Der Nationalrat hat sich dafür ausgesprochen, dass künftig auch Stadthotels mit Krediten der SGH gefördert werden sollen. Welche Position vertritt die SGH in dieser Frage?
Wir äussern uns als Instrument des Bundes nicht dazu. Wir sind gespannt, wie der Ständerat voraussichtlich in der Herbstsession entscheiden wird.
Peter Gloor (60) hat eine Banklehre beim Schweizerischen Bankverein absolviert und danach als Finanzierungsberater bei verschiedenen Banken gearbeitet. Zuletzt war er als Direktionsmitglied für das Grossfirmen-Kunden-Geschäft bei der Aargauischen Kantonalbank verantwortlich. Bei der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) war er seit Ende 2007 als Leiter Finanzierung und Stv. Direktor tätig, bevor ihn die Verwaltung der SGH im Einvernehmen mit dem Eidgenössischen Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) als Nachfolger von Philippe Pasche per Anfang 2021 zum neuen Direktor ernannt hat. Gloor ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Er engagiert sich seit vielen Jahren als Funktionär für den FC Aarau.
Was passiert bei einem zweiten Ja?
Dann werden wir die Strukturen anpassen müssen, das heisst die Mittel und das Personal aufstocken. Was das genau bedeuten würde, ist schwierig zu sagen. Vor der Pandemie war es nie ein Thema, dass die SGH auch in den fünf grossen Städten Zürich, Basel, Bern, Lausanne und Genf aktiv werden soll – weder vonseiten der Investoren noch der Hoteleigentümer. Mit der Pandemie wurde es für einige Stadthotels jedoch wirtschaftlich eng.
Wie sähe ein mögliches Finanzierungsbeispiel aus?
Kürzlich wurde am Flughafen Zürich ein neues Hotel mit 300 Zimmern eröffnet. Rechnet man mit 200 000 Franken Baukosten pro Zimmer, ergibt das eine Investitionssumme von rund 60 Millionen, ohne Land. Die SGH kann pro Projekt maximal 6 Millionen Franken ergänzend finanzieren. Banken oder andere Geldgeber übernehmen vorab den Hauptteil. Bei den aktuellen Finanzierungsvolumen in den Städten macht eine Mitfinanzierung durch die SGH einen Bruchteil aus.
Ein SGH-Franken löst normalerweise etwa fünf Franken Investitionsvolumen aus. In einem normalen Jahr ohne Pandemie sind wir an Investitionen von insgesamt rund einer Viertelmilliarde Franken in den Tourismus- und Bergregionen beteiligt. Das gesamte Investitionsvolumen für Hotellerie und Gastronomie in der Schweiz beträgt in etwa eine Milliarde Franken pro Jahr.
Mit der 2015 erfolgten Anpassung der Verordnung zum Bundesgesetz über die Förderung der Beherbergungswirtschaft aus dem Jahr 2003 wurde der Förderperimeter bereits auf die urbanen Regionen ausgeweitet.
Ja, man öffnete den Förderperimeter und glich ihn an die Neue Regionalpolitik, die NRP, an. Genau gleich wie die NRP soll auch die SGH ein Gefäss sein, das vorab in strukturschwachen Gebieten wirken soll.
«Ab diesem oder nächstem Jahr könnte sich der Strukturwandel zurückmelden.»
Haben städtische Hotels oder Gastrobetriebe bei der SGH während der Pandemie denn überhaupt angeklopft?
Nein, obwohl die Verluste bei der Stadthotellerie vielerorts gross sind und dadurch die Investitionsvolumen klein. Und es handelte sich ja grundsätzlich um einen Liquiditätsengpass. Während Corona floss viel Geld in das System: Covid-19-Darlehen, Kurzarbeitsentschädigung, Härtefallentschädigung in der zweiten Phase. Wir stellen fest, dass es vielen unserer Kunden liquiditätsmässig sehr gut geht. Sie konnten einerseits von diesen Hilfen profitieren, andererseits lief das Geschäft in den Berg- und Tourismusregionen gut.
Mit Beratungen kann die SGH Betriebe in der Stadt aber unterstützen.
Ja, in den Städten sind wir mit unserer Beratung – einem unserer drei Standbeine – tätig. Gutachten dürfen wir in der ganzen Schweiz, auch für Stadthotels, erstellen und damit die Grundlage für Finanzierungen durch Banken und Investoren schaffen. Aber Investitionen über Finanzierung mittragen geht da nicht.
Wie hat sich die Pandemie auf das Geschäft der SGH ausgewirkt?
Ich hoffe, wir haben das Gröbste hinter uns. Obwohl, an der gerade zu Ende gegangenen Tour de Suisse trugen alle wieder Masken, ein komisches Bild, und das halbe Fahrerfeld fiel aus. Im Oktober 2020 erstellten wir eine Risikoanalyse unseres Darlehensportfolios. Damals wusste man aber beispielsweise noch nicht, dass man die Covid-19-Darlehen für Investitionen wird brauchen können. Dieses Gesetz wurde erst im Dezember 2020 verabschiedet. Auch war offen, wie sich die Pandemie entwickeln wird, weitere Lockdowns standen vor der Tür. Wir unterteilten unsere Kunden in verschiedene Risikoklassen: Traditionelle Schweizer Bergdestinationen erlebten einen guten Sommer und hatten kaum Probleme.
