Thomas Allemann, Sie sind seit Mitte 2018 Präsident von Switzerland Travel Centre. Nicht alle im Markt kennen und verstehen die Funktion von STC. Wie und wo grenzt sich STC ab von Schweiz Tourismus (ST)?

Es ist eigentlich ganz einfach, denn 
die Aufgaben sind klar getrennt. ST hat einen öffentlich-rechtlichen Auftrag, die Schweiz als Reiseziel im In- und Ausland zu bewerben und die touris-tische Nachfrage zu fördern, nimmt aber selber keine Buchungen und Reservationen vor. STC hingegen ist der Reiseveranstalter für die Destination Schweiz und kümmert sich um den Verkauf von touristischen Leistungen an Kunden in aller Welt.

Wer tut ganz konkret was?

ST animiert und motiviert für die Schweiz. STC macht die Leistungen buchbar. ST ist also der «Mood Maker», der Lust macht auf die Schweiz. STC ist der «Enabler», also der Umsetzer.

Wo sehen Sie den eigentlichen Mehrwert von STC für die Branche?

Ganz klar im Aktionariat. Die ganze Welt beneidet uns darum, dass in der Schweiz die Beherbergungsanbieter, der öffentliche Verkehr und die touris-
tische Vermarktungsorganisation nicht gegeneinander arbeiten, sondern ihre Kompetenzen in einer schlagkräftigen Organisation vereinen und so der ­Branche einen echten Mehrwert gene-
rieren. Die Schweiz hat weltweit das beste öffentliche Verkehrsnetz, die qualitativ hochstehendste Hotellerie – auch wenn einige Kritiker das nicht so sehen – und mit ST die beste Marke-
tingorganisation. Wenn wir diese drei USP der touristischen Schweiz optimal bündeln, können wir nur gewinnen. Dies ist STC bisher sehr gut gelungen.

In der Regel wird STC als ein B2B-­Geschäftsmodell wahrgenommen, also als Firma, die weniger mit Endkunden, sondern mit anderen Tour Operators im Geschäft ist. Richtig?

Es werden beide Geschäftsmodelle betrieben, je nach Markt kann sich aber die Gewichtung ändern. In den Hauptmärkten England und Deutschland bedienen wir Direktkunden (B2C) und auch B2B-Kunden. In China wieder­um, wird das B2C-Segment über den Fliggy Shop von Alibaba bedient. In der Schweiz sind wir mit eigenen B2C-Angeboten unterwegs, bieten aber auch mit Partnern wie der Coop-Zeitung oder dem Migros-Cumulus Programm-flächendeckende Aktionen für Endkunden an. Daneben ist STC auch Hospitality-Partner für Gross-Events in der Schweiz, wie etwa anlässlich der Leichtathletik-Europameisterschaft in Zürich im Jahr 2014.

Was bringt STC den Schweizer Hoteliers konkret? Immerhin kommen diese im B2B-Bereich ja auch via ausländische Tour Operators wie TUI oder Neckermann zu ausländischen Kunden.

STC schafft den Zugang zu weltweiten Märkten und ist ein verlässlicher Partner für die Schweizer Hotellerie. Wenn sich Währungspaare ungünstig entwickeln, so wie wir das in der jüngsten Vergangenheit im Euroraum erlebt haben, können ausländische Tour Operators ihre Buchungsströme umlenken und andere Destinationen anbieten, weil ihnen die Schweiz zu teuer wird. STC hingegen ist und bleibt der Schweiz verpflichtet, da wir nur die Schweiz anbieten.

Klingt gut. Aber estimieren dies Schweizer Leistungsträger auch?

Leider sehen insbesondere viele Schweizer Hoteliers den Nutzen von STC noch zu wenig. Es geht nicht nur darum, Logiernächte zu steigern. STC unterstützt Schweizer Hoteliers auch in der Belebung der Nebensaisons, und die Beilagen – etwa in der «Coop-Zeitung» – wecken beim Publikum einen grundsätzlichen Appetit auf Ferien in der Schweiz. Zudem gibt es bei STC kein Shareholder-Denken, den Eigentümern geht es nicht darum, sich selber Dividenden auszuzahlen, sondern den Schweizer Tourismus nachhaltig zu stärken. Entsprechend werden die erwirtschafteten Gewinne vollumfänglich reinvestiert. STC steht im Dienste von Schweizer Hoteliers.

Zur Person: Auch Verwaltungsrats-Präsident von Switzerland Travel Center
Thomas Allemann (58) ist Geschäftsleitungsmitglied bei hotelleriesuisse. Per Mitte 2018 übernahm er von Guglielmo Brentel das VR-Präsidium von Switzerland Travel Center (STC).
STC ist ein Leistungsbündler für Schweizer Touristikangebote. STC bietet für Direktkunden und Reiseveranstalter das grösste buchbare Angebot zum Ferienland Schweiz an und sorgt damit für einen einfachen Zugang zu über 2000 Schweizer Hotels, zu erlebnisreichen Bahnprodukten und individuellen Rundreisen. Gegründet wurde das Unternehmen 1998 als Switzerland Destination Management AG; der aktuelle Name besteht seit 2004. STC gehört je zu einem Drittel Schweiz Tourismus und hotelleriesuisse und den Schweizer Bahnanbietern (SBB 24% sowie BLS, Matterhorn-Gotthard Bahn, Montreux-Oberland Bahn und Rhätische Bahn zusammen 10%). STC kam 2017 auf 160 000 Gäste und einen Aussenumsatz von 81 Millionen Franken. Für 2018 rechnet STC mit einem konsolidierten Umsatz von 87 Millionen Franken. (ag)

STC betreibt über swisshotels.com auch ein Buchungs-Tool für Direktkunden. Ist es der Versuch, zu einer OTA für die Schweiz zu werden?

