In Zermatt haben südostasiatische Gäste immer ein grosses Ziel: Sie wollen dem Matterhorn so nahe wie möglich sein. Beliebt seien die spektakulärsten Aussichtspunkte, Gornergrat und Kleines Matterhorn, so Selina Döringer, Leiterin Marketing bei Zermatt Tourismus. Es gibt Kombi-Pässe, die mehrere Ausflugsberge beinhalten. So etwas schätzen die Gäste, genau wie hohe Qualitätsstandards bei Anreise, Hotel und Angeboten.

Mit schweizerischer Zuverlässigkeit können wir punkten.
 Selina Döringer, Leiterin Marketing bei Zermatt Tourismus.

«Wir achten auf eine lückenlose Servicekette. Mit schweizerischer Zuverlässigkeit können wir punkten.» Auch die familiäre Atmosphäre in kleinen, familiengeführten Betrieben sei ein Plus. Einen bei vielen asiatischen Märkten erkennbaren Trend gibt es auch bei Südostasien: Buchungen von FITs nehmen zu. «Der individuelle Service, aber auch individualisierbare Angebote werden daher wichtiger. Wir müssen jeden Gast bei seinen Erwartungen abholen und weniger standardisierte Produkte anbieten.»

Von den im Markt zusammengefassten Submärkten sind Thailand, Malaysia, Singapur und Indonesien die wichtigsten, dahinter kommen mit etwas Abstand die Philippinen und Vietnam. Alles sehr unterschiedliche Länder, weswegen es zum Beispiel beim Reisemotiv «feine Unterschiede» gibt. Gäste aus Thailand oder Malaysia kämen wegen des Schnees und der Natur, Indonesier seien eher die klassischen Sightseeing-Gäste, sagt Döringer. [RELATED]

«Wir sollten uns dieser Unterschiede bewusst sein, um flexibel reagieren und minimal andere Schwerpunkte setzen zu können.» In puncto Reisezeit stecke viel Dynamik im Markt. Döringer erkennt eine Verlagerung in die Wintermonate – bis in den Januar und Februar hinein. Alles sei flexibler geworden, worin grosses Potenzial liege. «Wir können die Gäste für andere Zeiten gewinnen. Ich denke da an den Herbst.


1,80 Nächte blieben die Gäste aus Südostasien 2019 durchschnittlich im Hotel.

Natur-Sehenswürdigkeiten nannten 14,8 Prozent als Hauptgrund für ihre Reise. 7,1 Prozent nannten die Familienfreundlichkeit.

295 Franken gaben die Reisenden gemäss «Tourismus Monitor Schweiz 2017» im Schnitt täglich aus.

61,3 Prozent der Gäste aus dem Markt übernachteten während ihrer Ferien im Hotel.
 

Da südostasiatische Gäste vor allem wegen der Natur kommen, wären September und Oktober sehr attraktive Monate.» Schon jetzt schliesst Südostasien Lücken im Spätherbst, wenn weniger Inlandgäste anreisen. Ähnlich ist es in Bern: In der Nebensaison füllen Gäste aus Thailand oder Singapur die Hotelzimmer. «Bei Ankunft sollten sie eine ausführliche Beratung erhalten», so Manuela Angst, CEO von Bern Welcome.

In der Tourist-Info am Bahnhof stellen sie meist generelle Fragen: wo sie das Gepäck verstauen können, wo öffentliche Toiletten sind, wie der ÖV funktioniert. Zudem möchten sie Tipps für Sehenswürdigkeiten. Rosengarten und Bärenpark sind beliebt. Die Gäste, die gut Englisch sprechen, buchen öfter den geführten Unesco-Altstadtbummel.

Kleiner Submarkt mit grossem Potenzial
Für südostasiatische Gäste in der Region Luzern-Vierwaldstättersee sind Schiffsfahrten und Ausflüge in die Berge touristische Höhepunkte. «Dort geht es dann aber nicht ums Wandern oder Spazieren, sondern um die Aussicht», so Sibylle Gerardi von Luzern Tourismus. Die Gäste wollen generell wenig laufen.

