Eva Brechtbühl, Sie engagieren sich seit 1971 für den Schweizer Tourismus. Woher rührt die fortwährende Begeisterung?
Gibt es denn etwas Schöneres, als unser wunderschönes Land Gästen näherzubringen? In der Schweizerischen Verkehrszentrale (heute Schweiz Tourismus) fand ich 1971 die ideale Arbeitgeberin. Ich hatte das Glück, mit interessanten Vorgesetzten und dynamischen Teams unterwegs zu sein, ganz unterschiedliche Positionen im In- und Ausland zu bekleiden und – für mich ganz wichtig – stets mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu tun zu haben.

Bei der Schweizer Berghilfe begleiteten Sie touristische Akteure und Projektinitianten in Berggebieten. Eine Herzensangelegenheit?

Für mich war die Schweizer Berghilfe insofern ein Glücksfall, als sie just zum Zeitpunkt meiner Pensionierung bei Schweiz Tourismus ihre Unterstützungsbereiche um die Bereiche Gewerbe, Energie, Wald und Holz, Bildung und Tourismus erweiterte.

Ich war sozusagen «Frau der ersten Stunde». Eine Herzensangelegenheit? Auf jeden Fall, denn ich hatte wiederum mit mutigen Menschen zu tun, die sich mit Herz und grosser Hingabe engagierten. Wie zum Beispiel im hintersten Valle di Muggio, wo ein ambitionierter Investor mit grossem Effort die nötigen Mittel beschafft hat, um mit einem Albergo diffuso das Dorf Scudellate und das ganze Tal zum Leben zu erwecken und touristisch aufzuwerten. Solche Projekte durfte ich begleiten, stets mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu erhalten, neue zu gewinnen und die Wertschöpfung zu steigern.

Welche Stimmung spürten Sie in den Berggebieten?

Auf meinen Besuchen in den oft peripheren Talschaften habe ich weitgehend eine positive Grundstimmung gespürt, oft auch eine Aufbruchstimmung. Das erklärt sich auch dadurch, dass die Anträge der Gesuchsteller vorab von der Berghilfe-Geschäftsstelle aufgrund der definierten Kriterien geprüft werden.

Danach führt die ehrenamtliche Expertin einen Besuch vor Ort durch für ein vertiefendes Gespräch. Chancen für Entwicklungen werden erkannt, und man sucht sie zu nutzen.

Wie gelingt das Gleichgewicht zwischen Erhalt und Fortschritt, Tradition und Innovation?

Der Alpenraum ist für die Bergbevölkerung Heimat. Gleichzeitig ist er für viele Touristen ein Rückzugsort für Erholung und Sport. Die Klimaveränderung bedingt strukturelle Anpassungen im Tourismus.

Wichtig ist, möglichst gute Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen wie durch die Erschliessung des Berggebiets mit leistungsfähigen digitalen Infrastrukturen sowie mit Bildungs- und Weiterbildungsangeboten. Der Tourismus schafft das grösste Beschäftigungspotenzial im Berggebiet. Es gilt also, innovative und nachhaltige Tourismusprojekte zu entwickeln und zu unterstützen, und genau da setzt die Berghilfe an.

Gibt es etwas Schöneres, als unser Land Gästen näherzubringen?

Welche touristische Entwicklung in Bergregionen stimmt Sie positiv – wo mahnen Sie zur Vorsicht?

Beim Thema Nachhaltigkeit sind wir mit Swisstainable einen grossen Schritt weitergekommen. Leistungsträger und Gäste sind umweltbewusster geworden. Der Mut und das Engagement der Gesuchsteller, die an die Berghilfe gelangen, stimmen mich optimistisch.

Es braucht mutige Entscheide sowie Risikobereitschaft. Sorgen bereitet mir die Konzentration von Gästen in gewissen Destinationen zu bestimmten Zeiten, auch wenn man noch nicht von Overtourism sprechen kann. Schweiz Tourismus ist bemüht, starkes Gästeaufkommen durch geeignete Angebote zu entzerren, sowohl zeitlich als auch regional. Die Destinationen sind ebenfalls gefordert, Alternativangebote anzubieten.

Was antworten Sie notorischen Nein-Sagern?

Ich schätze mich privilegiert, denn ich hatte mit dieser Menschengattung kaum zu tun. Das Mittel dagegen ist in jedem Fall, überzeugende Argumente ins Feld zu führen, weshalb etwas möglich oder notwendig ist.

Ihr Weggang bei der Schweizer Berghilfe hinterlässt eine grosse Lücke.

Lücken lassen sich immer schliessen! Die Professionalisierung hat auch in den Destinationen oder in der Hotellerie zugenommen. Ich sehe engagierte junge Leute, die sich wie ich für den Tourismus und auch für die Schweiz als Reise- und Ferienland begeistern. Das stimmt mich optimistisch.

Ein Wunsch für die Zukunft des Tourismus?

Für mich war Kooperation stets ein Schlüsselbegriff. Ich bin überzeugt, dass mit dem frühzeitigen Einbezug der Bevölkerung und aller Akteure oder Leistungsträger bessere Projekte und Angebote entstehen, als wenn einer allein eine Idee vorwärtsbringen will. Ich wünsche mir von den künftigen Touristiker-Generationen weises Vorausschauen bei der Angebotsgestaltung für die Gäste von morgen mit Blick auf die Ökologie, vielleicht gar mit einem philosophischen Ansatz.