Patrizia Hofstetter, seit vier Monaten stehen Sie an der Spitze von Zug Tourismus. Wie haben Sie sich in dieser Funktion eingelebt?
Eigentlich sehr gut. Mit meinem Wechsel von der Leiterin Front Office zur Geschäftsführerin kamen viele neue Aufgaben auf mich zu. Ich kann dabei auf ein tolles Team zählen, welches einen super Job macht. Es stehen dieses Jahr viele grössere Projekte an, was für mich eine sehr spannende Herausforderung ist.
Schon in Ihrem ersten Jahr steht mit dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest (ESAF) vom 23. bis 25. August eine ganz grosse Kiste bevor. Sind Sie schon nervös?
Ja, ein wenig, aber im guten Sinn. Selbstverständlich freuen wir uns auf diesen Grossanlass mit erwarteten 300'000 Besuchern. Wir sind überzeugt, dass dieser bestens über die Bühne gehen wird, da alles sehr gut vorbereitet wurde. Auch wir von Zug Tourismus werden vor Ort im Chriesi-Pavillon präsent sein.
Eine Bündnerin vermarktet die Region Zug
Patrizia Hofstetter (29) ist seit 1. März 2019 Geschäftsführerin von Zug Tourismus. Zuvor arbeitete sie als Leiterin Front Office bei der kantonalen Tourismusorganisation und implementierte mit dem Front-Office-Team eine effizienzsteigernde Buchungssoftware. Davor war sie für ESL-Sprachaufenthalte tätig. Patrizia Hofstetter hat einen Bachelor-Abschluss der
HTW Chur und spricht sechs Sprachen. Sie verfügt über Erfahrung in der Destinationsmanagement-Organisation und kann mehrjährige Führungsorganisation vorweisen.
Zug Tourismus ist Patronatspartner. Welche Verpflichtung sind Sie mit diesem Engagement eingegangen?
Mit dem ESAF haben wir eine enge Partnerschaft. Wir vermarkten das Fest, indem wir das ESAF in alle unsere Kommunikationskanäle aufnehmen. Im Gegenzug können wir auch von gewissen Marketingleistungen profitieren. Denn wir betrachten diesen Grossanlass als sehr grosse Chance, um den Kanton Zug touristisch zu promoten. Es ist eigentlich für beide Partner eine typische Win-win-Situation.
Aber was bringt dieser Event dem Zuger Tourismus konkret?
Zweifelsohne gibt uns dies die Chance, dass wir das Image von Zug als vorwiegend urbanen Wirtschaftsstandort in eine positive Richtung verändern können. Mit diesem Event kommt ein riesiger Sportanlass mit sehr traditionellen Werten nach Zug. Gleichzeitig ist es ein riesiges Volksfest. Die tolle Stimmung vor Ort wird aufzeigen, dass Zug mehr ist als ein Wirtschafts- und Finanzplatz. Wir können zeigen, dass Zug im Herzen der Schweiz liegt und hier auch traditionelle volkskulturelle Events stattfinden, wie etwa der Chriesisturm, ein Rennen in der Zuger Altstadt, oder der Stierenmarkt.
Wie stark kann die Zuger Hotellerie vom Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest profitieren?
Die Hotels im Kanton Zug sind für das Wochenende vom 23. bis 25. August bereits praktisch ausgebucht. Vereinzelte Zimmer, die für Kontingente reserviert waren, werden wieder freigegeben. Aber insgesamt ist es schwierig, noch ein Hotelzimmer buchen zu können. Auch die Campingplätze, Ferienwohnungs- und Airbnb-Anbieter registrieren einen ausgezeichneten Buchungsstand. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit rund 85'000 Logiernächten.
Der Grossteil davon wird wohl auf die extra für das ESAF erstellten Camping und Massenunterkünfte entfallen.
Vor dem Fest ist es schwierig, exakte Zahlen zu nennen, da die Ankünfte erst nach dem Fest gemeldet werden.
An Umsatz sollen 140 Millionen Franken generiert werden. Wer macht den grossen Reibach?
Bei 140 Millionen Franken Umsatz kann mit einer Bruttowertschöpfung von rund 60 Millionen Franken gerechnet werden. Mehr als die Hälfte davon wird in der Region bleiben. Einerseits profitieren die Gastronomieanbieter am Fest und in der Region, andererseits lokale Unternehmen, Partner und selbstverständlich auch die Anbieter von Unterkünften – Hotels, die Parahotellerie und alternative Unterkünfte. Durch den Ticketverkauf kommt auch dem ESAF selbst etwas zugute.
Regelmässig durchgeführte Studien belegen, dass sportliche Grossevents in der Regel keinen nachhaltigen touristischen Effekt haben. Versprechen Sie sich für Zug trotzdem einen Imagegewinn?
Während des Festes wird es zahlreiche Medienberichte und TV-Liveübertragungen geben. Das bietet für den Erlebnisraum Zug ein enormes Potenzial, die unglaubliche Vielfalt und die unmittelbare Nähe der Region zu unseren Nachbarskantonen aufzuzeigen. Aber auch die Stadt Zug verfügt über ein attraktives kulturelles Angebot mit Konzerten und interessanten Ausstellungen sowie spannenden Events und gelebten Bräuchen. Bleibt dieses neue Bild von Zug in den Köpfen der Besucher und TV-Zuschauer hängen, dürften auch mittel- und längerfristig mehr Besucher den Weg in unsere Gegend finden.
