Die Resultate aus der Forschung sind klar: Diversität und Inklusion lohnen sich für Unternehmen. «Im Produktionsbereich mit inklusivem Klima werden mehr Ideen zur Produktionsverbesserung generiert – insbesondere in Teams, in denen auch Menschen mit Behinderungen arbeiten», sagt Christoph Breier vom Center for Disability und Integration (CDI) an der Universität St. Gallen. «Zudem stärkt Inklusion die Reputation eines Unternehmens.» Insbesondere dort, wo viel Kundenkontakt stattfindet. «Im Hotel- und Gaststättenbereich gibt es viele Interaktionen mit Kunden – die Inklusion wird hier von aussen stark wahrgenommen.» Dennoch sind die Vorbehalte gross, Menschen mit Behinderungen anzustellen. Dies ist historisch gewachsen. «Das hat damit zu tun, dass Menschen früher viel stärker gängigen Normen hinsichtlich körperlicher oder psychischer Merkmale entsprechen mussten. Behinderungen wurden als abnormal oder wertlos empfunden», sagt Breier. Wer nicht arbeiten konnte, wurde als Belastung empfunden. Heute ist die Arbeitswelt eine andere, die technischen Mittel entwickeln sich rasant.
Aber: «Die Gestaltung von Inklusion am Arbeitsplatz funktioniert nur mit Einbezug der Menschen mit Behinderungen.» Abläufe und Arbeitsplatz können heute viel leichter entsprechend eingerichtet und organisiert werden. Um die Inklusion zu fördern, hat das CDI mit dem Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen das Projekt Inclusion Champions Switzerland ins Leben gerufen. Das CDI arbeitet gemeinsam mit vier grossen Projektpartnern aus der Wirtschaft daran, ihre Arbeitswelt inklusiv zu gestalten. Die Erkenntnis: Wichtig für eine erfolgreiche Inklusion sind ein stärkenbasierter Ansatz – also die Fokussierung auf Ressourcen und nicht auf Defizite –, eine systematische und strategische Vorgehensweise sowie die Erhebung von Daten. «Anhand dieser können wir erkennen, wo Handlungsbedarf besteht.» Oft steht am Anfang der Zusammenarbeit mit einem Betrieb die Sensibilisierung der Mitarbeitenden, danach folgt der Abbau von bewussten und unbewussten Vorurteilen – sodass die Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung als normal und gleichwertig empfunden werden.
Im Gastgewerbe gibtsviel Luft nach oben
Rund 20 Prozent der Schweizer Bevölkerung leben mit einer Behinderung, das sind 1,8 Millionen Menschen. Gut70 Prozent von ihnen gehen einer Erwerbstätigkeit nach, bei der restlichen Bevölkerung sind es 87 Prozent. Eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz und des Bundesamtes für Sozialversicherungen zur Beschäftigungssituation von Personen mit Behinderungen im ersten Arbeitsmarkt hat gezeigt, dass der Anteil an Angestellten mit Behinderungen im Gastgewerbe bei 0,6 Prozent liegt, das ist o,2 Prozentpunkte tiefer als im gesamtschweizerischen Vergleich. 1,6 Prozent der Arbeitsplätze im Gastgewerbe wären für Mitarbeitende mit Behinderungen geeignet. Über alle Branchen hinweg haben 12 Prozent der Betriebe Erfahrung mit Mitarbeitenden mit Behinderungen gemacht, im Gastgewerbe nur 7 Prozent.
Es gibt viele potenzielle Mitarbeitende, die schlicht übersehen werden. (Lena Pescia, Dozentin am Institut für Tourismus und Freizeit an der FHGR)
Hotellerie und Gastronomie schöpfen ihr Potenzial also nicht aus, wie die Zahlen zeigen. Obwohl die Branche viele Vorteile bietet. «Die kulturelle Vielfalt und die Diversität sind in der Branche gross, und es gibt vielfältige Einsatzmöglichkeiten», sagt Lena Pescia. Die Dozentin am Institut für Tourismus und Freizeit an der Fachhochschule Graubünden (FHGR) hat in ihrer Dissertation die Inklusion von Mitarbeitenden mit Behinderungen in der Schweizer Hotellerie untersucht und ein Konzept dazu entwickelt. Ihre wichtigste Erkenntnis: «Die Menschen mit Beeinträchtigung kommen meist via Jobvermittlung zu ihrem Job, nicht durch eine Stellenausschreibung. Die Berührungsängste und Vorbehalte scheinen noch zu gross.» In den Bewerbungsgesprächen tauche auch viel zu oft die Frage nach den Defiziten auf. «Was es braucht, sind Vermittlungsarbeit und Unterstützung, um Arbeitgeber und Arbeitnehmende zusammenzubringen.»
Mehr Zeit zum Einarbeiten, dann volle Leistung
Pescia hat festgestellt, dass viele Betriebe Mitarbeitende mit Behinderung zuerst aus sozial-moralischen Aspekten angestellt hätten. «Doch später waren es wirtschaftliche Gründe.» Es gibt auf dem Markt viele potenzielle Mitarbeitende, die schlicht übersehen werden. Gerade jetzt, mit dem Fachkräftemangel, ist das eine wichtige Erkenntnis. Ihre Untersuchungen haben gezeigt, dass es am Arbeitsplatz am Anfang manchmal Anpassungen braucht, was Zeit benötigt. «Danach bringen die Mitarbeitenden die erwartete Leistung.»
Es sei für die Hotelbetriebe oft nicht einfach, sich im Administrativen rund um die Anstellung zurechtzufinden. Wünschenswert wäre eine zentrale Stelle, die darauf spezialisiert ist. [RELATED]
Mit Sensibilisierung und indem man gute Beispiele zeige, könne man die Inklusion vorantreiben. Vorbilder gibt es schweizweit einige, es könnten aber noch mehr sein.