Rund ein Jahr ist vergangen seit Inkrafttreten der Stellenmeldepflicht am 1. Juli 2018. Die Bilanz nach dieser Zeit fällt durchzogen aus. «Die Wirkung ist eigentlich enttäuschend», sagt Andreas Züllig, Präsident HotellerieSuisse und Nationalrats-Kandidat für die Bündner FDP. «Wir haben einen Fachkräftemangel, entsprechend sucht die Branche gut qualifizierte Mitarbeitende.» Die Branche wäre laut Züllig froh, wenn sie aufgrund der Zusammenarbeit mit den regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) die Mitarbeitenden, die sie sucht, auch finden würde. Rein systemtechnisch funktionierten die Stellenmeldepflicht und die Rückmeldungen der RAV. «Fakt ist aber, dass wir mit den beim RAV gemeldeten Leuten unsere Stellen nicht besetzen können», so Züllig. Es handle sich um einen administrativen Aufwand, der keine Wirkung zeige. «Bei der von uns gewünschten Differenzierung bei den einzelnen Berufsgruppen tut sich nun etwas», sagt der HotellerieSuisse-Präsident weiter. Das Seco sei daran, die Berufsnomenklatur zu überarbeiten, damit man die Berufsgruppen präziser eingrenzen könne. «Ein Abwascher beispielsweise ist kein Küchenmitarbeitender. Oliver Schärli, Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt und Arbeitslosenversicherung beim Seco, bestätigt auf Anfrage, dass das Seco derzeit gemeinsam mit dem Bundesamt für Statistik daran sei, die Berufsnomenklatur zu schärfen. «Dies soll im Herbst 2019 abgeschlossen sein, sodass wir die meldepflichtigen Berufe den betroffenen Arbeitgebern und den RAV etwa im November kommunizieren können.»
Stellenmeldepflicht:
Gastgewerbe mit fünf Berufsarten
Seit dem 1. Juli 2018 unterliegen 19 Berufsarten mit insgesamt 269 Berufen der Stellenmeldepflicht. Diese gilt dann, wenn eine Berufsart eine durchschnittliche Arbeitslosigkeit von mindestens 8% aufweist. Vom Gastgewerbe sind diverse Berufe in den fünf Berufsbereichen Empfang, Service, Etage, Küche sowie Hauswirtschaft betroffen. Ein Arbeitgeber, der eine entsprechende Stelle besetzen will, muss sie während fünf Tagen zunächst dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum RAV melden, bevor er sie breiter ausschreiben darf.dst
Versechsfachung der gemeldeten meldepflichtigen Stellen
«Die Stellenmeldepflicht wird von den Arbeitgebern ernst genommen, das heisst sie melden signifikant mehr Stellen», erklärt Oliver Schärli weiter. «Gleich bei Einführung der Stellenmeldepflicht registrierten wir eine Versechsfachung der gemeldeten meldepflichtigen offenen Stellen, dies gilt auch für Hotellerie und Gastronomie.» Es waren damals 19 000 meldepflichtige Stellen. Vom 1. Juli 2018 bis heute hätten sich die Zahlen ziemlich stabilisiert. So seien es im März 2019 18 000 gewesen.
«Von Seiten der Arbeitgeber und von Seiten der RAV hören wir, dass im Rahmen der Stellenmeldepflicht sich auch die Kontakte zwischen den RAV und den Arbeitgebern intensiviert haben», so Schärli. «Diesen positiven Begleiteffekt merkt man in Basel extrem gut», bestätigt Alessandro Tani, Bereichsleiter Arbeitslosenversicherung und Mitglied der Geschäftsleitung beim Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Basel-Stadt. Generell zieht man beim AWA des Kantons Basel-Stadt eine positive Bilanz. «Die Umsetzung der Stellenmeldepflicht ist in Basel-Stadt gut angelaufen und funktioniert», sagt Alessandro Tani. Seit Inkrafttreten der Stellenmeldepflicht registriere das AWA eine deutliche Zunahme der offenen Stellenmeldungen. Im Mai 2019 beispielsweise betrug die Anzahl der gemeldeten offenen Stellen in Basel-Stadt insgesamt 1086 (Mai 2810: 224). Dies bedeutet eine Erhöhung der Stellenmeldungen um rund das Fünffache. Die regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) hätten einigen Firmen potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten fristge- recht vorschlagen können, insofern seien die Chancen, eine neue Arbeit antreten zu können, für registrierte Stellensuchende seit Einführung der Stellenmeldepflicht sicherlich gestiegen. Dies funktioniere in den allermeisten Kantonen, wie Alessandro Tani bei Gesprächen habe in Erfahrung bringen können.
