Gemeinsam mit den Studienpartnern Kohl & Partner, dem Europäischen Tourismus Institut (ETI) und ProjectM hat Saint Elmo’s Tourismusmarketing in den vergangenen Wochen die mehrdimensionale «Zukunftsstudie Wintertourismus» durchgeführt. Befragt wurden zum einen potenzielle Gäste aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Belgien, Tschechien und Polen. Zum anderen gaben Gastgeber in Ferienregionen sowie Destinationen, Regionen und Orte in Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz Auskunft.
Kohl & Partner
Kohl & Partner (Schweiz) AG mit Sitz in Zürich und Lausanne ist ein unabhängiges Consultingunternehmen – spezialisiert in die Beratung von Hotellerie & Gastronomie, Tourismusdestinationen und Tourismusinfrastrukturen. Die Beratungsunternehmung begleitet nationale und internationale Kunden bei der Verwirklichung ihrer Geschäftsideen und betriebswirtschaftlichen Ziele. Dank des Netzwerks und mehr als 35 Jahren Erfahrung in der Beratung ist der Zugang zu internationalem Fachwissen gewährleistet. Kohl & Partner ist in insgesamt 4 Ländern mit 7 Geschäftsstellen tätig. Ein Team von rund 40 Beratern setzt sich für die qualitative Weiterentwicklung seiner Kunden im Tourismus ein.
Bei einer digitalen Konferenz am 5. Oktober 2020 wurden die ersten Zwischenergebnisse der umfassenden Studie präsentiert und in einer Expertenrunde mit führenden Vertretern der Tourismusbranche im Alpenraum relevante Erkenntnisse abgeleitet. An der digitalen Konferenz nahmen über 430 ZuhörerInnen teil. Als Keynote Speaker war Andreas Reiter vom Zukunftsbüro Wien anwesend, der die Top Trends im ersten Winter der Pandemie vorstellte und anschliessend gemeinsam mit Martin Schobert, Saint Elmo’s Tourismusmarketing Wien, die Veranstaltung moderierte.
Buchungsabsicht bei Gästen hoch
Aus Perspektive der Gäste ergab die Studie interessante Erkenntnisse zu Reiseabsichten und -anforderungen. So sind die aktuellen Buchungen derzeit noch gering, die Buchungsabsicht jedoch relativ hoch. Mit 26 Prozent sind die 18-29-Jährigen die grösste Gruppe, die im Winter verreisen möchte, aber bisher noch nichts Konkretes geplant hat.
Bei den 60-69-jährigen liegt die Bereitschaft hingegen nur bei 10 Prozent. Bereits gebucht haben mit 4,7 Prozent wiederum am häufigsten die 18-29-jährigen. Neben Skifahren spielen in der kommenden Wintersaison vor allem sanfte Bewegungsformen eine grosse Rolle, wie Winterwandern, Rodeln oder Eislaufen. Martin Schobert brachte dies mit den Worten «Nature Pleasure vor Socio Pleasure» auf den Punkt.
Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen wichtiges Kriterium
Eine überdurchschnittlich grosse Rolle bei der Buchungsentscheidung spielen die getroffenen Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen im Zielgebiet. Dass ihnen diese sehr wichtig bzw. wichtig sind geben 69,9 Prozent der Befragten in Italien an.
An zweiter Stelle liegen hier die befragten Deutschen mit 64,3 Prozent. Mit 39,6 Prozent legen die befragten Tschechen am wenigsten Wert auf Hygiene- und Sicherheitsmassnahmen. Österreich und die Schweiz liegen mit 61,8 Prozent bzw. 50,7 Prozent im Mittelfeld.
Dieses Ergebnis bestätigt auch Marco Pappalardo von Dolomiti Superski in der darauf folgenden Expertenrunde: «Italien hat im März und April besonders gelitten, daher sind die Massnahmen hier strenger und die Italiener haben ein noch höheres Sicherheitsbedürfnis. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen und entsprechend umsetzen.»
Zusammen mit ihm diskutierten Sandra Zenhäusern (Zermatt Bergbahnen), Petra Nocker-Schwarzenbacher (Hotel und Landgasthof Brückenwirt, St. Johann), Erwin Berger (Mountain Resort Feuerberg Gerlitzen Alpe), Mathias Schattleitner (Schladming-Dachstein Tourismusmarketing), Thorsten Rudolph (Hochschwarzwald Tourismus), Julian Pape (Wintersportarena Sauerland) und Harald Gmeiner (Alpenregion Tegernsee Schliersee) die Ergebnisse der Studie. Via Chatfunktion konnten sich auch die ZuhörerInnen virtuell einbringen und mitdiskutieren.
Verschiedene Marktforschungs-Methoden
Die Zukunftsstudie Wintertourismus kombinierte unterschiedliche Marktforschungs-Methoden. So wurde die Sicht der Gäste über eine Repräsentativbefragung sowie in einer Special Interest Befragung (NPS) in Zusammenarbeit mit Ski-Medien, Wetter- und Reiseplattformen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, den Niederlanden, Belgien, Tschechien und Polen im September 2020 erhoben. Insgesamt wurden hier 8100 Endverbraucher befragt. Die Sicht der Gastgeber aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz zeigt das Kohl & Partner-Stimmungsbarometer mit insgesamt 575 beantworteten Fragebögen. Die Sicht der Marketingorganisationen zeigt auf, welche Märkte und Zielgruppen Perspektiven und Chancen für den Wintertourismus bieten. Weitere Erhebungsformen waren eine H-Benchmark Destinationsanalyse mit Echtdaten-Vergleich sowie eine Delphi Befragung interessierter TouristikerInnen und ExpertInnen.