Auch in Luzern ist der Markt in der Nebensaison stark, wobei sich die Hauptreisezeiten unterscheiden. Von März bis Mai kommen die meisten thailändischen Gäste, weil es im April rund ums Neujahrsfest Songkran lange Ferien gibt. Beim Markt Indonesien nutzt die muslimische Community den Feiertag Lebaran am Ende des Fasten­monats Ramadan im Frühling für den Urlaub. Und zum Jahresende hin liegt die Hauptreisezeit beim Markt Singapur.

Die Reisezeiträume sind innerhalb des Marktes Südostasien sehr unterschiedlich.
Sibylle Gerardi, Luzern Tourismus

Genauso bei der chinesischen Community in Malaysia, die lange Winterferien hat. Unterschiede gibt es auch in puncto Sprachkenntnisse: Bei Gästen aus Vietnam zeigen sich grössere Barrieren, Gäste aus Singapur und den Philippinen sprechen gut Englisch. Auch Gerardi hält es für sinnvoll, unterschiedliche Schwerpunkte in der Marktbearbeitung zu setzen. Zumal sich das Wissen über die Schweiz von Land zu Land unterscheide.

Im Schweiz-kundigen Thailand sei es möglich, in die Tiefe zu gehen und auch mal unbekanntere Attraktionen vorzustellen. «Auf Verkaufstouren in Vietnam stellen wir dagegen fest, dass dort wenig über unser Klima, die Jahreszeiten und Flughäfen bekannt ist.» Lokale Repräsentanten müssten da erst mal die Basics kommunizieren. Vietnam sei jedoch im Kommen. «Wir werden daher dieses Jahr zusätzlich zu den Aktivitäten mit Schweiz Tourismus eine eigene Verkaufstour in Ho-Chi-Minh-Stadt durchführen.»

First Snow & Ski Experience und Outdooraktivitäten
Lisa Spring, Manager Communication bei Interlaken Tourismus, erwartet viel vom Markt: «Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft. Es gibt eine dynamische Entwicklung mit starkem Wirtschaftswachstum.» Die Ferienregion Interlaken positioniert sich im Markt Südostasien – wie in anderen Märkten auch – als Switzerland in one place und Adventure-Hauptstadt Europas. Spring schätzt die Marktsituation als sehr gut ein.

Europa liege im Trend, innerhalb Europas vor allem die Schweiz. «Sie gilt als Traumdestination. Berg- und Schneeerlebnisse stehen auf jeder Bucketlist.» Die Gäste reisten vermehrt in der Nebensaison und im Winter an. «Vor allem im Winter stellen wir eine Steigerung der Nachfrage für First Snow & Ski Experience fest. Die Gäste interessieren sich stärker für Winter­erlebnisse und wählen erfreulicherweise die Schweizer Berge, um zum ersten Mal Schnee zu sehen.»

Das Potenzial ist noch lange nicht ausgeschöpft.
Lisa Spring, Manager Communication bei Interlaken Tourismus

In jüngster Zeit gebe es auch einen starken Anstieg bei den Angeboten im Bereich Outdoor-Adventure. Die Gäste buchten Paragliding-Angebote oder Schneeaktivitäten. Interlaken als Gateway zur Jungfrau-Region könne hier auf ein für Südostasien besonders attraktives Angebot zurückgreifen. Meist übernachteten die Gäste im oberen Hotelsegment. «Sie sind die hohen Standards aus ihrer Heimat gewohnt», sagt Spring. Thailändische Gäste schätzten besonders Luxus- und Shoppingangebote, Gäste aus Singapur besuchten die Schweiz vermehrt als Individualtouristen.

