Als Quereinsteiger bringen Brigitte Trauffer und ihr Ehemann, der Holzspielwarenfabrikant und Musiker Marc A. Trauffer, frischen Wind in die Hotel- und Gastronomiebranche.
Am 4. Juni, zu Marc Trauffers 43. Geburtstag, eröffnen sie in Hofstetten bei Brienz nach rund eineinhalbjähriger Bauzeit die Trauffer Erlebniswelt und das Bretterhotel mit verschiedenen Gastronomiebereichen. Ein Ort, wo sich nicht nur, aber fast alles um die berühmte Holzkuh dreht.
Kurz vor der Eröffnung zeigt sich die angehende Gastgeberin Brigitte Trauffer optimistisch: Das Team ist komplett, die Buchungslage stimmt zuversichtlich. Das neue Besucherzentrum will jährlich mehrere Zehntausend Gäste ins Berner Oberland locken. Von Familien bis zum Seminarteilnehmer.
Frau Trauffer, Sie wagen mit der Trauffer Erlebniswelt und dem Bretterhotel in Hofstetten bei Brienz den Quereinstieg in die Hotellerie und die Gastronomie. Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Zugegeben, bislang kam ich mit den Branchen nur als Gast in Berührung und liess mich verwöhnen. Der Einblick in Hotels und Restaurants hat mich aber schon immer fasziniert. Ich liebe die Inspiration, schönes Design und alles, was mit Inneneinrichtung zu tun hat. Als Gastgeberin freue ich mich, täglich mit Menschen in Kontakt zu stehen, Ideen aufzusaugen und diese auch umzusetzen, rundum Gastgeberin zu sein und unsere Gäste glücklich zu machen.
Zur Person
Nach dem Lehrerinnenseminar liess sich die gebürtige Rheintalerin Brigitte Trauffer (43) bei der Ringier AG zur Journalistin ausbilden. Danach arbeitete sie während neun Jahren im Teilpensum als Lehrperson und schrieb als freie Redaktorin Artikel für die «Glückspost», die «Gesundheit Sprechstunde» und das «Migros Magazin».
Seit zehn Jahren führt sie ihre eigene Textagentur und hat auch drei Biografien verfasst, darunter diejenige des Musikers («Alpentainer» und «Büetzer Buebe») und Holzspielwarenfabrikanten Marc A. Trauffer aus Hofstetten bei Brienz.
Im September 2020 heirateten die beiden. Kurz davor machte das Paar seine Pläne publik, in Trauffers Heimatort Hofstetten die Trauffer Erlebniswelt und das Bretterhotel zu bauen. Am 4. Juni übernimmt Brigitte Trauffer die operative Leitung der Erlebniswelt und des Bretterhotels. (nde)
Für den Besuch einer Hotelfachschule hat es in Ihrem Fall zwischen Projektplanung, Hochzeit und Hotelbau nicht gereicht. Wie bereiten Sie sich auf Ihre neue Aufgabe vor?
Mein Mann und ich haben gemeinsam das Wirtepatent im E-Learning gemacht. Zurzeit absolviere ich die Ausbildung zur Gastro-Betriebsleiterin, ebenfalls online. Ich finde dies einen guten Einstieg. Für die Aufgaben an der Réception, im Service oder in der Küche haben wir erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an unserer Seite. Ich sehe meine Aufgabe in erster Linie darin, Gastgeberin zu sein und sicherzustellen, dass es den Gästen bei uns gefällt. Dafür ist meine Leidenschaft bereits vorhanden. Viel Know-how werde ich mir aber noch bei der täglichen Arbeit aneignen müssen, das ist klar.
Welche Rolle wird Ihr Ehemann im Betrieb übernehmen?
Marc ist und bleibt in erster Linie Unternehmer, Holzspielwarenfabrikant und Musiker. Ich bin aber überzeugt, dass er regelmässig mit den Gästen in Kontakt sein wird oder ab und zu am Grill stehen wird. Eine Showbühne erhält er aber weder in der Trauffer Erlebniswelt noch im Bretterhotel. Das will er auch nicht.
Als Quereinsteiger bringen Sie beide den Blick von aussen mit in die Branche. Ist dies Vor- oder Nachteil?
