Im Tourismus sprechen wir von Erlebnissen, Träumen und Emotionen. Deutlich weniger attraktiv klingen hingegen Begriffe wie Datenanalyse und Statistik, aber genau darauf müssen wir künftig einen verstärkten Fokus richten. Im heutigen digitalen Zeitalter, in dem Themen wie Big Data und künstliche Intelligenz an der Tagesordnung sind, bedarf es auch im Tourismus einer Steigerung der Messbarkeit.

Traditionellerweise werden die touristischen Leistungen an quantitativen Indikatoren wie Übernachtungs- und Gästezahlen gemessen. Der Beherbergungsstatistik (Hesta) des Bundesamts für Statistik ist zu entnehmen, in welcher Destination Gast X vor zwei Monaten drei Nächte in einem Bett geschlafen hat. In einem Hotelbett notabene, denn die Übernachtungszahlen von Ferienwohnungen, Gruppenunterkünften oder Hostels werden in der Statistik nicht erfasst. Im Bereich Tagestourismus ist die Datenerhebung noch dünner – beziehungsweise nicht existent. Seit 90 Jahren misst das Bundesamt für Statistik die Logiernächte im Schweizer Tourismus. Seit 90 Jahren treten wir an Ort. Vielleicht ist hier ein Richtungswechsel angebracht.

Jeder touristische Leistungspartner erntet die Daten seiner Gäste in seinem eigenen Garten – nach seinem Gusto beziehungsweise soweit es sein Buchungssystem zulässt. Beim Blick über den Gartenzaun wird die Datengrundlage jedoch sehr schnell dünn, denn es gibt keine schnell verfügbaren Daten und erst recht keine zukunftsgesicherten Daten auf nationaler Ebene. Hier befindet sich die Tourismusbranche im Hintertreffen und hinkt anderen Industrien deutlich hinterher. Schweiz Tourismus bringt mit dem Tourismusmonitor zwar umfassende Informationen zu unseren Gästen aufs Tableau, doch aufgrund der aufwendigen Datenbeschaffung ist die Erhebung leider nicht aktuell. In der globalisierten Zeit von heute sind vierjährige Daten der oft erwähnte Schnee von gestern.

Im Bereich Tagestourismus ist die Datenerhebung nicht existent.

Zwei Fragen stehen für mich bezüglich der touristischen Messbarkeit im Zentrum: Welche Zahlen und Daten nutzen wir künftig gemeinsam als Branche? Und wie können wir diese Daten zeitnah erheben, auswerten und der Tourismusbranche zur Verfügung stellen? Dabei geht es nicht bloss um Zahlen aus ein paar einzelnen Gärtchen, sondern um aussagekräftige Daten der gesamten Schweizer Tourismuslandschaft. In dieser Hinsicht muss die Branche professioneller werden und messbare Daten in Echtzeit – oder nahe dran – zur Verfügung haben. Je besser wir unsere Gäste kennen, ihre Bedürfnisse, ihr Buchungs- und Reiseverhalten und ihre Rahmenbedingungen, desto gezielter schaffen wir Träume und Emotionen.

Wir brauchen im Tourismus also eine gute nationale Datengrundlage, die wir als Branche gemeinsam erheben und nutzen und die uns in nützlicher Frist zur Verfügung steht. Es ist unbestritten, dass dies in einer so fragmentierten und heterogenen Branche wie der unseren ein äusserst komplexes Unterfangen ist. Einzelne Vertreterinnen und Vertreter aus Tourismus, Politik, Wirtschaft oder dem Bildungswesen können den Ball zwar ins Rollen bringen, das Spiel müssen wir aber alle gemeinsam bestreiten. 

Am VSTM-Managementseminar vom 5. bis 7. November wird das Thema «Messbarkeit im Tourismus» eingehend hinterfragt und mit verschiedenen Experten diskutiert.

Jan Steiner ist Vorsitzender Geschäftsleitung Engadin Tourismus.