Vom Modell her ja. Aber mit Einschränkungen. 1998 noch war der Anspruch, mit STC zum Booking.com der Schweiz zu werden. Bis ca. 2005 ist uns das auch recht gut gelungen. Mit der globalen Ausbreitung von Booking kam das Geschäft aber immer mehr unter Druck. In einigen wenigen Ländern, etwa Norwegen, konnte man mit einem eigenen Tool Booking.com bis heute Paroli bieten. Doch die Märkte sind nicht vergleichbar. In Norwegen stammen die Gäste zu 
80 Prozent aus skandinavischen Quellmärkten, in der Schweiz aber stammen 50 Prozent aller Gäste aus aller Welt. Da wären die Marketing- und Technologiekosten schlicht zu hoch. Man muss im Fall der Schweiz deutlich sagen: Der Kampf gegen Booking.com ist verloren.

Wie hoch ist die Kommission, die Schweizer Hotels für eine Direktreservation über STC entrichten müssen?

Für eine Buchung über die STC-Plattformen (etwa swisshotels.com) fallen 10 Prozent an Kommissionskosten an. Bei der Vermittlung an B2B-Kunden wird mit Nettopreisen gearbeitet.

Arbeitet STC bei der Vermittlung von Direktkunden ähnlich wie grosse OTA mit besonderen Anreizen oder höheren Kommissionssätzen für eine bessere Platzierung?

Nein, die 10 Prozent sind fix. Die Auflistung der Hotels erfolgt nach Kundenbewertung, das Ranking kann also nicht gekauft werden. Es herrscht also absolute Transparenz gegenüber dem Hotelier und dem Gast. STC verlangt auch keine Ratenparität, aber nach Möglichkeit ein einmaliges Angebot.

In der Schweiz gibt es rund 4700 geöffnete Hotelbetriebe. Weshalb sind nur 2000 Hotels bei STC dabei?

Die wichtigen und richtigen sind dabei. Die rund 2000 Partnerhotels repräsentieren rund zwei Drittel der gesamten Hotelbetten-Kapazität und decken damit rund 80 Prozent aller Logiernächte ab. Kommt dazu, dass es sich bei vielen der 4700 vom Bundesamt für Statistik erfassten Beherbergungsbetriebe um Kleinbetriebe mit Schwerpunkt Gastronomie handelt, ohne spezifische touristische Positionierung im Beherbergungsbereich. Weil sich diese meist auf das Schweiz-Geschäft konzentrieren und gar nicht im internationalen Teich fischen, ist STC für sie unter Umständen auch nicht der richtige Verkaufskanal.

Die rund 120 Angestellten von STC verteilen sich über den Hauptsitz in Zürich sowie Stuttgart, London und neu auch Hongkong. Weshalb diese Standorte im Ausland?

Weil es so besser gelingt, die lokalen Märkte zu bearbeiten. Gerade in den aufstrebenden Märkten im Fernen Osten ist es wichtig, selber vor Ort zu sein. In Hongkong haben wir nicht bei Null begonnen; vielmehr wurde das bisherige Asien-Team vom Standort Zürich nach Hongkong transferiert.

Wie sehr bedroht die Unsicherheit um den Brexit den Standort in London?

Der Standort selber ist nicht bedroht; von London aus werden für STC auch andere Märkte wie Australien, Neu-
seeland und Skandinavien betreut. 
Die grössere Unsicherheit ist es, wie sich der englische Markt selber bewegen wird.

Einmal ketzerisch gefragt: Wäre es denkbar, Schweizer Angebote von Airbnb über STC buchbar zu machen? Oder ist dies a priori ausgeschlossen?

Das steht zwar aktuell nicht zur Debatte. Wir sind aber grundsätzlich keiner Partnerschaft abgeneigt, wenn sie kommerziell Sinn macht und der Schweizer Hotellerie einen Mehrwert generiert.

Was hiesse das für eine Einbin-
dung aller Schweiz-Angebote von Booking.com?

Das ist derzeit wohl etwas schwierig. Man kann nicht mit jemandem im Bett liegen, mit dem man sich vor Gericht streitet. Für kreative Angebote sind wir aber immer offen, aber nur auf gleicher Augenhöhe.

Welches sind die erfolgreichsten Produkte von STC?

Wir setzen sehr stark auf gebündelte Produkte wie Panoramareisen, mehr-
tätige Hotelpackages (Übernachtung und Zusatzleistungen), Gruppenreisen und natürlich den Swiss Travel Pass.

Das Erfolgsprodukt Swiss Travel Pass, das es Touristen ermöglicht, für einige Tage wie mit einem GA durch die Schweiz zu fahren, weckt im Inland immer mal wieder Kritik. Oft wird nicht verstanden, weshalb ein solches Kurzfrist-GA nur für ausländische Touristen zugänglich ist, für Schweizer Einwohner aber nicht.

Grundsätzlich liegt es in der Hand des öffentlichen Verkehrs (öV), welches Angebot für wen erhältlich ist. Mit dem Halbtax-Abo gibt es aber heute schon ein hervorragendes öV-Angebot für Schweizerinnen und Schweizer. Der Swiss Travel Pass ist ideal für ausländische Touristen, die in wenig Zeit möglichst viel von der Schweiz sehen möchten. Für diese macht das Halbtaxabo keinen Sinn.

Der Swiss Travel Pass als eine Art Export-Schlager?

Man kann das so sehen. Beim Käse ist es ja auch so: Der beste Emmentaler wird auch ins Ausland verkauft.