Je nach Position sind nicht unbedingt Fachkräfte nötig, um dem Gast Herzlichkeit entgegenzubringen. Andererseits gibt es innerhalb der Branche viele Sparten, die ein erlerntes Handwerk und viel Fachwissen absolut voraussetzen. In erster Linie soll der Gast aber spüren, dass Herzblut im Betrieb vorhanden ist.
Die Aufgabe der Hoteldirektorin fiel Ihnen sozusagen in den Schoss. Andere arbeiten jahrelang für diesen Karrieresprung. Wie rechtfertigen Sie sich gegenüber Ihren Kritikern aus der Branche?
Ich mag den Titel Hoteldirektorin nicht. Ich bin in erster Linie Gastgeberin. Ich würde mir nie anmassen, zu behaupten, dass ich auf dem gleichen Erfahrungsstand meiner Kolleginnen und Kollegen, die bereits seit vielen Jahren im Business sind, bin. Ich weiss, dass es viel Erfahrung braucht, um diesen Job erfolgreich machen zu können.
Was wird Sie als Vorgesetzte auszeichnen?
Ich will meinen Teamkolleginnen und -kollegen mit Respekt und Offenheit entgegentreten. Sie haben die weit grössere Erfahrung als ich, und ihre Meinungen sind mir wichtig. Dennoch habe ich gewisse Linien, von denen ich nicht abweichen werde. Ich bin aber überzeugt, dass wir nur dann reüssieren, wenn wir auf Augenhöhe aufeinander zugehen. Ich werde mitanpacken, wo es mich gerade braucht.
Haben Sie Respekt vor der Aufgabe?
Auf jeden Fall! Es wäre falsch, wenn ich keinen Respekt davor hätte, ein Hotel zu leiten. Es wird noch sehr viel auf mich zukommen, das ich nicht erwartet hätte oder wofür ich Hilfe benötigen werde.
Welche Kompetenz möchten Sie sich unbedingt aneignen?
Ich weiss, dass man es nie allen recht machen kann. Ich hoffe, auch mit der Unzufriedenheit unserer Gäste umgehen zu können.
Gibt es bereits ein Highlight auf Ihrem bisherigen Werdegang zur Hotelière?
Die uns entgegengebrachte Vorfreude auf die Eröffnung und eine Auszeit in der Region und unserem Hotel. Das zu spüren, macht enorm Freude und motiviert.
Am 4. Juni ist Eröffnung. Wie steht es mit der aktuellen Buchungslage?
Das Eröffnungswochenende war bereits kurz nach Bekanntgabe des Datums ausgebucht. Des Weiteren stehen für dieses Jahr bereits über 70 Events im Kalender. Auch im Familiensegment zeigt sich eine erfreuliche Buchungslage. Das zeigt doch, dass die Menschen wieder etwas unternehmen wollen.
Wir hoffen sehr, dass alle Hoteliers und Gastronomen sich ebenfalls aktiv dafür einsetzen, die Gäste nicht nur zu bewirten, sondern zu begeistern.
Brigitte Trauffer, Gastgeberin Bretterhotel Hofstetten bei Brienz
Auf Ihrer Website werben Sie statt mit Sternen mit Holzklasse. Verfolgen Sie keine Klassifikation?
Wir tun uns etwas schwer damit, das stimmt. Wir möchten lieber nicht anhand von Sternen einen Standard ausweisen. Wir sind, wie wir sind. Wir möchten keine Gäste aufgrund «zu weniger» oder aber auch «zu vieler» Sterne davon abhalten, uns zu besuchen und selber ein Urteil zu fällen. Andererseits bringt eine Klassifikation auch gewisse Vorteile mit sich, vor allem bezüglich Marketing. Manche Tourismus-Organisationen und Plattformen können uns ohne Klassifikation gar nicht vermitteln, das ist tatsächlich ein Problem. Der Entscheid ist noch nicht gefallen. Aber wenn wir uns klassifizieren lassen, werden wir uns die Sterne bestimmt nicht an die Hotelfassade hängen.
Der Name Bretterhotel ist Programm. Die Aussicht aus den Hotelzimmern auf das Berner Oberländer Panorama ist mehrheitlich zugebrettert. Warum ist das so?
