Offenbar wusste auch das Management der Post Bescheid über die Buchhaltungstricks bei der PostAuto AG: Eine Aktennotiz aus dem Jahr 2013, welche vom «Blick» publiziert wurde, soll dies beweisen. Das Papier, das unter anderem auch der Nachrichtenagentur sda vorliegt, ist unter anderem an den damaligen Verwaltungsratspräsidenten Peter Hasler und an Konzernchefin Susanne Ruoff adressiert. Darin ist von «Quersubventionierungen zu Lasten des öffentlich finanzierten Geschäfts» die Rede.
Aufgrund der Rechnungslegungsvorschriften habe PostAuto Schweiz keine Möglichkeiten zur Gewinnsteuerung, heisst es in der von der internen Revision verfassten Aktennotiz. Deshalb seien im Zusammenhang mit dem regulatorischen Abschluss «Kostenumbuchungen zu Lasten des öffentlich finanzierten Verkehrs vorgenommen worden.»
Diese Umbuchungen wurden gemäss dem Papier von der Konzernleitung PostAuto verabschiedet. 2011 betrugen sie elf Millionen Franken,2012 waren es 19 Millionen Franken. Diese Zahlen decken sich mit den Angaben im Bericht des Bundesamts für Verkehr (BAV), das die Unregelmässigkeiten aufgedeckt hatte. Handlungsbedarf erkannte der zuständige Verwaltungsratsausschuss nicht. Ruoff intervenierte erst 2017 nach einem Treffen mit BAV-Direktor Peter Füglistaler. Das Amt hatte sich während rund eines Jahres erfolglos um lückenlosen Einblick in die Bücher von PostAuto gekämpft.
Druck auf Tochtergesellschaft
Die vertrauliche Aktennotiz gibt auch erstmals Aufschluss darüber, warum eine Tochtergesellschaft der Post, die zu 100 Prozent dem Bund gehört, mit illegalen Tricks Bundessubventionen erschleicht.Die Geschäftsleitung von PostAuto sehe «in Anbetracht der für PostAuto definierten Gewinnziele zur Zeit keine andere Möglichkeit», heisst es darin. Man suche mit der Konzernleitung nach einer Lösung.
Trotzdem bestreitet die Post in einer Stellungnahme gegenüber der sda, dass überhaupt Gewinnvorgaben existieren. Die Rede ist von «gemeinsam vereinbarte Zielsetzungen». Diese würden mit dem Bereichsleiter und dem Konzern getroffen und überprüft. Dabei würden die Ziele für die einzelnen Geschäftsbereiche diskutiert und gemeinsam neu vereinbart – unter Berücksichtigung der Entwicklungen der Märkte und des Umfelds. Die Frage, wie hoch die Gewinnziele waren, beantwortete die Post nicht.
Bundesrätin Leuthard ist enttäuscht über Vorgänge
«Ich bin enttäuscht über die Vorgänge bei PostAuto AG», heisst es in einer Stellungnahme von Bundesrätin Doris Leuthard vom Donnerstag, die der Nachrichtenagentur sda vorliegt. Sie erwarte eine lückenlose Aufklärung. Dem Verkehrsdepartement seien die entsprechenden Unterlagen der involvierten Stellen rasch und vollständig zu unterbreiten. Das Bundesamt für Verkehr und die Post seien daran, die Vorgänge der letzten Jahre aufzuarbeiten.
Laut Leuthard laufen die Untersuchungen. «Bundesnahe Betriebe wie die Postauto AG haben auch beim Umgang mit öffentlichen Geldern eine Vorbildfunktion; zum Wohl der Steuerzahler und ihrer Kundinnen und Kunden», schliesst Verkehrsministerin Leuthard die Stellungnahme.
Nationalräte fordern Rücktritt von Post-Chefin Ruoff
Nachdem bekannt wurde, dass Susanne Ruoff offenbar seit Jahren über die Buchhaltungstricks bei PostAuto Bescheid wusste, fordern bekannte Nationalräte Konsequenzen.Deutliche Worte findet etwa SP-Fraktionspräsident Roger Nordmann.Das sei sicher nicht im Sinne von Service public, sagte Nordmann am Donnerstag in der Sendung «Rendez-vous» von Radio SRF. «Ich glaube, sie ist nicht mehr tragbar.» Das Vertrauen sei verspielt. Auch Parteikollegin Edith Graf-Litscher, welche die nationalrätliche Verkehrskommission präsidiert, sagt: «Das ist dicke Post.»
Unter Beschuss gerät Ruoff aber auch von bürgerlicher Seite. Der Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner erklärte im Radio SRF: «Wenn das wirklich stimmt, dann muss sie suspendiert werden, bis die Untersuchung abgeschlossen ist.» Das sei völlig klar.Giezendanner hätte schon am Dienstag bei Bekanntwerden der Affäre eine Stellungnahme von Verwaltungsratspräsident Urs Schwaller erwartet.
Für den Aargauer FDP-Nationalrat Thierry Burkart muss die Post nun genau darlegen, um was es geht und was genau passiert ist. In einem zweiten Schritt müssten personelle Konsequenzen gezogen werden. Der letzte Schritt sei die politische Aufarbeitung. «Was können wir tun, damit solches Treiben nicht noch einmal passieren kann?»
Vor einem Schnellschuss warnt dagegen der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas. «Zuerst müssen die Vorkommnisse restlos aufgeklärt werden.» Die Post stehe dabei in der Pflicht des Volkes. «Ich erwarte, dass sie totale Rechenschaft ablegt», sagte Candinas auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda.Erst danach stelle sich die Frage personeller Konsequenzen und ob Post-Chefin Ruoff noch tragbar sei. Laut Candinas fällt dies in erster Linie in den Aufgabenbereich des Verwaltungsrates der Post.Es sei nicht Sache der Politik, ein Köpferollen zu fordern, schon gar nicht auf Grundlage eines Zeitungsartikels.(sda/og)