Der Klimawandel schreitet voran, und das Sommergeschäft wird immer wichtiger. Darum könnte es für Hotelièren und Hoteliers von Vorteil sein, sich mit einem stetig wachsenden Segment von Gästen auseinanderzusetzen – den Bikerinnen und Bikern.

Je höher das Einkommen, desto eher fährt man Mountainbike.
Aus dem Faktenblatt «Mountainbiken wird immer beliebter» des Bundesamts für Strassen (Astra)

Aber Achtung: Die Bikerin oder den Biker gibt es nicht. Es gibt solche, die das Bike ähnlich wie Tourenski gebrauchen und stundenlang den Berg hochstrampeln können, um dann nach einer kurzen Abfahrt über einen Wanderweg glücklich und hungrig in der nächsten Beiz einzukehren. Andere nutzen für die Höhenmeter Bergbahnen und können den ganzen Tag in einem Bikepark verbringen, wo sie über speziell für Bikes angelegte Pfade ins Tal rasen. Wiederum andere fahren nur mit elektrischer Unterstützung. Manche sind am liebsten auf technisch anspruchsvollen Singletrails unterwegs, andere nur auf Asphalt oder Schotter.

Checkliste für Bike-Hotels
Im Netz gibt es verschiedene Checklisten für Hotels, die sich für Bikerinnen und Biker fit machen möchten. So kann man zum einen bei «Mountain Bike Holidays» spicken. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss aus Hotels und Regionen in Österreich, Italien und Slowenien, die sich gemeinsam dem Mountainbiken verschrieben haben.

Spannend sind auch die Qualitätskriterien aus dem «Handbuch Langsamverkehr» des Tiefbauamts Graubünden, dem Vorzeigekanton in Sachen Biken. Die Kriterien wurden in Zusammenarbeit mit Allegra Tourismus erstellt, einer Agentur, die Bike-Regionen in Fragen der Infrastruktur berät. Die Liste ist verpflichtend für Betriebe, die sich mit dem Titel «Graubünden Bikehotel» schmücken möchten. Der Anforderungskatalog unterscheidet zwischen zwingenden und empfohlenen Punkten.

So oder so: Im Vergleich zu Wandersleuten sollen Bikende für eine grössere Wertschöpfung sorgen. Auf konkrete Zahlen wird an dieser Stelle bewusst verzichtet, denn je nach Quelle unterscheiden sich diese stark. Aber das höhere Tagesbudget von Bikenden ist durchaus plausibel.

Gemäss dem Faktenblatt «Mountainbiken wird immer beliebter» des Bundesamts für Strassen (Astra) gilt: «Je höher das Einkommen, desto eher fährt man Mountainbike. Auch Personen mit einem höheren Bildungsabschluss und einer höheren beruflichen Stellung fahren in der Tendenz öfter Mountainbike.»

Zudem sind Bikende in einem grösseren Radius unterwegs als Wandernde und schaffen es daher meist problemlos ins nächste Restaurant, wenn der Hunger kommt. Zu Fuss hingegen verpflegt man sich mit Vorteil aus dem Rucksack.

Pumpe und Schlauch machen noch keinen Unterschied
Damit ein Hotel für Bikende attraktiv ist, braucht es aber mehr als eine Pumpe im Keller und einen Schlauch im Hinterhof. Als Best-Practice-Beispiel lohnt sich ein Blick auf die deutsche Kette «Explorer Hotels».

Hier wird das Bike richtiggehend gefeiert, mit einer Werkbank in der Lobby: Dort, wo in anderen Gasthöfen meist bloss ein paar Polstermöbel zum Sitzen einladen, stehen dem Gast in den Explorer Hotels zwei Montageständer und alle relevanten Tools zur Verfügung. Zudem sind da rund ein Dutzend Zellen, die an Telefonkabinen von anno dazumal erinnern, in denen man sein Bike einschliessen kann – mit Steckdose für E-Bikes und Glasscheiben, damit die edlen Zweiräder auch schön zur Geltung kommen.

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Bestechend ist auch das Smartboard im Eingangsbereich. Das Menü zeigt Tourenvorschläge in verschiedenen Kategorien, darunter etwa «Gravelbike» und «Mountainbike». Die Vorschläge lassen sich nach Dauer sowie Anzahl Kilometer und Höhen­meter filtern. Zudem gibt es pro Tour einen kurzen Beschrieb, eine Karte, ein Höhenprofil – und einen QR-Code, über den man auf die Explorer-Seite und dort zu den GPX-Daten gelangt.

