Die Buchungslage sei sehr gut, sagt etwa der Zermatter Hotelierpräsident Sebastian Metry im Gespräch: «Wir sind noch nicht auf dem Niveau der Topjahre 2019 und 2021, sondern leicht drunter. Aber wir können nicht klagen.»
Ähnlich klingt es bei Albert Kruker von Lenk-Simmental-Tourismus: «Wir gehen davon aus, dass wir zwischen 2019 und 2020 landen.» Damit würde heuer zum drittbesten Jahr der Geschichte nach dem Rekordjahr 2021 und dem Jahr des Corona-Ausbruchs 2020.
Verschiedene Bergregionen hatten in den vergangenen zwei Jahren davon profitiert, dass die Schweizer ihre Ferien während der Pandemie im Inland verbrachten, und deshalb Superergebnisse eingefahren. Nun wollen aber viele Schweizer wieder ans Meer. Die grossen Reiseveranstalter erleben einen Buchungsboom bei Badeferien. Am beliebtesten sind Griechenland und Spanien.
Spontanbuchungen wegen Flugchaos
Dennoch kämen die Schweizer auch weiterhin zahlreich ins Oberengadin, sagt Jan Steiner von Engadin St. Moritz Tourismus (ESTM). Denn es herrschten immer noch Unsicherheiten wegen der Flugausfälle.
An einer Reihe von europäischen Flughäfen hat in den vergangenen Wochen das Chaos zugenommen. Wegen Personalmangels kann die Branche die grosse Reiselust nach Corona nicht bewältigen. Stundenlange Wartezeiten, verpasste Maschinen, verlorengegangene Koffer und Streichungen von Flügen sind die Folge.
Anteil an ausländischen Touristen steigt
Davon konnte beispielsweise die Region Lenk-Simmental profitieren: «Als die ersten Flugstreichungen bekannt wurden, gab es einen Buchungsschub», sagt Albert Kruker. Auch Andres Lietha von Engelberg-Titlis-Tourismus sagt: «Wir spüren gewisse Spontanbuchungen von Schweizern, die dem Flugchaos ausweichen wollen und bei uns buchen.»
Dennoch nehme der Anteil der Inländer etwas ab. Dies werde aber durch steigende Touristenzahlen aus dem Ausland kompensiert, heisst es bei mehreren Regionen. Häufiger als in den Vorjahren reisten Engländer und Amerikaner ins Oberengadin, sagt Jan Steiner von Engadin St. Moritz Tourismus. Vereinzelt kämen auch wieder Touristen vom Persischen Golf und aus Südostasien. Dagegen würden die Russen und Chinesen komplett wegfallen.
Die Buchungen von Russen sind seit dem russischen Überfall auf die Ukraine eingebrochen, während die Chinesen wegen der Coronarestriktionen der Regierung in Peking nicht auf Reisen gehen.
Mehr Gruppenreisen
Nicht alle Regionen sind auf die gleichen ausländischen Touristengruppen ausgerichtet: So kämen für die Region Engelberg-Titlis die wichtigen Gäste aus Indien wieder zahlreicher, sagt Andres Lietha. Woche für Woche würden die Buchungen zunehmen.
Auch Gruppenreisen fänden wieder statt. Allerdings gebe es bei weitem noch nicht so viele Flüge aus Asien in die Schweiz wie vor der Pandemie. Bei den Chinesen, die vor Corona auf Platz 5 der Rangliste gelegen hatten, dürfte die Erholung indes noch länger dauern.
Die Rigi-Region könne die Einbussen an Schweizern, die ans Mittelmeer fliegen würden, kompensieren durch mehr europäische und amerikanische Gäste, sagt Frédéric Füssenich von den Rigi-Bahnen. Zudem würden viele Schweizer Firmen wieder Ausflüge unternehmen.
Auch in Zermatt kämen mehr internationale Gäste wie Deutsche oder Engländer, sagt der Hotelierpräsident des Walliser Orts, Sebastian Metry. Zudem bleiben die Ausländer länger: Während die Schweizer ein bis zwei Nächte buchten, würden die Ausländer öfter eine ganze Woche in Zermatt verbringen. «Wir haben zwar weniger Reservierungen, aber etwa gleich viel Umsatz», sagt Metry, der das Hotel National und das Chalet Hotel Schönegg betreibt.
Jugenherbergen: Gruppen- und Schulreisen finden wieder statt
Sehr positiv gestimmt sind auch die Schweizer Jugendherbergen, die sich über die Rückkehr der Schulreisen und der Gruppen freuen. Die Buchungen lägen für Juli und August um je 4 Prozent über dem Niveau von 2019, nachdem sie in den Monaten zuvor zweistellig zugelegt hatten. 2020 war für die Jugendherbergen ein Katastrophenjahr gewesen. 2021 zeigte bereits eine Erholung, die aber noch weit unter dem Niveau von 2019 blieb. Trotz den staatlichen Hilfen erlitten die Jugendherbergen massive Verluste, an denen sie noch mindestens zehn Jahr zu kauen haben werden, wie die Chefin der Schweizer Jugendherbergen, Janine Bunte sagt: Das Coronaloch sei noch nicht gestopft.
Preiserhöhungen drohen
Die galoppierende Inflation macht den Schweizer Tourismusbetrieben Sorgen. Zwar habe es noch keine Preiserhöhungen auf breiter Front gegeben. Aber diese dürften noch kommen, sagen alle angefragten Tourismusvertreter unisono. Nicht nur die Hotelpreise dürften klettern, auch die Restaurants würden teurer.
Sorgen machen den Bergbahnen die massiv gestiegenen Strom- und Energiepreise. Das dürfte sich im Winter stark auswirken, wenn die Pisten präpariert würden, sagt Albert Kruker von Lenk-Simmental-Tourismus. Dann müsse es Preiserhöhungen bei den Skiabos geben.
Personalmangel bereitet Sorgen
Ein weiteres Sorgenkind ist der Personalmangel: Einzelne Betriebe hätten ihre Angebote einschränken müssen, sagen mehrere Vertreter. So gebe es Restaurants, die einen zusätzlichen Ruhetag eingeführt hätten, oder Hotels, die keine auswärtigen Gäste zum Essen annehmen würden, um den eigenen Hotelgästen den vollen Service bieten zu können. Ein weiteres Damoklesschwert sei auch die Unsicherheit über die Folgen der erwarteten Coronawelle im Herbst.
Dennoch überwiegt bei allen Befragen die Zuversicht: Denn die Buchungszahlen für den Herbst sähen sehr gut aus, hiess es unisono. Auch die Winterbuchungen kämen langsam herein. (awp sda)