Grössere Unterschiede innerhalb des Marktes seien eher im Bereich der Religion zu finden. «Vor allem muslimische Gäste aus Malaysia und Indonesien wollen ein kulinarisches Angebot, das auf ihre Bedürfnisse abgestimmt ist. Sie zeigen sich aber auch Schweizer Spezialitäten gegenüber offen, sofern diese halal sind.» Etwa Rösti, Fondue und Risotto, Letztere ohne Alkohol zubereitet.


Expertentipps

Unbekanntes bekannt machen und Hotels länger offen halten

Raymond Lee arbeitet seit 29 Jahren im malaysischen Tourismus. Beim Reiseveranstalter Mal Central Travel in Kuala Lumpur verantwortet er Entwicklung und Vermarktung von Gruppenreisen, die «Amazing Europe» heissen. Er hat ein paar Ideen, wie die Schweiz ihre hervorragende Marktposition in Malaysia behalten und sogar ausbauen kann.

Drei Erfolgsfaktoren
Bei uns in Malaysia ist die Schweiz absolute Spitze. In den letzten 12 Monaten war sie dasbeliebteste europäische Reiseziel. Ich habe einige Faktoren beobachtet, die dazu beitragen. Erstens: Die Schweiz wird hierzulande allgemein als eines der schönsten Länder Europas angesehen. Mit den atemberaubenden Alpenlandschaften als Hauptanziehungspunkt ist der Verkauf einer Reise tendenziell leichter als bei den meisten anderen europäischen Reisezielen.

Zweitens: Nach der Pandemie waren die Werbemassnahmen von Schweiz Tourismus in Südostasien hervorragend. Reisebüros wurden bei ihren Verkaufsaktivitäten mit vielen Produktideen versorgt. Zudem gab es Roadshows und Tourismusmessen, bei denen sich Schweizer Tourismusanbieter und malaysische Reisebüros austauschen konnten. Solche Interaktionen erhöhen das Produktwissen der Reisebüros und das Marktbewusstsein der Schweizer Partner. Das Ergebnis ist eine robustere Produktinnovationslandschaft, welche die Aussichten der Schweiz als Reiseziel mit vielfältigen Optionen für unterschiedliche Marktbedürfnisse weiter verbessert.

Drittens: der Faktor Social Media. Darüber hat das malaysische Publikum viele nicht so bekannte Attraktionen in der Schweiz kennengelernt, etwa den Blausee, Grindelwald-First, das Schilthorn, den Oeschinensee oder den Bernina-Express.

Ein multikultureller Markt
Über 60 Prozent der Bevölkerung Malaysias sind muslimische Malaien, es leben aber auch viele chinesisch- und indischstämmige Menschen bei uns. Eine multikulturelle Gesellschaft also. Da ist es schwierig, klar dominierende Markterwartungen zu identifizieren. Gruppenreisen, sowohl Freizeit- als auch Incentive-Reisen, sind nach wie vor das Hauptsegment bei Schweiz-Reisen.

Auf dem Freizeitmarkt waren die Reisenden in der Vergangenheit überwiegend chinesischer Abstammung, aber in letzter Zeit ist das Segment der malaiischen Touristen exponentiell gewachsen. Schweizer Destinationen sollten die unterschiedlichen Präferenzen kennen: Chinesischstämmige und indischstämmige Touristen neigen eher zu Pauschalreisen mit besseren Hotels, besserem Essen und mehr Attraktionen, wobei es auch innerhalb dieses Segments durchaus Unterschiede in der Kaufkraft gibt.

Der ethnisch malaiische Markt konzentriert sich dagegen sehr stark auf die Verfügbarkeit von Halal-Mahlzeiten, und die Reisepakete sind eher preisorientiert mit Unterkünften niedrigerer Kategorie, längeren täglichen Busreisen und weniger Attraktionen. Entsprechend unterschiedlich die Preise: Ein komplettes Mono-Schweiz-Paket mit Flug liegt für den gehobenen Markt bei über 20'000 Malaysischen Ringgit, knapp 4000 Schweizer Franken. Die muslimisch orientierten Pakete dagegen kosten weniger als 10'000 Malaysische Ringgit.

