Berno Stoffel, viele Bergbahnen beklagen einen schlechten Sommer. Aber sind sie nicht seit je vom Wetter abhängig?
Ein paar Tage schlechtes Wetter können die Bergbahnen gut verkraften. Wenn das Sommergeschäft jedoch überhaupt nicht in Fahrt kommt, wirkt sich das negativ auf die Frequenzen und Umsätze aus. Zudem fehlt wegen Corona noch immer ein Grossteil der internationalen Gäste. So war es bisher wirklich ein Sommer zum Vergessen.
Manche Bahnen sprechen von Verdrängungskampf. Sind die mit den grössten Werbebudgets im Vorteil?
In der Corona-Krise ist der touristische Markt stark geschrumpft, die Anzahl der Marktteilnehmer blieb indessen gleich. Dies führt zu erhöhter Konkurrenz und der Druck auf alle steigt. Konkret: Jetzt bearbeiten auch grosse Bergbahnen aktiv die Märkte, die vor der Krise mittleren Bahnen vorbehalten waren. Da bei grossen Destinationen Angebot, Promotionskraft wie auch Werbebudget viel höher sind, können sie eine grössere Wirkung erzielen.
Bergbahnen mit neuen innovativen Produkten – auch im Kulinarikbereich – stehen besser da. Sind die anderen zu träge?
So einfach ist es nicht. Die Besitzverhältnisse, die Unternehmensstrukturen und die finanzielle Situation müssen es erlauben, in die Gastronomie am Berg einzusteigen. Wichtig ist zudem das gastronomische Knowhow. Einen Gastronomiebetrieb am Berg rentabel zu führen ist aus logistischen Gründen viel herausfordernder und komplexer als in einem Dorf oder einer Stadt. Man muss anders rechnen und investieren.
Ein schlechtes Sommergeschäft beeinflusst unmittelbar die Liquidität der Bergbahnen. Wie wichtig sind Corona-Hilfsgelder und Bundesmassnahmen?
Die allermeisten Destinationen haben bereits eine durchzogene Wintersaison hinter sich. Bei den meisten Bergbahnen spitzt sich die finanzielle Situation vor Verkaufsbeginn der Saison- und Jahreskarten im Herbst jeweils zu. Ein gutes Sommergeschäft hilft, die Situation zu beruhigen. Dies ist jetzt nicht eingetreten und so hat sich die Situation nochmals verschärft, und viele Bergbahnen müssen Lösungen für die kurzfristige Liquidität finden. Die in Aussicht gestellten kantonalen Corona-Hilfsgelder und Bundesmassnahmen sind zwingend notwendig und müssen fliessen, damit die Bergbahnen jetzt über die Runden kommen.
Manche Bergbahnen beklagen, dass die zunehmende Regulierung Projekte verteuert und verlangsamt und zeitnahes Reagieren auf neue Marktverhältnisse praktisch unmöglich wird.
Diese Tendenz stellen wir fest, und sie beschäftigt uns sehr. Die zunehmende Regulierung verlängert und verteuert Planungskosten massiv – nicht nur bei neuen innovativen Projekten. Die Regulierungen und Nachweispflichten für Ersatzinvestitionen sind hoch und beeinflussen selbst kleine, oft nicht relevante Details. Mittlere und kleinere Unternehmen kommen da ressourcenmässig an ihre Grenzen. [RELATED]
Viele Bergbahnen schieben ihre Investitionen auf. Ist die Investitions- und Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz gefährdet?
Mit der Corona-Krise ist die Eigenkapitalquote der Bergbahnen stark gesunken, geplante Finanzierungsmodelle für künftige Investitionen funktionieren nicht mehr. Die Erholung des internationalen Reiseverkehrs wird länger dauern als ursprünglich angenommen und die Finanzpläne müssen angepasst werden. Notgedrungen werden nicht sicherheitsrelevante Investitionen nach hinten verschoben. Damit büssen die Bergbahnen an Wettbewerbsfähigkeit ein im Vergleich zu den Nachbarländern.
Braucht die Schweiz so grosszügige Investitionshilfen wie im Ausland?
Die Schweiz braucht jetzt ein starkes Impulsprogramm für touristische Infrastruktur, um die Wettbewerbsfähigkeit zu bewahren. Die EU investiert über 800 Milliarden Euro in ein befristetes Aufbauinstrument, um die unmittelbar Corona bedingten Schäden für Wirtschaft und Gesellschaft abzufedern.