Nicht jeder will und kann gleich seine Lobby umbauen und hat die Ressourcen für den neuesten elektronischen Schnickschnack, der dann auch regelmässig gewartet werden will, damit die Seiten immer reibungslos laden.

Bike-Enthusiasten punkten am Frontoffice
Wer mit einem kleineren Budget unterwegs ist, kann mit geeignetem Personal am Frontdesk viel wettmachen: mit Angestellten, die selber gerne mit dem Bike unterwegs sind und kompetent Auskunft geben können, etwa über Reparaturservices, Transportmöglichkeiten oder attraktive Touren – und das eben passend zu den Vorlieben des jeweiligen Gastes. Mit Bikenden im Team bringt man auch eher Verständnis für die speziellen Bedürfnisse und Eigenheiten dieses Kundensegments auf: etwa bezüglich Frühstücksbuffet, Lunchpaket, Angst vor Diebstahl oder Möglichkeit zum Duschen nach der letzten Tour.

Auch ist eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Bergbahnen und Bikeshops zu empfehlen. Denn bei der Wahl des Hotels kann es durchaus eine Rolle spielen, ob das Bergbahnticket oder Reparaturarbeiten zu vergünstigten Konditionen verfügbar sind. Eine besonders spannende Lösung hat Daniel Eisner, Direktor des Hotel Chasa Montana in Samnaun, gefunden. Wer bei ihm bucht, hat die Option, kostenlos täglich ein E-Mountainbike dazuzubuchen – nicht etwa einen alten Flyer, sondern eines von 30 topaktuellen Modellen vom jeweiligen Jahr.

Um das Programm zu finanzieren, haben wir den Preis pro Nacht um fünfFranken erhöht.
Daniel Eisner, Direktor Hotel Chasa Montana, Samnaun 

Eisner arbeitet eng mit dem nahe gelegenen Sportgeschäft zusammen. In seinem Fall war der Deal relativ einfach einzufädeln, da das Sportgeschäft und das 5-Sterne-Haus denselben Besitzer haben. Die Bikes sind stets gut gewartet, da sie jeden Abend in den Shop zurückkehren. Dort steht Bikern, die mit ihrem eigenen Hightech-Pony anreisen, übrigens auch eine Werkstatt zur Verfügung, in der sie auf Wunsch selber Hand anlegen dürfen.

«Um das Programm zu finanzieren, haben wir den Preis einer Logiernacht um fünf Franken erhöht», erklärt Eisner. Ein kleiner Batzen mit grossem Mehrwert. In den Budgetplan mit eingerechnet ist der Verkauf der Bikes am Ende der Saison – zum halben Preis. Eisner schätzt, dass er in den vergangenen fünf Jahren jeweils rund zehn Prozent der Logiernächte den E-Mountainbikes zu verdanken hatte.

Hier geht es zum Kriterienkatalog Biking von HotellerieSuisse.


Zahlen zu den Mountainbikerinnen und -biker in der Schweiz

15 Jahre
Rund acht Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung im Alter ab 15 Jahren üben Mountainbiken als Sport- und Bewegungsaktivität aus. Hochgerechnet fahren hierzulande somit rund eine halbe Million Menschen Mountainbike, rund drei Viertel von ihnen sind Männer.

25 Tage
Im Mittel nutzen Herr und Frau Schweizer das Mountainbike an 25 Tagen pro Jahr. Die mittlere Einsatzdauer beträgt zwei Stunden. Im Schnitt werden jährlich elf längere Touren unternommen. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung, ergeben sich rund 5,4 Millionen längere MTB-Touren.

370 Millionen
Schätzungsweise 780'000 bezahlte Logiernächte bescheren die MTB-Touren der einheimischen Wohnbevölkerung pro Jahr. Auch der dadurch generierte Umsatz ist ein Schätzwert und liegt bei 370 Millionen Franken.

Grundlage dieser Zahlen sind die repräsentative Bevölkerungsbefragung «Sport Schweiz 2020» sowie eine Umfrage von Schweiz Mobil. Beide Erhebungen wurden 2019, also noch vor der Pandemie, durchgeführt. Vermutlich sind die Zahlen inzwischen noch um einiges höher, denn in den Coronajahren 2020 und 2021 gingen Velos und E-Bikes bekanntlich weg wie frische Brötchen.

Quelle: Faktenblatt «Mountainbiken in der Schweiz 2020»

Andrea Freiermuth