Geschäftsbetreiber und -betreiberinnen sollen gemäss der Motion ihrem Vermieter für die Dauer der behördlichen Schliessung wegen des Coronavirus nur 40 Prozent der Miete schulden. Dabei soll eine Mietobergrenze von 20'000 Franken gelten. Die restlichen 60 Prozent soll der Vermieter tragen.
Auch Betriebe, die ihre Aktivitäten reduzieren mussten, sollen in begrenztem Umfang von einer Ermässigung profitieren können. Bei einem Mietzins zwischen 15'000 und 20'000 Franken können Mieter wie auch Vermieter auf diese Lösung verzichten. Für Vermieter soll der Bundesrat einen Härtefallfonds von 20 Millionen Franken vorsehen.
Bisher kein Konsens
Diesen Kompromiss nahm die grosse Kammer mit 98 zu 84 Stimmen bei 12 Enthaltungen an. Die Nein-Stimmen kamen aus den Fraktionen von SVP, FDP und GLP, die Enthaltungen vor allem aus der Mitte-Fraktion. Am kommenden Montag beugt sich der Ständerat über eine gleichlautende Motion. Nimmt er diese an, gilt der Vorstoss als überwiesen.
In der ausserordentlichen Corona-Session Anfang Mai hatten sich die Räte nicht auf eine Lösung für die gebeutelten Gewerbebetriebe einigen können. Der Ständerat hatte eine Motion der Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrats stark abgeändert, die einen Mietzinserlass von 70 Prozent geforderte.
Diese Änderungen lehnte die WAK des Nationalrats aber ab und legte im Sinn eines Kompromisses und in Anlehnung an die Formulierung des Ständerats eine neue Motion vor.[RELATED]
Individuelle Lösungen in Gefahr
Es sei die letzte Möglichkeit, eine Lösung zu finden, mahnte Nationalrätin Regula Rytz (Grüne/BE) am Donnerstag namens der WAK. Der Kompromissvorschlag schaffe klare und faire Verhältnisse, für Fälle, in denen bisher keine einvernehmliche Lösung gefunden worden sei. Laut dem Bundesamt für Justiz sei die Motion mit der Eigentumsgarantie vereinbar.
Namens der Minderheit wandte Olivier Feller (FDP/VD) ein, die Motion sei kontraproduktiv, da sie individuell ausgehandelte Lösungen in Frage stellen könne. Bis ein Gesetz vorliege, dürfte es wegen der nötigen Verfahren 2021 werden, gab er zu bedenken. Auch auf Pensionskassen habe die Motion Auswirkungen.
Bundesrat will sich nicht einmischen
Der Bundesrat lehnt die neue Motion ebenso ab wie die bisherigen. Das Mietrecht polarisiere seit langem, stellte Wirtschaftsminister Guy Parmelin im Rat fest. Der Bundesrat halte überstürzte Massnahmen nicht für angezeigt. Konkrete und pragmatische Lösungen seien vorzuziehen, so wie es sie in einigen Kantonen gebe.
Auch ein Eigentümer habe grosses Interesse, einen Mieter oder eine Mieterin in seinem Räumen zu halten, der immer pünktlich bezahlt habe, sagte Parmelin. Die komplexen mietrechtlichen Fragen liessen sich nicht durch vorübergehende Gesetzesanpassungen pauschal lösen, stellte der Bundesrat in seiner schriftlichen Stellungnahme fest.
Grundsatzurteil fehlt
Untauglich ist der vom Nationalrat nun gutgeheissene Vorschlag auch in den Augen des Verbandes Immobilien Schweiz (VIS). Mietverhältnisse unterstünden dem Privatrecht, Lösungen müssten individuell gefunden werden. Dies sei für zwei Drittel der betroffenen Mietverhältnisse auch bereits geschehen, hält er fest.
Der Verband stützt sich dabei auf seine Umfrage bei dreissig Immobilienunternehmen mit total rund 5200 betroffenen Gewerbemietverhältnissen. In rund 30 Prozent seien Mietzinse bis zu drei Monate gestundet worden. In 22 Prozent der Fälle seien Erlasse um 50 Prozent während bis zu drei Monaten beschlossen worden, und in jedem zehnten Fall sei der Mietzinserlass höher als 60 Prozent.
Die Frage der Geschäftsmieten könnte indes noch die Gerichte beschäftigen. Nach Ansicht des Mieterverbands handelt es sich bei einer behördlichen Schliessung zur Pandemiebekämpfung um einen Mangel der Mietsache, für die der Vermieter aufzukommen hat. Der Hauseigentümerverband (HEV) bestreitet dies. Der Immobilienverband VIS hält fest, dass diese Frage juristisch noch nicht geklärt sei. (sda)