Die Bergferienregionen mit internationaler Ausrichtung wie zum Beispiel Davos, Interlaken, Engelberg mit Gruppenreisen litten schon mehr unter der Pandemie. Die dritte Kategorie waren extrem Business-orientierte Kunden, Hotels in den Bergen beispielsweise, die auf Kongresse gesetzt haben. Wir unterzogen alle Kunden einer Risikobeurteilung und stellten ein Wertberichtigungspotenzial von rund 61 Millionen Franken fest. Das führte zu Rückstellungen und einer Überschuldung der SGH, was wir 2021 mit dem Bund mit einer Vereinbarung zur Verlustübernahme regeln konnten. Faktisch waren wir nicht mehr geschäftsfähig. Weil wir aber eine öffentlich-rechtliche Gesellschaft sind, können wir nicht in Konkurs gehen und mit der Vereinbarung mit dem Bund konnte die Weiterführung unserer Fördertätigkeit intakt bleiben.
Und dann kam alles anders
Ja, es gab Impfungen, Teilöffnungen, Herr und Frau Schweizer machten Ferien in der Schweiz, es kamen teilweise sogar ausländische Gäste wieder zurück. Dadurch konnten wir einen grossen Teil der Wertberichtigungen per Ende 2021 wieder auflösen. Und aktuell haben wir praktisch keine Zinsausstände. Wir hatten auch keine Verluste auf Darlehen im 2020 und 2021 wegen Covid. Schwierig einzustufen ist, ob einiges noch nachgelagert eintreffen wird.
Was könnte da auf die SGH zukommen?
Das Schlimmste wären erneute staatliche Massnahmen wie Schliessungen in der Tourismusbranche. Die Hotellerie war davon bis auf einige Betriebe in Kantonen wie dem Tessin nicht betroffen. Ohne Betriebs- oder Grenzschliessungen kann die Branche vor allem in den klassischen Berg- und Tourismusregionen auch mit dem Coronavirus leben.
Die finanziellen Hilfen haben aber auch einen Strukturwandel verhindert.
Schon frühere Krisen haben gezeigt, dass schwierige Zeiten in der Branche normalerweise einen Strukturwandel ausgelöst haben. In der Pandemie ist dies aus meiner Sicht nicht so. Die Patienten bekamen auf der Intensivstation immer in Form von gesprochenen Geldern nochmals Beatmung. Unter normalen Umständen hätte ein Strukturwandel stattfinden können. Betriebe, die bis Ende 2019 nicht marktfähig aufgestellt waren, haben wohl noch etwas von der Pandemie profitieren können. Ab diesem oder nächstem Jahr könnte sich damit der Strukturwandel wieder zurückmelden, sobald wieder eine gewisse Normalität herrscht. Allenfalls auch noch beschleunigt durch den Ukraine-Krieg und die Inflation.
Kam der Entscheid der Nationalbank für Sie überraschend?
Dass es in diesem Ausmass zu einem Zinsanstieg kommen wird, ist überraschend, aber positiv. Ein wichtiges Zeichen, das auf die Inflation auch korrigierend wirkt. Aber die Zinsen, gerade auch für Neuinvestitionen, werden steigen bzw. sind schon gestiegen.
Ein positiver Jahresabschluss samt Verlustübernahme durch den Bund
Die SGH erzielte 2021 ein insgesamt positives operatives Ergebnis. Dies teilte sie am 23. Juni im Anschluss an die 55. Generalversammlung im Zürich Marriott Hotel mit. Die 2020 aufgrund von Covid-19 vorgenommene Risikobeurteilung des Darlehensportfolios habe dazu geführt, dass die Gesellschaft per Ende 2020 eine Überschuldung habe ausweisen müssen. Über eine mit dem Bund abgeschlossene Vereinbarung zur Verlustübernahme konnte diese laut SGH gedeckt werden. Die per Ende 2021 vorgenommene Überprüfung dieser Beurteilung habe gezeigt, dass die Mehrheit der Kunden im 2021 trotz Covid-19-Einflüssen gute betriebliche Ergebnisse habe ausweisen können. Aus diesem Grund sei die Beurteilung der Risiken insgesamt per 31. Dezember 2021 tiefer ausgefallen und die Überschuldung habe damit reduziert werden können. Die Fortführung der Fördertätigkeit für 2022 ist laut SGH durch eine neue Vereinbarung zur Verlustübernahme mit dem Bund gegeben.
sgh.ch
Welchen Einfluss hat eine zunehmende Inflation auf die Bewertung der Hotelunternehmen?
