Die Legalisierung von Handel und Verkauf essbarer Insekten in der Schweiz umfasst drei Arten: den Mehlwurm, die Grille und die Europäische Wanderheuschrecke. Diese dürfen sowohl ganz als auch in verarbeiteter Form angeboten werden.
Mit über 2000 bekannten essbaren Arten gäbe es noch viel Potenzial für die Zulassung weiterer Insekten-Menüs. Zuerst müssten aber Erfahrungen gesammelt werden, sagte Michael Beer vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) am Rande einer Medienkonferenz am Freitag in Bern. Proteinallergien und die Produktionsbedingungen blieben ein Thema.
Bundesrat kam auf den Geschmack
Verschiedene Produkte werden ab Frühsommer sowohl in der Gastronomie als auch im Detailhandel erhältlich sein. Die Insekten müssen für den Konsumenten nicht als solche erkennbar, aber auf der Kennzeichnung aufgeführt sein.
Hersteller und Detailhändler sprachen in ersten Stellungnahmen von einem «historischen Entscheid». Die Schweiz nehme damit eine «europaweite Vorreiterrolle in der Innovation von gesunden Nahrungsmitteln» ein.
Wer heute Insekten als Lebensmittel anbietet, braucht eine Bewilligung. Insekten wurden bereits an der Berner Museumsnacht oder an einer Degustation für Parlamentarier im Bundeshaus angeboten. Gegen eine generelle Zulassung hatte der Bundesrat bis vor kurzem aber gesundheitliche Bedenken geltend gemacht.
Bewilligungspflicht abgeschafft
Die Zulassung von Insekten ist Teil einer umfassenden Revision des Lebensmittelrechts. Es handelt sich um einen Paradigmenwechsel:Alle Lebensmittel sollen erlaubt sein, die sicher sind und den gesetzlichen Vorgaben entsprechen.
Bisher war es umgekehrt. Alle Lebensmittel, die nicht explizit im Gesetz umschrieben waren, benötigten eine Bewilligung.Beispielsweise ein Produkt aus Milchfett, das zu wenig Fett enthält, um Butter zu sein. Dafür ist in Zukunft keine Bewilligung mehr nötig, als Butter darf es aber nach wie vor nicht verkauft werden.
Nach Verabschiedung des Lebensmittelgesetzes durch das Parlament im Sommer 2014 revidierte der Bund dazugehörige 27 Verordnungen. Diese wurden nach der Vernehmlassung teilweise angepasst. Alle Bestimmungen treten am 1. Mai 2017 in Kraft.
Angepasste Deklarationspflicht
Eine weitere Änderung des Lebensmittelrechts betrifft die bessere Deklaration der Rohstoffe. Lebensmittelhersteller müssen die Herkunft aber nur dann auf der Etikette angeben, wenn der Bundesrat dies vorschreibt.
Heute müssen bei vorverpackten Lebensmitteln das Produktionsland und die Zutaten deklariert werden. Die Herkunft eines Rohstoffs muss nur dann deklariert werden, wenn dieser mehr als 50 Prozent des Lebensmittels ausmacht und eine Täuschung vorliegen könnte – zum Beispiel bei Bündnerfleisch mit Fleisch aus Argentinien.
Künftig muss die Herkunft der «wertgebenden» Rohstoffe angegeben werden, also etwa der Heidelbeeren im Heidelbeerjoghurt. Über die Deklarationspflicht für Zutaten hatten sich die Räte nicht einigen können und den Entscheid schliesslich dem Bundesrat überlassen.
Verantwortbarer Mehraufwand
Im Offenverkauf und in Restaurants muss demnach auf Allergene und gentechnisch veränderte Organismen sowie auf die Anwendung von ionisierenden Strahlen oder Leistungsförderern hingewiesen werden.Zudem wird eine obligatorische Nährwertkennzeichnung und eine Deklarationspflicht für Nanomaterialien eingeführt.
Diese Punkte waren im Rahmen der Anhörung teilweise nicht gut angekommen. Viele Regelungen seien praktisch nicht umsetzbar und hätten einen übertriebenen Mehraufwand zur Folge, monierten Kantonschemiker.
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sowie das liberale Konsumentenforum bezeichneten die Vorschläge als zu teuer. Gemäss einem Bericht zu den Regulierungsfolgeabschätzungen vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) rechnet der Bund mit rund270 Millionen Franken einmaligen Kosten für die Wirtschaft.
An EU-Richtlinien orientiert
Das Kostenargument wollte Bundesrat Alain Berset aber nicht gelten lassen und hielt weitgehend an den Bestimmungen fest. In EU-Ländern seien solche bereits umgesetzt. Dort seien die Lebensmittelpreise nicht gestiegen.
Das Verordnungspaket regelt ferner verschiedene Bereiche über Badewasser bis hin zu Grenzwerten für gefährliche Bakterien.Beispielsweise wird der Konsumentenschutz verbessert, indem der Täuschungsschutz neu auch für Kosmetika gilt. Wie heute bei Lebensmitteln muss künftig auch bei diesen drin sein, was drauf steht.
Weiter werden in den Bereichen Hygiene, Zusatzstoffe, Kontamination oder Pestizidrückstände die Schweizer Regeln ans EU-Recht angepasst. Der Stiftung für Konsumentenschutz gehen die Bestimmungen aber zu wenig weit. Sie bezeichnete die neuen Regelungen in einer Stellungnahme als «zu vage, undurchsichtig und unverständlich».
Übergangsfrist von vier Jahren
Der Bundesrat dagegen ist der Meinung, das neue Recht erhöhe die Transparenz, schütze die Bevölkerung besser vor Täuschung und vereinfache den Handel. Der Bund habe versucht, ein Gleichgewicht zu finden zwischen den Interessen der Konsumentinnen und Konsumenten sowie der Wirtschaft, sagte Berset.
Bei der Einführung der neuen Regelungen wird das BLV die Branchen und die Kantone begleiten und unterstützen. Für die Deklarationsvorschriften gilt eine Übergangsfrist von vier Jahren. (sda/mma)