Aussen wird dargestellt, was wir im Innern zeigen: den Weg vom Holzbrett zur Holzkuh. Eine solche steht ja in riesiger Dimension neben dem Haupteingang. Bretterstapel stehen bei uns ständig vor dem Fabrikgebäude unserer Produktion. Solche Bretterstapel gab es früher auch an genau der Stelle, an der heute die Erlebniswelt und das Bretterhotel stehen, bei einer alten Sägerei. Die Sicht von Innen durch die Bretter in die wunderschöne Gegend ist trotz viel Holz grossartig. Und wer die Aussicht ganz ohne Bretter geniessen möchte, kann dies von unseren Dachterrassen aus jederzeit machen.
31
Zimmer und 102 Betten umfasst das neue Bretterhotel in Hofstetten bei Brienz. Davon sind 20 Familienzimmer.
310
Innen- und Aussen-Restaurationsplätze stehen zur Verfügung.
4300
Quadratmeter gross ist das Areal der alten Sagi in der Nähe des Freilichtmuseums Ballenberg, wo die Trauffer Erlebniswelt und das Bretterhotel stehen.
180
Seminarplätze umfasst die in mehrere Räume unterteilbare Eventetage der Trauffer Erlebniswelt.
9000
Plättli haben Brigitte und der gelernte Maurer Marc A. Trauffer mit Freunden und Familie in den Gastronomiebereichen verlegt.
Der Fachkräftemangel trifft die Branche hart. Haben sie Ihr Team bereits zusammengestellt?
Wir haben um die 500 Bewerbungen auf unsere Stellenausschreibungen erhalten. Rund einen Monat vor der Eröffnung haben wir 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt, davon 31 Frauen und neun Männer, was aber eher zufällig zustande gekommen ist. Wir sind sozusagen komplett.
Wie ist es Ihnen gelungen, im aktuellen Arbeitsmarkt rechtzeitig ein ganzes Team zu akquirieren?
Es waren sicher mehrere Faktoren mit ausschlaggebend. Bei den einen oder anderen Bewerbern dürfte der Name Trauffer das Interesse geweckt haben. Dass es sich um einen neuen, modernen Gastronomie- und Hotelbetrieb handelt, war sicher auch hilfreich bei der Entscheidungsfindung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und schliesslich spielte uns sicher auch der Trend, sich auf dem Land niederzulassen, in die Hände.
Welche Voraussetzungen muss Ihr Team mitbringen?
Bei der Einstellung setzten wir einerseits auf Erfahrung und andererseits auf Elan. Von der Fachkraft bis zur Quereinsteigerin ist alles dabei. Wobei es uns wichtig war, gerade im Service und in der Küche nur ausgebildete und erfahrene Mitarbeitende einzustellen.
Woher kommen Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Zu unserer grossen Freude mehrheitlich aus der Region, aus dem Haslital und dem Umkreis Brienzersee. Der Chefkoch beispielsweise kommt hier aus Hofstetten, der Souschef oder die Bäckerin wiederum aus dem Nachbardorf. Vier unserer Mitarbeitenden waren auch bereit, von weiter her ins Dorf zu ziehen. Der weiteste Arbeitsweg wird Interlaken–Hofstetten sein, rund 20 Kilometer.
Wie verhält es sich mit dem Interesse direkter Schulabgängerinnen und -abgänger von Hotelfachschulen, bei Ihnen mitzuarbeiten?
Zu unserer Überraschung zeigten sie kein Interesse, einzusteigen. Ich nehme an, dass sie erst in der Stadthotellerie oder international Erfahrungen sammeln möchten.
Einblick in die Trauffer Erlebniswelt und das Bretterhotel
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Sie integrieren neu auch den Dorfladen im Betrieb. Wie kam es dazu?
Der Dorfladen in Hofstetten schliesst. Ein Dorf ohne Dorfladen kommt für Marc und mich als Hofstetter, aber auch als Gastgeber, nicht infrage. Deshalb integrieren wir den Laden und auch die Poststelle in unseren Betrieb.
Die Poststelle im Hotel?
Keine Angst, Marc wird nicht auch noch Pöstler! Aus unserer Sicht bringt die Integration des Dorfladens und der Poststelle in unseren Betrieb aber nur Mehrwert. Für die Dorfbewohner, die Hotelgäste und uns.
Inwiefern?
