Für einmal begann nicht alles mit einer Bieridee, sondern mit einer Verwechslung. Erwin Meier, Geschäftsführer des Gartencenters Meier, sass nach einem Event leicht ermattet an der Bar, als ihn ein Unbekannter mit «Hallo Peter!» ansprach – und sich sogleich entschuldigte, weil Meier gar nicht Peter war. Der Unbekannte war Christoph Hoffmann, CEO der 25 hours Hotels. Die beiden kamen ins Gespräch und fanden schnell heraus, dass sie von einer Kooperation profitieren könnten. Meier suchte einen Standort in Zürich und Hoffmann eine Idee, wie er das «25 hours» im Zürcher Westen besser verankern könnte. Die Lösung: «Der wilde Gärtner» im 25 hours Hotel.
Essen, Pflanzen kaufen, arbeiten
Das Konzept ist so smart wie charmant: Einerseits ist «Der wilde Gärtner» ein ganz normaler Laden, in dem man nach Belieben Blumen, Pflanzen, Kräuter, Gemüsesetzlinge, Erde oder Gartenwerkzeug kaufen kann. Andererseits lädt der Ort zum Verweilen ein. In der Gärtnerei steht die Bar Ribelli-Giardino – zwischen den Pflanzen können es sich Hotelgäste wie Ladenkunden in einer Sofaecke oder an einem langen Holztisch bequem machen. Etwas trinken und essen, plaudern, arbeiten, lesen. «Mitten in diesem grünen Gewusel servieren wir Antipasti, Focacce und Salate, ergänzt «25 hours»-Direktorin Anita Vogler. Ihr Wunsch: einen Quartiertreff zu etablieren für Apéros, zum Lunch, aber auch für Meetings. «Einige Studenten der ZHdK haben uns bereits als Co-Working-Space entdeckt», sagt Vogler.
Mittelfristiges Ziel ist es, die Pflanzen und andere Produkte rund um die Uhr verfügbar zu machen.
Anita Vogler, Direktorin 25 hours Hotel Zürich West
Aber nicht nur Menschen und Pflanzen kommen im «wilden Gärtner» zusammen. Ganz im Sinne eines Marktplatzes kann man hier auch Produkte von weiteren Kooperationspartnern des Hotels und des Gartencenters erstehen, wie zum Beispiel Bio-Weine, Bücher oder handgemachte Vasen. Und natürlich haben die Möbel von Embru, auf denen die Gäste sitzen, alle ein Preisschild. «Das Ganze soll aber noch wachsen», versichert Vogler. Und zwar wortwörtlich, denn sie möchte die Hotelréception im «wilden Gärtner» platzieren, damit ihre Gäste quasi mitten in einer Pflanzenoase einchecken.
Ein Labor für Geschäftsmodelle
Und nicht nur das: «Mittelfristiges Ziel ist es, die Pflanzen und andere Produkte rund um die Uhr verfügbar zu machen.» Wie das? Die Réception, Tag und Nacht besetzt, könnte laut Vogler als Pick-up-Station für Waren dienen, die Kunden online beim Gartencenter bestellt haben.
[DOSSIER]
Vogler und Meier denken gross: «Der wilde Gärtner» soll ein Labor für Geschäftsmodelle werden, die auf Nachhaltigkeit setzen. Bereits gut hör- und sichtbar ist das Geschäftsmodell von Wildbiene + Partner. Ihre Bienen-Nistkästen wurden Anfang Sommer an den Aussenzimmern des Hotels angebracht, um die Biodiversität in Zürich-West zu stärken. «Derzeit beherbergen wir 126 Bienenpopulationen», sagt Vogler stolz und hofft, dass die Nachkommen nächstes Jahr Pflanzen und Bäume in der ganzen Schweiz befruchten werden.
Die Kunden fragen, ob sie ihren Kompost bei uns vorbeibringen können, oder sie wollen wissen, wie man Erde selber macht.
Erwin Meier, Geschäftsführer Gartencenter Meier
«Als etablierte Hotelmarke haben wir eine gewisse Zugkraft, um Start-ups anzulocken, die hier ihre Produkte testen wollen», ist Vogler überzeugt. Das Gartencenter Meier wiederum hat das Know-how, um solche Produkte den Kunden zu erklären. Zum Beispiel den geruchlosen Komposter für zu Hause, entwickelt vom Zürcher Start-up Worm up. «Einfach die Rüstabfälle in den Komposter mit Würmern schmeissen, nach etwa vier Wochen hat man Dünger und Erde fürs Blumenbeet», erklärt Meier.
Spannender Lernprozess
Der Geschäftsführer war anfangs verblüfft, wie beliebt Kompostieren bei Städtern ist. Er dachte, in Zürich kämen vor allem Blumen und Balkonpflanzen an. «Stattdessen fragen die Kunden, ob sie ihren Kompost bei uns vorbeibringen können, oder sie wollen wissen, wie man Erde selber macht.» Vogler träumt deshalb schon von einem «Community-Kompost» beim 25 hours Hotel.
Meiers Träume gehen noch weiter: Ihm schwebt «ein Branchenforum für Innovation» vor. Etablierte Gärtnereien und «junge Wilde» sollen im «wilden Gärtner» zusammenkommen, damit sie sich besser austauschen können. Den Einwand, all diese Ideen könnten bloss Träume bleiben, quittieren die Macher mit einem Schulterzucken. «Wir wollen sehen, was überhaupt möglich ist», sagt Vogler. Meier doppelt nach: «Es ist auch für uns ein spannender Lernprozess.» Wie das Projekt finanziell aufgeteilt werde, sei ebenfalls noch unklar. «Kassensturz machen wir erst Ende Jahr.» Vogler wie Meier haben jedoch ein gutes Bauchgefühl, dass Gärtnereien und Hotellerie prima zusammenpassen.