«Sie müssten nur noch rasch die Kontaktangaben ausfüllen.» Mit diesen Worten werde ich in Hotels oft empfangen. Kaum angekommen und begrüsst, halte ich schon ein iPad in Händen. Auf dem Screen finde ich meine persönlichen Daten und muss diese a) checken, b) ergänzen oder c) ganz neu ausfüllen. Dies, obwohl ich diese im Buchungsprozess sicherlich schon gefühlt zwei- bis dreimal vollumfänglich eingegeben habe.
Das ist buchstäblich ein «Müssen». Nicht nur, weil es entsprechend sprachlich geframt wird: «Sie müssten ...» – immerhin Konjunktiv ... Einverstanden, als sprachaffiner Mensch bin ich etwas spitzfindig. Aber: Muss ich wirklich oder müsste ich bloss? Und wieso muss ich überhaupt «müssen»? Viel lieber würde ich dies irgendwann tun, wenn mir danach ist. Vielleicht im Zimmer, bei einem Glas lokalem Schaumwein. Oder auf der Terrasse, bei einem Tee mit Blick auf die verschneite Landschaft. Womit wir bei der Inszenierung des Empfangs sind. Der Check-in ist einer der heikelsten Momente beim Beziehungsaufbau mit dem Gastgeber. Rasch ist die gute Laune verdorben, es braucht nur zwei, drei Sätze, die nerven ...
Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck.
Wie heisst es so schön in der Kommunikationslehre? Es gibt keine zweite Chance für den ersten Eindruck. In diesem Moment geht es um Emotionen, um Feinstoffliches, um ein Willkommensgefühl. Stattdessen werde ich mit nüchternen und technologischen Prozessen beschäftigt, die mich beim Ankommen wenig bis gar nicht interessieren. In die gleiche Kategorie gehört übrigens der oft gehörte Standardsatz: «Sind Sie gut angereist?» Auch der ist gut eingeübt und wird in 90 Prozent der Fälle gnadenlos durchexerziert, obwohl er – wenn wir genau hinhören – Nonsens ist.
Nun weiss ich natürlich, dass die Frage gar nicht so gemeint sein kann, sonst würde sie ja niemand stellen. Vielmehr ist sie der hilflose Versuch, Small Talk zu betreiben. Ich antworte oft karg und knapp: «Ja.» Bisweilen auch mit «Nein» – nur um zu schauen, was dann passiert. Meistens nichts, obwohl spätestens dann die Alarmglocken beim Gegenüber läuten müssten. Stattdessen haken die Fragenden ihre Checkliste ab. Heiter gehts weiter – die Prozesse diktieren den Takt. «Ich brauche noch ein Ausweisdokument.» Schön und gut, denke ich. Welches denn? Und wieso meines? Widerwillig reiche ich meinen Pass über die Theke.
Dann folgt ein Schwall an Informationen über allerhand «Wann, Wie und Wo» – Morgenessen ist von 6.30 bis 10.30 Uhr, das Spa ist den Gang entlang und dann zwei Stockwerke tiefer. Die Getränke in der Minibar sind nicht inbegriffen – ausser dem Wasser. Etc., etc. Bevor wir bei der obligaten Schlussfrage landen: «Sonst noch eine Frage oder ein Wunsch?» Ja, liebe Gastgebende. Bitte hört genauer hin, was ihr eure Gäste fragt. Und vor allem: Verschont uns von Bürokleinkram und gönnt uns einen phänomenalen Auftakt in euren wunderschönen Gefilden.
Reto Wilhelm ist geschäftsführender Inhaber der Kommunikationsagentur Panta Rhei PR in Zürich, Chur, Glarus und Amriswil, die sich unter anderem auf PR, Marketing und Werbung in Tourismus, Hotellerie & Gastronomie sowie Mobilität und Freizeit spezialisiert hat. Wilhelm unterrichtet an Höheren Fachschulen für Tourismus (HFT Graubünden und IST AG Zürich) Storytelling und ist Verwaltungsrat der Engadin Tourismus AG.