Den Ursprung hat die berufliche Karriere von Renato Wüst bei seiner Rheintaler Töffli-Gang. «Meine Mutter ist streng katholisch und ich musste jeden Sonntag mit ihr und den Geschwistern in den Gottesdienst – das gefährdete mein Image vom coolen Töffli-Buben», erzählt Renato Wüst schmunzelnd. «Indem ich meinem Vater beim Kochen half, musste ich nicht mit in den Gottesdienst.» So einfach ist die Geschichte, die Wüst an den Herd brachte. Dazu kam, dass der damals knapp 15-Jährige sehr schnell eine Lehrstelle als Koch fand: im «Restaurant du Nord» in Chur.
An seinem ersten Arbeitstag als Commis de Cuisine im damaligen Hof Ragaz – der Kaderschmiede für Jungköche – habe er einen Kulturschock erlebt, wie er berichtet. «Ich habe die Lehre in einer, wie wir Rheintaler so schön sagen, Büezer Beiz gemacht, war dann anschliessend einige Zeit im Ausland und auf einmal stand ich in einer GaultMillau Küche – das sind einfach Welten!» Schnell hat sich der disziplinierte junge Mann vom Commis de Cuisine über den Sous-Chef bis zum 2. Küchenchef hochgearbeitet.
Vier Jahrzehnte ist das schon her. Heute ist Renato Wüst Executive Chef im Grand Resort Bad Ragaz – und damit der Chef von rund 80 Köchen. Mehr als 100 Lehrlinge haben bei ihm schon das Handwerk gelernt. Er selbst hat an namhaften Adressen der Hotellerie sein Können verfeinert, darunter der Bayrische Hof in München, das Burj Al Arab in Dubai und das Peninsula in Hongkong und Bangkok.
Der Dienstälteste im Resort
Mit seinem 40-jährigen Jubiläum im Grand Resort Bad Ragaz ist Renato Wüst klarer Spitzenreiter in der aktuellen Loyalitätsskala – und dies, obwohl rund 20 Prozent der Angestellten schon länger als ein Jahrzehnt für das renommierte Wellbeing und Medical Health Resort arbeiten. «Geplant war das nie – eigentlich wollte ich irgendwann einmal ein eigenes Restaurant eröffnen. Aber ich erhielt hier so viel Narrenfreiheit, dass mir nie langweilig wurde» erzählt der 58-Jährige, der zwischen seinen Küchen immer fix mit dem Kick-Board unterwegs ist. «Sonst wäre ich verloren.»
Der Rheintaler ist seiner Zeit gerne voraus, auch wenn es nicht immer ganz einfach ist: «Es kommt natürlich vor, dass ich schräg angeschaut werde.» Ein Beispiel: «Drei Monate vor der Eröffnung eines «Körnlipicker» Restaurants habe ich alles über den Haufen geworfen und ein asiatisches Restaurant – das heutige «Namun» - daraus gemacht.» Da hat wohl nicht nur der damalige CEO des Hotels den Kopf geschüttelt. Wüst sollte jedoch recht behalten: Das «Namun» gehört heute zu den beliebtesten Restaurants der Resort-Gäste.
Vier bis fünf Stunden Schlaf am Tag reichen
Neben dem «Namun» war er auch federführend bei den Konzepten weiterer fünf Restaurants im Hotelkomplex. «Wenn eine Idee in meinen Kopf schiesst, dann will ich sie verwirklichen», sagt er. Dasselbe gilt auch für Gästewünsche. Er habe schon innerhalb von vier Stunden ein ganzes Schaf für ein Barbecue «grillfertig» gemacht, Guetzli aus Paris organisiert und zwei Mal am Tag Sieben-Gang-Menüs für royale Delegationen gekocht.
«Zum Glück brauche ich nicht mehr als vier bis fünf Stunden Schlaf!» Sonst hätte der Tag deutlich zu wenige Stunden. Job, Ehefrau, Tochter - und eine Reihe ehrenamtlicher Posten: Das alles prägt Renato Wüsts Alltag. Es wird auch nicht weniger, denn seit zwei Jahren sitzt er auch noch im Gemeinderat von Bad Ragaz. «Ich möchte in der Pension noch eine Aufgabe haben», betont er. Dass der Terminkalender in naher Zukunft leerer wird, ist also erst einmal nicht abzusehen. (htr/og)