Die Digitalisierung eröffnet dem Tourismus unendlich viele Möglichkeiten zur Angebots- und Effizienzsteigerung. Die Krux: Für die erfolgreiche Umsetzung einer digitalen Businessstrategie und die Wettbewerbsfähigkeit braucht es zwingend IT-Kompetenzen und Ressourcen. Diese sind bei Tourismus-KMU im Gegensatz zu grossen Unternehmen finanziell wie personell limitiert.
Wie kann diese Ungleichheit überwunden werden? Und welche Rolle spielen sektornahe Ecosysteme für den digitalen Fortschritt im Tourismus?
Diesen Fragen widmete sich ein Expertenpanel am Digital Competence Circle (DCC) der Plattform Discover.swiss in Zürich. Discover.swiss-Präsident Jon Erni sprach mit Christian Laesser, Professor für Tourismus und Dienstleistungsmanagement an der Universität St. Gallen, Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), Philipp Sauber, Digitalisierungsexperte und Verwaltungsrat bei den Lenzerheide Bergbahnen, und Stefan Keller, Wirtschaftsinformatiker und Geschäftsführer der St.-gallischen TSO AG.
Föderalismus und Lohndiskrepanzen als Erfolgshindernis
Ein allgemeingültiges Rezept für den zeitnahen, flächendeckenden Aufbau digitaler Kompetenz im Tourismussektor hat Richard Kämpf nicht. Das Problem liege oft darin, dass KMU, gerade in einem föderal geprägten Gefüge wie dem Schweizer Tourismus, Mittel und Wege fehlten, um an bereits vorhandenen Strukturen anzudocken. Denn der Tourismus sei nicht per se digital schlecht aufgestellt, so Kämpf. Als Vermittler kann er sich beispielsweise die Destinationsorganisationen vorstellen.
Von unzählig vielen Digital-Kompetenzzentren in ebenso vielen Destinationsorganisationen sieht Christian Laesser ab. Er betrachtet die Ortsungebundenheit als grossen Vorteil des Digitalisierungsprozesses. Denn: «Umgekehrt kann somit auch das digitale Know-how ortsungebunden aufgebaut werden.»
Auch für Philipp Sauber steht die Notwendigkeit eigener Digitalisierungskompetenzen innerhalb des Tourismus ausser Frage. Nebst Partikularinteressen sieht er auch die geografisch bedingten Lohnungleichheiten als Hindernis bei der Expertenakquise. Ländliche Tourismusdestinationen stünden diesbezüglich oft in direktem Konkurrenzkampf mit urbanen Regionen und Technologiefirmen in Städten, findet Sauber.
Genossenschaftsdenken als möglicher Lösungsansatz
Unternehmen mit wenig IT-Know-how könnten laut Stefan Keller durch Micro-Systeme den digitalen Fortschritt vorantreiben. «Jeder kann anhand von No-Code-Tools mit relativ wenig Aufwand, auch finanzieller Art, Prototypen bauen. Dabei entsteht zwar nicht die fertige Gästekartenlösung, man kann aber auf der Vorlage aufbauen oder anhand des Prototyps einen Förderantrag zur Weiterentwicklung einreichen», erklärt Keller.
Oft liefern aber Faktoren wie Inspiration und Austausch KMU den nötigen Antrieb zur Prozessoptimierung. Viel effizienter als der Alleingang Richtung Digitalisierung dürfte deshalb eine Kooperation im digitalen Ecosystem sein. Dort holen die Mitglieder IT-Know-how, Lösungen und relevante Daten für ihre individuellen Digitalisierungsprozesse ab.
Im Wallis will beispielsweise die Plattform Digitourism den digitalen Wandel der Walliser Tourismusbranche vorantreiben. Schweizweit widmet sich die Plattform Discover.swiss (siehe unten) demselben Ziel. Das modulare Serviceangebot von Discover.swiss ist bewusst gewählt und soll einen niederschwelligen Zugang zum digitalen Ecosystem ermöglichen. Jon Erni von Discover.swiss: «Die Schweizer Tourismusumgebung ist extrem heterogen und fragmentiert. Es macht keinen Sinn, einen Monolithen im Sinne von ‹alles oder nichts› aufzustellen.» Zwei Jahre nach der Lancierung bieten heute über 30 Tourismuspartner und 75 Lieferanten ihre Leistungen über Discover.swiss an.
Die nicht gewinnstrebende Genossenschaft Discover.swiss wurde 2017 von Janine Bunte, CEO der Schweizer Jugendherbergen, Andreas Züllig, Gastgeber im Hotel Schweizerhof Lenzerheide, Urs Wagenseil, Professor an der Hochschule Luzern, und Jon Erni, Initiant von mia Engiadina, gegründet.
Die Backend-Plattform ermöglicht allen touristischen Anbietern in der Schweiz den Einstieg in die digitale Welt. Sie berät ihre Mitglieder bei Digitalisierungsanliegen, liefert technischen Support und hilft beim professionellen Onboarding.
Gleichzeitig steigert und stärkt Discover.swiss die brancheninterne Innovation und Effizienz im bestehenden touristischen Ecosystem. Sie fördert den Wissensaustausch unter touristischen Akteuren, Technologiepartnern und Wissenschaft sowie in Bezug auf digitale Anwendungen, Dienste und Ressourcen.