verantwortlich. Auch der Bahnbetrieb selber wird Ducrot viel Arbeit bescheren. Aktuell sei der Betrieb nicht zuverlässig genug, räumte er ein. Das ganze System sei nicht robust und stosse an seine Grenzen. «Für unsere Kunden ist das oft unbefriedigend.»
Ducrot hat deshalb einen «Robustheits-Check» angeordnet. Interne und externe Fahrplanspezialisten untersuchen dabei das ganze System. Danach wollen sie dem Bund Vorschläge machen, wie die Zuverlässigkeit verbessert werden kann. Bis der Bahnbetrieb wieder runder läuft, dauert es allerdings noch zwei bis drei Jahre.
Schneller gehe das leider nicht, sagte Ducrot.
Der neue SBB-Chef, ein Bähnler der alten Schule, will auch wieder mehr in die Wartung investieren, die Baustellen besser planen und generell mehr Rollmaterial anschaffen. Die Lokführer sollen zudem wieder intensiver ausgebildet werden. Dann können sie auf mehreren Fahrzeugtypen und auf verschiedenen Strecken eingesetzt werden.
Tendenz zum Auseinanderdriften
Der Vollblutbähnler will also einiges anders machen als sein Vorgänger Andreas Meyer. Dieser habe den einstigen Staatsbetrieb digitalisiert und das sehr gut gemacht, sagte Ducrot dazu diplomatisch. Nun gehe es aber darum, das Kerngeschäft zu stabilisieren. «Wir werden in zehn Jahren immer noch eine Bahn sein, nichts anderes.»
Die SBB hätten in den vergangenen Jahren die Tendenz gehabt, auseinanderzudriften. Ducrot will den Betrieb nun wieder mehr zusammenhalten. Ein Beispiel dafür ist etwa, dass der Betrieb der WC-Anlagen, einst ausgelagert, wieder integriert wird. Und statt Bahnhöfe zu verkaufen, will Ducrot sie lieber selber entwickeln.
«Wir werden wieder der Stolz dieser Nation sein», versprach er. (sda)