Vor Ort sowie am TV werden kaum Leute aus dem Ausland das traditionelle Fest verfolgen und somit auch künftig nicht vermehrt nach Zug reisen.
Für diesen traditionellen Anlass, interessieren sich tatsächlich vor allem Schweizer. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Schweizer in Zug die grösste Gästegruppe ausmachen, mit 37,8 Prozent im Jahr 2018. So betrachtet, ist es wichtig und geht entlang unserer Zielsetzung, dass man mit dem Grossanlass den Schweizer Gast anspricht. In Zug haben wir ausserdem eine grosse Expat-Community, die auch über das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest informiert wird. Die Expats sind in der Regel sehr an Schweizer Traditionen interessiert und sind stolz, diese ihren Familien und Freunden aus ihren Heimatländern zu zeigen, die oft im Sommer bei ihnen hier in Zug zu Besuch sind.
Für viele Leute ist es ein Ärgernis, dass sie kaum zu Tickets für die Schwing-Arena kommen, da diese unter den Schwingerverbänden verteilt werden.
4000 Tickets kamen in den offenen Verkauf, die allerdings im Nu online verkauft waren. Ich kann es nachvollziehen, dass der Eidgenössische Schwingerverband einen Grossteil der Tickets erhält, die er unter die Schwinger-Clubs verteilt, die ja auch an anderen kleineren Schwingfesten anwesend und somit diesem Brauchtum sehr verbunden sind.
Das gemeine Volk muss sich also mit der Fernseh-Übertragung begnügen?
Nicht unbedingt. Nebst der Arena bietet das Fest ein grosses, frei zugängliches und kostenloses Angebot. Es steht für über 8000 Personen eine Public-Viewing-Zone zur Verfügung. Weiter gibt es eine riesige Festmeile, den Stierenmarkt mit dem Gabentempel sowie eine musikalische Abendunterhaltung mit Pop- und Rockmusik. Wem dies nicht reicht, kann einen Abstecher in die Zuger Altstadt machen, sich im Zugersee erfrischen oder einen Ausflug auf den Zugerberg unternehmen.
Bei Zug Tourismus läuft zurzeit nicht alles rund. Die Logiernächte haben sich 2018 schlechter entwickelt als der schweizerische Durchschnitt. Wo liegt das Problem?
Es wurden in beiden vergangenen Jahre mehrere Hotels geschlossen. Für das Jahr 2020 ist die Eröffnung eines neuen grösseren Hotels in Steinhausen geplant. Nicht in der Beherbergungsstatistik enthalten sind Übernachtungen aus Teilen der Parahotellerie. In Zug nehmen die alternativen Übernachtungsmöglichkeiten markant zu. Für das Jahr 2018 wurden rund 20'000 Logiernächte über die Plattform Airbnb verzeichnet.
Können Sie bezüglich Logiernächten nach einem halben Jahr bereits eine Prognose für 2019 machen?
Vor, während und nach dem ESAF gehen wir klar von einem Zuwachs aus. Deshalb rechnen wir für das zweite Halbjahr mit einer Zunahme.
Und für das gesamte 2019?
Dies ist noch schwierig abzuschätzen, wir gehen von einem leichten Anstieg der Logiernächtezahlen aus.
Ein anderer wunder Punkt von Zug Tourismus ist die angespannte Finanzlage. Negative Jahresabschlüsse führten zu Defiziten. Wo drückt hier der Schuh?
Im Geschäftsjahr 2018 schloss die Rechnung mit einem geringeren Defizit als erwartet ab. Der Kanton hatte aus Sparmassnahmen uns und auch anderen Organisationen gewisse Beiträge gestrichen. Wir sind mit dem Kanton nun am Verhandeln, damit wir diese Beiträge wieder erhalten. Damit hätten wir für das laufende Jahr wieder ein stabiles Budget und können in Zukunft eine «schwarze Null» schreiben. Da wir keine profitorientierte Organisation sind, dürfen wir die Rechnung nicht mit Gewinn abschliessen.
Ihr Vorgänger hat Zug Tourismus nach relativ kurzer Zeit verlassen, da die vom Vorstand verabschiedete Unternehmensstrategie 2017–2025 aus finanziellen Gründen nicht umgesetzt werden kann. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Geplant waren grössere Marketingmassnahmen, die aufgrund der beschränkten finanziellen Mittel in der vorhergesehenen Art und Weise nicht realisierbar sind. Grosse Sprünge lassen sich nicht machen. Wir müssen kleinere Brötchen backen.
Wer ist das Zielpublikum Ihrer Vermarktungsarbeit?
Die drei Hauptzielgruppen sind generell Individualreisende, Tour Operators und Geschäftsreisende. Neben den Schweizer Gästen sind es Leute aus den umliegenden Ländern. Interessant sind für uns in der Zentralschweiz auch die Märkte Indien und China, woher immer mehr Reisende Zug besuchen. Individualreisenden aus diesen Märkten können wir unter anderem eine Schifffahrt auf dem See, die Berge vor der Haustüre, eine charmante Altstadt sowie Uhren- und Juweliergeschäfte bieten. Sie finden alles ähnlich wie in Luzern vor, aber ruhiger und beschaulicher sowie mit deutlich weniger Rummel.