Als Industrieunternehmen ist es in der Regel relativ einfach, sein Produkt zu schützen – beispielsweise über Patente. Im Tourismus ist das deutlich schwieriger. Wie schützt man immaterielle Werte wie eine Landschaft, ein Gericht oder Gastfreundschaft?
Und doch ist der Schutz des geistigen Eigentums von zentraler Bedeutung für die Branche, wenn es um Innovationen und Vermarktung geht. «Die Rechte am geistigen Eigentum sind mächtige Werkzeuge, die genutzt werden können, um die touristische Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit zu fördern», schreibt die Weltorganisation für Tourismus der UNO in einem Bericht, den sie unlängst zusammen mit der Weltorganisation für geistiges Eigentum veröffentlicht hat. (Die Publikation enthält auch 18 Best-Practice-Beispiele – vier davon sind unten aufgeführt.)
Der Schutz des geistigen Eigentums sei einer der Schlüsselfaktoren für das Wachstum der Tourismusbranche. Er helfe nicht nur, Kreativität zu belohnen, sondern auch, Gelder zu mobilisieren, um neue Ideen zu finanzieren: Die Rechte am geistigen Eigentum können zum Beispiel für ein Darlehen als Sicherheit hinterlegt werden. Trotzdem bleibe der Schutz des geistigen Eigentums im Tourismus «weitgehend unerforscht und könnte weiterentwickelt werden», steht im Bericht.
St. Moritz hat 1937 Pionierarbeit geleistet
Der für den Tourismus wichtigste Mechanismus ist der Markenschutz. Die Publikation erwähnt St. Moritz. Das Bergdorf habe Pionierarbeit geleistet, als es 1937 die bekannte Sonne als Symbol schützen liess. Es ist damit das älteste noch verwendete touristische Markenzeichen der Welt. Heute sind das Logo und der schwungvolle Schriftzug in über 50 Ländern geschützt. Das erlaubt es St. Moritz nicht nur, sich von anderen Regionen abzugrenzen, sondern auch, offizielles St.-Moritz-Merchandise zu verkaufen oder zu lizenzieren. [IMG 2]
Allein dass ein touristischer Anbieter oder eine Destination eine Marke als geschützt ausweist, kann zudem beim Gast das Gefühl von Qualität auslösen. Besonders kollektive Marken werden gerne zur Qualitätssicherung eingesetzt. Etwa in Murano: Auf der kleinen Insel in der Lagune von Venedig wird seit mehr als tausend Jahren Glas hergestellt. 1994 liess ein Konsortium die Marke Vetro Artistico Murano eintragen. Es wacht seitdem über das kulturelle Erbe und die Qualität der Produktion. Zudem sind daraus touristische Attraktionen entstanden wie der Besuch einer Glasbläserwerkstatt, von der die Touristen dank der Marke wissen, dass sie gemäss den Traditionen produziert. Nicht zuletzt hat die Marke geholfen, die Preise für Murano-Glas zu steigern.
Das Beispiel zeigt aber auch die Herausforderung, vor der man im Tourismus oft steht: Traditionelles Wissen und kulturelle Ausdrucksformen können nicht vollständig geschützt werden. Dabei sind gerade Traditionen wie Feste, Handwerk und Gerichte für den Tourismus oft von zentraler Bedeutung. Häufig sind sie die Basis für touristische Produkte.
Emmentaler liess das Loch markenrechtlich schützen
So spielt etwa das Käsefondue für die touristische Schweiz eine nicht unwesentliche Rolle, von den Fonduestuben über Fondueschlittenfahrten bis zu Fonduecaquelons als Souvenirs. Trotzdem ist es niemandem verboten, ebenfalls Käse zu schmelzen und mit Brot darin zu rühren.
Als Lösung schlagen die Autorinnen und Autoren vor, man solle prüfen, welche Aspekte einer Tradition geschützt werden könnten – sei es über das Markenrecht und/oder über eine geschützte Herkunft (siehe Fallbeispiel Montreux unten). Oft zu reden gibt in dem Zusammenhang der Emmentaler. Weil die geschützte Ursprungsbezeichnung (AOP) nicht überall anerkannt wird, setzt die Sortenorganisation seit einigen Jahren zusätzlich auf das Markenrecht. Anfang Jahr liess sie sogar das Loch als Bildmarke eintragen. Das Beispiel zeigt, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, um das geistige Eigentum zu schützen. [IMG 3]
Die Kosten sind nicht zu unterschätzen
Bei allem Potenzial, das der Schutz des geistigen Eigentums für den Tourismus birgt, warnt der Bericht: «Es ist wichtig zu bedenken, dass die Investition in den Schutz des geistigen Eigentums Ressourcen erfordert – wie jede andere Investition auch.» Besonders das Durchsetzen der Ansprüche koste Zeit und Geld.
[IMG 4] Jazz Festival Montreux
Seit 1967 wird Montreux im Sommer zum Mekka der Musikfreunde. Und obwohl es jedem anderen Ort auf der Welt erlaubt ist, ein Jazzfestival auf die Beine zu stellen, ist Montreux ein Vorbild punkto Schutz des geistigen Eigentums. Das Festival zieht verschiedene Register, nutzt etwa den geschützten Namen, um eine Cafékette zu betreiben, oder verkauft Memorabilien wie Kleider, Tassen und Poster.
[IMG 5] FIFA WM Südafrika
Dass Grossanlässe touristisches Potenzial besitzen, hat sich schon mehrfach gezeigt. Dass sie keine Selbstläufer sind, aber ebenfalls. Die Fussball-WM 2010 in Südafrika gilt als ein Vorzeigeanlass, was die Vermarktung anbelangt. Im Vorfeld wurde extra ein neuer Auftritt für die Destination entworfen. Zudem liessen die Verantwortlichen eine Choreografie kreieren, den Diski, eine Mischung aus Tanz und Fussball.
[IMG 6] Via Francigena
In den 90er-Jahren wurde der Pilgerweg Via Francigena, der von England nach Rom führt, auf Initiative des italienischen Tourismusministeriums touristisch wiederentdeckt. Vor 20 Jahren schlossen sich mehrere Gemeinden entlang der Strecke zur European Association of the Via Francigena zusammen. Die Vereinigung vermarktet unter anderem Unterkünfte, Reiseführer, Events und geführte Touren.
[IMG 7] KMU im Tourismus
Die touristische Wertschöpfungskette besteht aus zig kleinen Gliedern. Um diese zu einem Grossen zu verknüpfen, hat Gambia die Vereinigung der KMU im Tourismus gegründet. Wer das Label der Gruppe trägt, ist einem Verhaltenskodex und Qualitätsstandards verpflichtet. So soll es nicht nur das Vertrauen der Gäste in die Anbieter stärken, sondern auch Kooperationen unter den Anbietern erleichtern.