Gastgeber-Perspektive: Viele Stammgäste sind ein Vorteil
Das Stimmungsbarometer der Gastgeber – befragt wurden ausschliesslich Betriebe in Ferienregionen, keine Stadt- und Kongresshotels – erlaubt folgende Schlüsse: Aktuell liegt der Buchungsstand für die Wintersaison bei einem Drittel im Vergleich zum Vorjahr. Die Befragung ergab, dass ein hoher Stammgastanteil von Vorteil für die Betriebe ist. Sicherheit und Vertrauen sind in der aktuellen Situation ausschlaggebend. Die Buchungen erfolgen extrem kurzfristig, die Gäste verhalten sich abwartend.
Die Herausforderungen und Sorgen, die die Betriebe am meisten umtreiben, sind an erster Stelle die Grenzöffnungen (56,9 Prozent), gefolgt von Infektionen im eigenen Betrieb (50,5 Prozent). Die finanzielle Situation liegt mit 33,2 Prozent an vierter Stelle.
Hygiene- und Sicherheitskonzept prioritär
Aus gegebenem Anlass bereiten sich die Betriebe daher mit besonderen Massnahmen auf die kommende Wintersaison vor. Ein individuelles Hygiene- und Sicherheitskonzept liegt hier mit 61,5 Prozent an erster Stelle der Massnahmen. 28,2 Prozent führen verstärke Covid-19-Testungen bei den MitarbeiterInnen durch, 25,4 Prozent intensivieren die Schulung ihrer MitarbeiterInnen. Immerhin 32,3 Prozent der befragten Betriebe geben an, keine speziellen Massnahmen zu ergreifen und so weitermachen zu wollen, wie bisher.
Bei näherer Betrachtung der Zahlen ergibt die Befragung, dass Betriebe, die schon in der Sommersaison geöffnet hatten bzw. haben, sich bereits intensiver mit strategischen Fragen beschäftigen. Hotels, die erst zur Wintersaison eröffnen, sind wesentlich stärker mit operativen Themen wie der Einführung der Sicherheits- und Hygienemassnahmen, rechtlichen Rahmenbedingungen und Mitarbeiterschulung ausgelastet.
Insgesamt gelte es, «Mut zum Preis» zu zeigen und sich nicht durch die kurzfristigen Gästebuchungen und die daher unsichere Planbarkeit zu Niedrigpreisen verleiten zu lassen. Die Leistung in den Vordergrund zu stellen, aktiv und klar zu kommunizieren, Stammgäste verstärkt anzusprechen, da es am Stammgastmarkt weniger Kannibalisierung gibt und sich nicht automatisch auf Revenue- und Yield-Management-Systeme zu verlassen gehören ebenso zu den Aufgaben, wie auch die strategische Weiterentwicklung mit einer klaren Positionierung und Differenzierung, um das Vertrauen des Gastes zu gewinnen. Denn – und hier war sich die Expertenrunde einig – Vertrauen stelle die neue Gästewährung dar.
Destinations-Perspektive: Reisebudget bei den meisten Befragten nicht geschrumpft
Interessant für die Destinationen, Regionen und Urlaubsorte sind die Erkenntnisse der Befragung zum Thema Reisebudget. Nur bei insgesamt 9,8 Prozent der Befragten liegt das Budget niedriger oder viel niedriger im Vergleich zum Vorjahr. Bei weit über der Hälfte (59,1 Prozent) ist das Budget auf einem ähnlichen Stand. 25 Prozent haben sogar mehr oder deutlich mehr Budget zur Verfügung, da weniger Städtereisen und Kurztrips durchgeführt wurden und Fernreisen nahezu vollständig weggefallen sind.
Im Ländervergleich in absoluten Zahlen liegt das Durchschnittsbudget für eine Woche Winterurlaub in den Bergen bei den Befragten in den Niederlanden bei 2009 Euro, die damit Spitzenreiter sind. Über das niedrigste Reisebudget verfügen die UmfrageteilnehmerInnen in Polen mit durchschnittlich 1165 Euro.
«Tourismusmarketing wird sich radikal verändern»
Karin Niederer von Kohl & Partner ist sich sicher: «Tourismusmarketing wird sich radikal verändern. In Zukunft wird bis zum letzten Skitag um jeden Gast aktiv geworben und die Vorteile und Mehrwerte aus Gastsicht klar kommuniziert werden müssen.»
Aus der in der gestrigen Konferenz entstandenen Thesen, Meinungen und Erkenntnissen werden Digital-, Media- und Tourismus-ExpertInnen in der Folge kommentierte Handlungsempfehlungen ableiten, welche in die Studie integriert werden. Die gesamte Studie kann unter info@eti-institut.de bestellt werden. (htr)