Die Gäste können, was beim Packen vergessen ging oder was sie auf Ausflügen benötigen, vor Ort kaufen, und die Hofstetter erhalten die Möglichkeit, weiterhin im Dorf einzukaufen, gleichzeitig unseren Betrieb kennenzulernen und sich mit uns regelmässig auszutauschen. Uns ist es wichtig, dem Dorf etwas zurückzugeben. Das uns entgegengebrachte Vertrauen im Dorf vor und während der Bauphase wissen wir sehr zu schätzen. Wir wollen nicht nur Ausflugsziel für Gäste, sondern auch Begegnungsort und Treffpunkt für Einheimische sein.
Sie verwirklichen ein Projekt im tiefen zweistelligen Millionenbereich ohne fremde Investoren. Mit welchem Risiko?
Wir gehen mit diesem Projekt all in und investieren alles, was wir haben. Das ist auch mit ein Grund, warum wir von der Planung bis zur Mitarbeit im Betrieb die Verantwortung übernehmen und aktiv sind. Dieses Projekt ist unser Leben, es steht für uns sehr viel auf dem Spiel.
Wo möchten Sie unternehmerisch in fünf Jahren stehen?
Dass zurzeit nichts wirklich planbar ist, haben wir inzwischen gelernt. Schön wäre es, wenn wir uns bis in fünf Jahren über zahlreiche Hotel- und Restaurantstammgäste freuen dürften und zu einem beliebten Ausflugsziel für Gäste aus nah und fern geworden sind.
Müssen sich Ihre regionalen Mitbewerber warm anziehen?
Im Gegenteil! Sie sollen ihre Ärmel hochkrempeln! Wir freuen uns über jeden, der mit einer neuen Idee die Region mitgestaltet. Wir hoffen sehr, dass alle Hoteliers und Gastronomen sich ebenfalls aktiv dafür einsetzen, die Gäste nicht nur zu bewirten, sondern zu begeistern. Die touristischen und gastronomischen Angebote in der Umgebung müssen attraktiv sein, mit dem Ziel, dass Touristen, die einmal in der Region waren, schnellstmöglich wiederkommen möchten.
Jeder Welt ihr Hotel?
Disneyland, Legoland oder Europapark machen es vor. Die Idee, nebst einer Erlebniswelt oder einem Freizeit- oder Themenpark auch Übernachtungsmöglichkeiten im integrierten Hotel anzubieten, Attraktionen und Gastronomie innerhalb eines bestimmten Themas miteinander zu vermschmelzen, ist nicht neu.
Auch in der Schweiz entstehen immer mehr neue solche Angebote, nicht nur für Familien. So eröffnete unlängst im waadtländischen Le Brassus das Hôtel des Horlogers, direkt neben dem neuen Firmenmuseum der Luxus-Uhrenmanufaktur Audemars Piguet.
Nestlé Schweiz wiederum plant neben dem Schokoladenmuseum Maison Cailler im freiburgischen Broc bis 2025 für über 80 Millionen Franken einen Freizeitpark zum Thema Schokolade. Laut Olivier Quillet, Intiant und Direktor des Projekts Cailler Swiss Chocolate Factory Park, ist auch ein 3- bis 4-Sterne-Hotel auf dem Parkgelände geplant.
Doch nicht alle Freizeitanbieter springen auf die Erlebnishotellerie auf. Cailler-Konkurrent Lindt & Sprüngli beispielsweise sieht kein Hotel beim Lindt Home of Chocolate in Kilchberg ZH vor. Der Grund: Das Besucherzentrum sei an einem Tag erlebbar und gut von der Stadt Zürich erreichbar, sagt Kai Spehr, Geschäftsführer der Lindt Chocolate Competence Foundation. Ob sich ein Hotelkomplex mit integriertem Freizeitangebot als absatzorientiertes Geschäft lohnt, dürfte hauptsächlich vom Standort abhängen.
Dies bestätigt auch Gebäckhersteller Kambly. Seit 2010 steht in Trubschachen im Emmental die Kambly Erlebniswelt. Sie wurde zum zehnjährigen Bestehen mit Erlebnisstationen und Spielecke erweitert. Kambly verzichtete bewusst auf einen integrierten Restaurations- oder Hotelbetrieb. Auch weil es in Fussdistanz bereits Restaurants im Dorf gibt, sagt Jan Cermak, Leiter Kambly Erlebnis. Ein Hotel in einer Erlebniswelt mache zudem nur Sinn, «wenn genügend weitere Attraktionen in der Region vorhanden sind, die für die Besucher den Anreiz bieten, mehrere Tage in der Region zu verbringen». (nde)