Sie kann die Unternehmenswerte negativ beeinflussen. Das ist der Fall, wenn steigende Preise für Waren, Investition oder Energie sowie zunehmende Löhne nicht über höhere Preise an die Kundschaft weitergegeben werden können. In diesem Fall sinken Free Cashflows und damit der Unternehmenswert. Die Marge wird eng. Das ist eine grosse Herausforderung. Die guten Hoteliers werden aber auch diese Hürde nehmen. Die Hotellerie hat schon manchen Sturm überlebt.
Droht ein Investitionsstau?
Während der Pandemie haben Betriebe, die Cashflow hatten, auch investiert. Das Geld aus den Covid-19-Darlehen wurde teilweise auch investiert, dadurch brauchte es uns letztes Jahr etwas weniger, was sich im Geschäftsbericht zeigt. Somit wurde aus unserer Sicht auch investiert, und die Pandemie war eine Liquiditätskrise, die normalerweise keinen Investitionsstau zur Folge haben sollte.
Wie hat sich die Pandemie auf das Beratungsgeschäft ausgewirkt?
In der Beratung läuft es im Moment sehr gut. Bei den Gutachten handelt es sich mehrheitlich um grosse Projekte im Bereich der Lex-Koller- und Lex-Weber- Thematiken, die in der Schublade gelegen haben. 2020 fiel die Beratung auf null runter, flackerte dann langsam wieder etwas auf. In der Finanzierung nahmen die Anfragen ebenfalls drastisch ab. Das hat sich bis ins Jahr 2021 so durchgezogen, obwohl die Beratungen im 2. Semester etwas angezogen hatten. Es trafen im 2021 nur die Hälfte an Finanzierungsgesuchen eines normalen Jahres ein. Aber die Zinsen wurden bezahlt, und wir unterstützten die Branche mit Amortisationssistierungen im 2020 und im 2021.
Aktuell ist das Bundesgesetz zur Förderung der Beherbergungswirtschaft in Revision und dürfte 2025 in neuer Form in Kraft treten. Wo stehen die Arbeiten?
Der Bund will die Gefässe zur Investitionsförderung wie SGH, NRP und Innotour den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Man will das Gesetz aus dem Jahr 2000, das 2003 in Kraft getreten ist, modernisieren. Es hat zum Beispiel Begriffe drin, die heute nicht mehr dasselbe bedeuten wie damals, Eigentümer und Betreiber sind beispielsweise heute oft nicht mehr dieselbe Person. Die Eigenwirtschaftlichkeit der SGH ist auch ein Thema, das wir neu regeln wollen. Ein weiterer Aspekt: Was können wir überhaupt fördern? Nach dem alten Gesetz dürfen wir nur fördern, was aus Stein und Mauern besteht.
Das ist nicht mehr zeitgemäss. So beispielsweise bei Kooperationen: Wenn Hoteliers zusammenstehen und gemeinsam eine Buchungsplattform aufbauen wollen, könnten wir ein solches Projekt nicht mitfinanzieren. Die «Besondere Förderwürdigkeit» geht unter anderem auf die Nachhaltigkeitsthematik ein. Hier sind Themen wie null Prozent Zins, längere Laufzeiten, in den ersten fünf Jahren keine Amortisationen im Fokus. Die Motion Stöckli mit dem Impulsprogramm für die Berggebiete aus dem Jahre 2018 befindet sich zudem aktuell in der Analyse zur Umsetzung. Hier könnte die SGH eine aktive Rolle übernehmen.
Woran scheitern eigentlich Projekte, die Sie prüfen, am häufigsten?
Es sind wenige Projekte, die am Schluss scheitern. Ein Hauptgrund liegt in der Euphorie, die Realität wird immer wieder zu stark ausgeblendet. So bleibt ein Traum dann halt ein Traum. Gerade bei Quereinsteigern. Dieses Business ist Knochenarbeit. Die Vorarbeiten müssen minuziös angegangen werden. Die Bauzeit und -kosten sind das eine, aber die Pre-Opening-Phase ist genauso wichtig. Hotellerie, Gastronomie und Tourismus versprühen für viele halt schon etwas Glamour.
Auch für Sie?
Eher nicht. Ich sehe es realistisch. Aber viele Leute unterschätzen, was es heisst, in dieser Branche zu arbeiten. Ich habe Freunde in der Hotellerie und bewundere sie für ihre Energie und ihren Antrieb, jeden Tag wieder ihr Bestes zu geben. Aber es ist wie gesagt Knochenarbeit.[RELATED]
Den Hotelier Peter Gloor wird es also nie geben?
Nein. Als ich zur SGH gekommen bin, machte ich während dreier Wochen ein Praktikum in einem 5-Sterne-Hotel. Irgendwann kam da bei mir dann schon die Ernüchterung. Für den Gast ist diese Welt paradiesisch, er dürfte den Hotelangestellten dafür allerdings etwas mehr Respekt entgegenbringen und die Leistungen mehr würdigen.