Peter Bichsel hielt am 24. Oktober 1987 in Bern die Diplomrede für den 13. Lehrgang des damaligen Unternehmerseminars (heute Nachdiplomstudium HF Hotelmanagement). Der Solothurner Schriftsteller gratulierte den Absolventen und gab ihnen Glückwünsche, aber auch Nachdenkliches zur Rolle ihres zukünftigen Berufs mit auf den Weg. Nach Bichsels Tod liess Beat Krippendorf, ehemaliger Leiter Unternehmensbildung von HotellerieSuisse und heute Ehrenpräsident bei Swiss Quality Hotels International, der htr hotelrevue das Manuskript der Rede zukommen.
Seit der Diplomrede sind knapp 40 Jahre vergangen, aber Bichsels Worte sind heute genauso aktuell wie damals. Wenn der grosse Schriftsteller über Gastfreundschaft nachdenkt, ihre Rolle in unserer Kultur und unserer Gemeinschaft, wenn er über den kommerziellen Aspekt sinniert, dann animiert er hoffentlich auch uns zum Nachdenken. Letztlich mahnt er uns, den Wert menschlicher Begegnungen und die Verantwortung, die mit dem Gastgewerbe einhergeht, nicht aus den Augen zu verlieren.
Politisch in der Sozialdemokratie beheimatet, weiss Bichsel um die harte Arbeit, die hinter dem freundlichen Lächeln steht, und drückt seine Wertschätzung aus für die Menschen, die sie leisten:
Peter Bichsel liebte die Gastwirtschaft. «Ich bin gerne Gast», sagt er. Seine Stammbeiz war über viele Jahre die älteste Genossenschaftsbeiz der Schweiz, das Restaurant Kreuz in Solothurn, später das Restaurant Vini. «Nun bin ich wirklich einer, der ohne Wirtschaften, ohne die Beiz, nicht leben kann. Ich benütze sie nicht, um Hunger und Durst zu stillen, auch nicht immer, um Leute zu treffen – ich mag, im Unterschied zu Ihnen, leere Lokale sogar – ich benütze sie ganz einfach um irgendwo zu sein. Dieses Land «Irgendwo» erahne ich in der Beiz, dort bin ich fremd und Gast zugleich – ein Stück Fremde in der Heimat, wenn ich in Solothurn bin, und ein Stück Heimat in der Fremde, wenn ich auswärts bin.»
Heimat, Fremde, Gastfreundschaft und das Gastsein waren Themen, die Bichsel lebenslang begleitet haben.
Bichsel hob hervor, dass das Schweizer Gastgewerbe trotz seiner wirtschaftlichen Bedeutung und kulturellen Verwurzelung einem Wandel unterworfen ist, der die Traditionen gefährden könnte, die es gross und angesehen gemacht haben.
Bichsel schloss mit einem Appell an die Absolventinnen und Absolventen: «Seien Sie nett mit Ihren Gästen, damit Sie es sich leisten können, mit mir nett zu sein.» Er betonte, dass ihre Fähigkeit zur Freundlichkeit und ihr respektvoller Umgang mit Gästen und Mitarbeitenden für den langfristigen Erfolg ihres Gewerbes entscheidend seien, und wünschte ihnen abschliessend viel Erfolg in ihrem Beruf.
Peter Bichsel ist am 15. März gestorben, wenige Tage vor seinem 90. Geburtstag.