Mit ihren Tischgesprächen will die htr hotel revue das Gespräch zwischen Erzeugern, Hoteliers und allen Akteuren der Branche eröffnen. Diesmal haben wir auf Französisch die Frage der Vermarktung des Schweizers Weins und der möglichen Märkte für die weitere Entwicklung der Hotellerie und Gastronomie hierzulande erörtert. Dabei ging es um die Aspekte bezüglich des Marketings, vor allem im Hinblick auf eine transversale Zusammenarbeit zwischen den Weinbauregionen, aber auch darum, wie man bestimmte Rebsorten oder Schaumweine gegenüber der ausländischen Konkurrenz fördern kann.

Dies insbesondere mit der Betonung der Qualität der Schweizer Weine und den Möglichkeiten für Innovationen, um herauszufinden, wie man die Verbindungen zwischen der Hotellerie und Gastronomie sowie den Produzenten intensivieren und neue Netzwerke entwickeln kann. Und nicht zuletzt ist es eine interessante Begegnung zwischen vier Persönlichkeiten, die ihre Berufe mit Leidenschaft ausüben, einen Meinungsaustausch in Form von Dialogen und Denkanstössen. Doch kommen wir gleich zur Sache.

Die Bedeutung des Markts für Schweizer Weine

Ruth Montereale (Albergo Ristorante Conca Bella, Chiasso-Vacallo)
Als mein Mann noch lebte, waren in unserer grossen Önothek alle Terroirs wie Burgund, Bordeaux, Kalifornien usw. vertreten, und mit 17 Punkten im Gault Millau gehörte die «Conca Bella» zu den Spitzenrestaurants der Schweiz. Aber 2018 haben wir uns für ein einfacheres Restaurant entschieden, doch immer noch mit Produkten von guter Qualität. Eine neue Kundschaft legt Wert auf lokale Erzeugnisse, und wir arbeiten mit einem Sommelier, der die Schweizer und italienischen Weine gut kennt.

Yann Künzi (Maison Mauler, Môtiers)
Den Gegensatz von Schweizer und ausländischen Weinen finde ich nicht sinnvoll. In den letzten dreissig Jahren hat sich die Qualität der Schweizer Weine verbessert, wir produzieren gute Weine. Obwohl einige Güter vielleicht nicht genug in den Verkauf investiert und Absatzmärkte wie etwa das Internet verpasst haben. Gewisse Erzeuger mit nur fünf Hektaren Rebland verkaufen alles schon lokal sehr gut.

François Schenk
Das Problem der ausländischen Konkurrenz besteht vor allem in den Einstiegssegmenten.

François Schenk (Schenk SA, Rolle)
Das Problem der ausländischen Konkurrenz besteht vor allem in den Einstiegssegmenten. Der Markt mit Spitzenweinen scheint mir gesund zu sein. Allerdings werden nur 35 Prozent des Schweizer Weins im Inland konsumiert, gegenüber 60 Prozent der einheimischen Produktion in Österreich. Trotzdem darf man keinesfalls Rebstöcke ausreissen. Wir müssen aus dem Einstiegssegment herauskommen, dies mit guten Produkten, guter Werbung, guter Verpackung und vernünftigen Preisen auf jeder Ebene. Letztes Jahr haben wir Christophe Chauvet als Generaldirektor von Schenk eingestellt, um sich mit diesen Fragen zu befassen, der zuvor als Weinspezialist bei LVMH tätig war.

Geoffrey Bentrari (Chefsommelier, Hotel President Wilson, Genf)
Man muss immer wissen, von welchem Terroir und welcher Rebsorte man spricht, um richtig zu kommunizieren. Einfach zu sagen, die Kleinen machen guten Wein, aber sie haben nichts mehr zu verkaufen, und die Grossen produzieren keinen guten Wein, finde ich zu simpel. Man darf nicht nur an den Preis denken, sondern muss auch den Geschmack der Konsumenten berücksichtigen. Letzthin habe ich einen Chasselas aus dem Lavaux geöffnet, für den ich zwei Tage brauchte, bis ich ihn getrunken hatte, weil ich ihn so schwer fand. Die Neuenburger stellen einen nicht auf der Hefe gefilterten und deshalb trüben Weisswein her, der nicht mit anderen Chasselas zu vergleichen ist. Der lässt sich in Supermärkten nicht ohne entsprechende Erklärung verkaufen.