«Ob die Stellenmeldepflicht zur tatsächlichen Besetzung offener Stellen geführt hat, kann nicht seriös quantifiziert werden», so Tani weiter. Wichtig sei, dass die registrierten Stellensuchenden einen Vorrang hätten. Und dies sei klar gegeben, indem sie auf die offenen Stellen zugreifen könnten, bevor sie anderweitig besetzt würden.
Externe Studie soll Klarheit über die Wirkung bringen
Auch laut Oliver Schärli vom Seco kann zurzeit nicht nachgewiesen werden, ob die Stellenmeldepflicht allenfalls einen Rückgang der Arbeitslosigkeit oder eine Abnahme der ausländischen Zuwanderung bewirkte. Um dies evaluieren zu können, werde das Seco eine externe Studie in Auftrag geben. Diese Ergebnisse seien frühestens im 2020 zu erwarten.
Stellen: Weniger Arbeitslose
Ende Juni 2019 waren gemäss den Erhebungen des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) 97 222 Arbeitslose bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren RAV eingeschrieben, 4148 weniger als im Vormonat. Die Arbeitslosenquote sank damit von 2,2 % im Mai 2019 auf 2,1 % im Berichtsmonat. Gegenüber dem Vorjahresmonat verringerte sich die Arbeitslosigkeit um 9357 Personen (-8,8 %).
Die Jugendarbeitslosigkeit (15- bis 24-Jährige) verringerte sich um 287 Personen (-2,9 %) auf 9762. Im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht dies einem Rückgang um 975 Personen (-9,1 %). Die Anzahl der Arbeitslosen im Alterssegment 50–64 Jahre verringerte sich um 978 Personen (-3,4 %) auf 28 101. Im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht dies einer Abnahme um 2912 Personen (-9,4 %).
Weniger Stellensuchende, weniger offene Stellen
Insgesamt wurden 170 800 Stellensuchende registriert, 5328 weniger als im Vormonat. Gegenüber der Vorjahresperiode sank diese Zahl damit um 8977 Personen (-5,0 %). Die Zahl der bei den RAV gemeldeten offenen Stellen verringerte sich im Juni um 204 auf 37 186 Stellen. Von diesen 37 186 Stellen unterlagen 22 424 Stellen der auf den 1. Juli 2018 eingeführten Stellenmeldepflicht für Berufsarten mit einer Arbeitslosenquote von mindestens 8%. Im April 2019 waren 875 Personen von Kurzarbeit betroffen, 169 Personen mehr (+23,9 %) als im Vormonat. Die Anzahl der betroffenen Betriebe erhöhte sich um 4 Einheiten (+6,1 %) auf 70. Die ausgefallenen Arbeitsstunden nahmen um 2273 (-4,9 %) auf 43 884 Stunden ab. In der entsprechenden Vorjahresperiode waren 76 484 Ausfallstunden registriert worden, welche sich auf 1552 Personen in 123 Betrieben verteilt hatten.
Gemäss vorläufigen Angaben der Arbeitslosenversicherungskassen belief sich die Zahl der Personen, welche ihr Recht auf Arbeitslosenentschädigung im Verlauf des Monats April 2019 ausgeschöpft hatten, also ausgesteuert waren, auf 3140 Personen. (dst)