Gemeinsamkeiten gibt es auch
Jeder Gast aus Malaysia hat im Prinzip den gleichen Grund für eine Reise in die Schweiz: die dramatischen Landschaften, seien es unberührte Seen, schneebedeckte Gipfel oder die rustikalen, von alten Traditionen geprägten Dörfer. Im Allgemeinen geniessen unsere Kunden die saubere, frische Luft. Und Schokoladen- und Käsekenner lieben die Schweiz sowieso. Es gibt bestimmte Attraktionen, die auf unserem Markt sogar zu Ikonen geworden sind, die meisten Pakete beinhalten eine Auswahl davon.

Zum Beispiel stehen Luzern und der Titlis schon seit einigen Jahrzehnten auf den Reiseplänen. In den letzten zehn Jahren haben das Jungfraujoch und Zermatt viel Aufmerksamkeit erregt. Immer mehr Kunden suchen auch nach Pauschalangeboten mit Aufenthalt in malerischen Städten und Dörfern wie Grindelwald und Saas-Fee. Wir erhalten in letzter Zeit zudem sehr viele Anfragen für Bahnreisen mit Aussicht.

Instagram und Influencer
Eine weitere Gemeinsamkeit der ethnischen Gruppen in unserem Land liegt darin, dass jeder den perfekten Instagram-Spot sucht. Wir haben eine darauf ausgerichtete Mono-Schweiz-Tour entwickelt, denn Gelegenheiten zu Instagram-tauglichen Fotos gibt es in der Schweiz in Hülle und Fülle. Die Bilder und Videos werden fast sofort online gestellt und auf Social Media geteilt. Anschliessend folgt die Interaktion mit Freunden und Followern. Besonders, wenn die Touristen ein bisher noch recht unbekanntes Highlight gefunden haben. Ich nehme an, dass der Trend zu Selfies und Instagram nicht auf den Markt Malaysia beschränkt ist.

Es sind die Schlüsseleigenschaften der Reisenden von heute, besonders der asiatischen. Geht es um Social Media, spielen auch malaysische Influencer oder Key Opinion Leader eine grosse Rolle. Eine wachsende Zahl von ihnen nutzt das grossartige Reiseziel Schweiz, um sich bei ihren Followern zu vermarkten. Wir haben gesehen, dass viele Attraktionen durch diese Art der Vermarktung deutlich an öffentlicher Aufmerksamkeit gewinnen konnten. Der Schweizer Tourismus scheint diese Trends gut genutzt zu haben. Die Daten über die tatsächliche Umwandlung in Verkäufe sind allerdings noch nicht sehr zuverlässig.

Verbesserungen für die Zukunft
Momentan sehe ich keine offensichtlichen Schwachstellen im Marketing, die sich negativ auf das anhaltende Wachstum der Touristenankünfte aus Malaysia in der Schweiz auswirken könnten. Herausforderungen, mit denen wir heute konfrontiert sind, betreffen eher die Angebotssituation. Die Bestätigung von Zimmern für unsere Touristen­gruppen ist im Zuge steigender Tarife schwieriger geworden. Ich empfehle daher, gegenzusteuern und Massnahmen zu ergreifen, die die Verfügbarkeit von Zimmern besonders für Freizeitgruppen erhöhen. Es sollten alternative Unterkünfte angeboten werden, die für neue Marktsegmente geeignet sind. Zum Beispiel würden malaysische Gruppen sicher auch Chaletaufenthalte als Alternative zu Hotels akzeptieren.

Zweitens sollten Schweizer Hoteliers ermutigt werden, ihre Hotels zwischen den Hochsaisons offen zu halten. Die Nebensaison ist die beste Zeit, um die wachsende Zahl von Ankünften aus Asien einschliesslich Malaysia aufzunehmen. Wir Malaysier lieben das Frühlings- und Herbstwetter in der Schweiz. Und wir haben keine feste Urlaubssaison, in der alle auf einmal in den Urlaub fahren. Das sollten Hotels und Destinationen für sich nutzen.