Yann Künzi
Der Non-filtré ist ein gutes Beispiel. Wir produzieren als einzige 120 000 Flaschen, und es stimmt, der Absatz in den Supermärkten bleibt bescheiden. Vielleicht sollten wir Verpackungen entwickeln, damit die Flasche auf dem Kopf steht. Doch da er ja im Januar als erster Wein des Jahres auf den Markt kommt, ist er in den Restaurants oft schon nach sechs Monaten ausverkauft. Man könnte sich überlegen, 100 000 zusätzliche Flaschen in einer zweiten Distribution im Juli auf den Markt zu bringen.

Die Schaumweine: eine neue Herausforderung

Yann Künzi
Wir vermarkten unsere Schaumweine zu wenig in der Spitzengastronomie, vor allem in Tourismusorten wie Montreux und Gstaad, wo man nach wie vor auf den Bekanntheitsgrad des Champagners und seines Marketings schwört. Unsere Produkte im Einstiegs- und mittleren Segment verkaufen sich jedoch sehr gut, sowohl direkt als auch in den Supermärkten; schwieriger ist es noch immer in der Gastronomie. Wir müssen unser Know-how in der traditionellen Methode und unseren Prieuré in den Vordergrund stellen.

Yann Künzi
Wir vermarkten unsere Schaumweine zu wenig in der Spitzengastronomie.

Geoffrey Bentrari
Aber Sie sind auch Gefangener des Images Ihres Prieuré St-Pierre und seines historischen Gewichts. Sie könnten ja auch den Absatz über Pop-up Stores entwickeln, die die Jungen ansprechen... Bei Blindverkostungen schneiden Ihre Weine sehr gut ab, der Begriff Mousseux ist Ihr Handicap.

Yann Künzi
Ja, der Sommelier Jérôme Aké hat uns geraten, eine neue Appellation zu kreieren, nach dem Vorbild des Crémant d’Alsace.

Geoffrey Bentrari
Kunden aus dem Nahen Osten fragen mich zum Beispiel häufig nach einer Marke wie dem Grapillon der Schenk-Gruppe.

François Schenk
Danke, dass Sie den Erfolg dieses alkoholfreien Weissweins und Rosés erwähnen, für den wir gerade an einem neuen Image arbeiten, wobei wir auch den Zucker reduzieren.

Geoffrey Bentrari
Um ihr Image aufzufrischen, müssen wir unsere neuen Produkte auch den Influencern präsentieren.

Geoffrey Bentrari
Um ihr Image aufzufrischen, müssen wir unsere neuen Produkte auch den Influencern präsentieren.

François Schenk
Ich weiss nicht, ob die über Vierzigjährigen da so leicht beeinflussbar sind...

Die Rolle aller  Partner beim Weinverkauf

Yann Künzi
Lösungen ergeben sich auch dank dem Engagement und der intensiven Arbeit der Swiss Wine Promotion mit ihren Initiativen Swiss Wine Gourmet und Swiss Wine Week. Während der Covid-Krise haben wir festgestellt, dass sich neue Kunden für einheimische Erzeugnisse interessieren.

Ruth Montereale
Ich glaube nicht, dass dies immer durch Initiativen wie Casa del Vino geschieht. In erster Linie müssen wir es den Restaurateuren überlassen, ihre Weine zu verkaufen, und können dieses Metier nicht für sie übernehmen.

Geoffrey Bentrari
Man muss über globale Strategien für lokale Produkte nachdenken, etwa den Wein zusammen mit Kartoffeln und Karden verkaufen und dafür sorgen, dass unsere Gastronomen die Erzeugnisse besser kennen.

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Yann Künzi
Die Ausbildungsmöglichkeiten sind vorhanden, insbesondere die Swiss Wine Campus, und man muss sie bekannt machen. Vor allem sollten wir alle kantonalen Förderstrukturen zusammenführen, zum Beispiel bei Messen. Das ist zurzeit nicht einfach, weil sie von kantonalen Mitteln abhängig sind.

François Schenk
Wir müssen zu den Grundlagen unserer Produktion zurückkehren und strengere Appellationen verwenden. Man kann die Weinwirtschafts-Identität eines Landes nicht über 20 Rebsorten erfassen. Denken wir ans Burgund, das mit rund drei Rebsorten auskommt. Wir könnten den Chasselas auch als Gastro-Wein neu positionieren, seine grossen Jahrgänge aufwerten und seine Entwicklung thematisieren. Also die Savoyarden mit ihren Mondeuses als Beispiel nehmen.

Geoffrey Bentrari
Wir sollten bei unseren Promotionen im Ausland den Wein nicht mehr getrennt vom Käse, der Schokolade, den Uhren und unseren Landschaften bewerben. Ich freue mich immer, wenn ich in einer Gratiszeitung, die an alle Haushalte verteilt wird, in einer Kolumne über einen Wein berichten kann. Man muss den Diskurs demokratisieren.

Yann Künzi
Es gibt Projekte mit der Interprofession du Gruyère und Rundtour-Angebote in Zusammenarbeit mit der Uhrenindustrie, die noch stärker gefördert werden sollten, insbesondere durch die neue Swiss Wine Tour.

Der Önotourismus als zugkräftiges Produkt

Ruth Montereale
In unserem Hotel bieten wir ein Paket mit zwei Übernachtungen und einem Degustationsmenü mit Tessiner Wein an. Erwähnt werden muss auch die Investition des Weinhändlers Carlo Crivelli. Er versteht es, Geschichten zu erzählen, etwa rund um das höchst erfolgreiche Tessiner Bike'n'Wine-Angebot.

François Schenk
Das Burgund ist bei solchen Angeboten nach wie vor weit voraus. Wir werden eine Weinroute organisieren, auf der man an den Wochenenden mit E-Bikes vier unserer Weingüter besuchen kann; beteiligt sind auch lokale Restaurants für die Mahlzeiten.

Geoffrey Bentrari
Man kann auch auf Witz und Provokation im angelsächsischen Stil setzen. So verfügt die Domaine du Mont d'Or in Sitten über 15 Guérites, wie die Weinberghäuschen im Wallis genannt werden. Drei davon sind für ein Escape Game eingerichtet, das den Besucher dank einer App erlaubt, auf spielerische Weise den Reichtum des Guts zu entdecken.

Yann Künzi
Als ich im Château d'Auvernier arbeitete, gab es eine Gruppe für den Exportverkauf für Erzeuger aus mehreren Kantonen, und wir arbeiteten unter anderem mit Testuz und Gilliard zusammen. Dies als konkretes Beispiel dafür, wie sich Weinproduzenten zusammentun können. Man muss sich auch auf Zielmärkte konzentrierten, so wie etwa die Weinkritikerin Chandra Kurt einen Zusammenschluss von Winzern aus verschiedenen Kantonen organisiert, um den Absatz in den USA zu fördern.

Geoffrey Bentrari
Die Sommeliers insbesondere in den Golfstaaten müssen auch wissen, wie man die Flaschen aufbewahrt, und Wein als lebendiges Produkt betrachten. Deshalb sind funktionierende Vertriebskanäle so wichtig.

François Schenk
Selbst in der Schweiz ist es ja auch notwendig, dass sich die Waadtländer Confrérie du Guillon den Zürchern präsentiert.

Geoffrey Bentrari
Die Guillon-Bruderschaft verkörpert euer Arbeitsumfeld und zeigt, was euch zusammenschweisst.

Ruth Montereale
Schweizer Wein zu verkaufen erfordert viel Willen und Leidenschaft. 

Ruth Montereale
Schweizer Wein zu verkaufen erfordert viel Willen und Leidenschaft.  Unsere Hotelier-Nachbarn in Como zum Beispiel verkaufen nur sehr wenige Tessiner Weine. Und wir stellen fest, dass unsere italienischen Kunden meist Champagner bestellen. Zu beachten ist auch, dass die Weine des Mendrisiotto anders sind als jene aus dem Sopraceneri.

Ein letztes Wort auf den Weg

Die junge Kundschaft kommt in unsere Betriebe, um begleitet zu werden, nicht um auf der Post eine Rechnung einzuzahlen. Man kann nicht einfach süssliche Weine produzieren, von denen wir denken, dass sie ihnen gefallen werden. Man weiht sie ein, entdeckt zusammen mit ihnen und wächst gemeinsam. Man stellt Rebsorten vor, die zu Ikonen werden, und erklärt, wie man die Reben schneidet.

François Schenk
Man muss zum Beispiel aufhören, Fendant in Literflaschen zu verkaufen. Wir müssen unsere vielfältigen und hervorragenden Produkte in den sechs Weinregionen in den Vordergrund stellen.

Yann Künzi
Wir produzieren grossartige Weine, man muss nur noch die Zusammenarbeit intensivieren, um das weithin bekannt zu machen.

Ruth Montereale
Ohne jemals zu vergessen, dies durch Emotionen zu vermitteln.


Die Teilnehmenden

Eine Hotelière, zwei Produzenten und ein Sommelier

[IMG 3] Ruth Montereale, Hotelbesitzerin, Chiasso-Vacallo TI
Wir führen unser Albergo Ristorante in Vacallo seit 1984.

Mein verstorbener Mann Rocco Montereale hatte als grosser Weinkenner und Gastronom einen ausgezeichneten Weinkeller angelegt.

Um dieses Erbe aufzuwerten, haben mein Sohn und ich zusammen mit Swiss Hospitality Solutions beschlossen, in unserem Restaurant und unseren 17 Zimmern ein Weinthema zu schaffen, um die «Conca Bella» als erstes Tessiner Wine Hotel mit Produzenten aus dem ganzen Kanton zu positionieren.


[IMG 4] Yann Künzi, Kaufmännischer Leiter der Maison Mauler, Môtiers NE
Ich habe immer in der Weinbranche gearbeitet, so etwa 16 Jahre lang im Château d'Auvernier, die letzten sechs Jahre als Direktor.

Danach habe ich mehr als drei Jahre die Promotion von Weinen und Produkten aus dem Terroir des Kantons Neuenburg geleitet und bin dann ins Familienunternehmen Mauler in Môtiers eingetreten, wo ich seit einem Jahr als Verkaufsleiter tätig bin.

Der für mich neue Markt für Schaumweine nach der traditionellen Methode hat mich interessiert. Wir haben einen Keller mit zwei Millionen Flaschen, die in einem Priorat aus dem 6. Jahrhundert ausgebaut werden. Unser 1829 gegründetes Haus verkauft heute rund 500 000 Flaschen pro Jahr.


[IMG 5] Geoffrey Bentrari, Chefsommelier im Hotel President Wilson, Genf
Als Franko-Schweizer bin ich in Sierre im Wallis aufgewachsen, habe die Hotelfachschule von Tain l'Hermitage in Frankreich besucht und danach in mehreren Sternehotels in Frankreich und der Schweiz gearbeitet.

In Changins gebe ich Kurse für den eidgenössischen Fachausweis für Sommeliers.

Seit sechs Jahren arbeite ich als Chefsommelier mit Küchenchef Michel Roth im Genfer Hotel President Wilson. Ich verstehe meinen Beruf als den eines «Vermittlers von Genüssen» und bevorzuge immer einen sinnlichen, emotionalen, nicht intellektuellen Ansatz.


[IMG 6] François Schenk, Verwaltungsrat und Aktionär, Schenk Vins
Ich gehöre der vierten Generation eines Unternehmens an, das 1893 gegründet wurde. Wir verwalten 44 Weingüter in vier Ländern.

Auf dem Schweizer Markt haben wir eine bedeutende, manche sagen dominante Stellung.

Doch ich spreche nicht gerne über Volumen, sondern wir müssen uns auf den Aufstieg in ein höheres Marktsegment konzentrieren und unsere Qualität hervorheben. Der Waadtländer Weinbau hat sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht und in der Schweiz viele Marktanteile verloren. Wir müssen uns jetzt die richtigen Fragen stellen.


Dieser Beitrag wurde von Robert Schnieper übersetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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