Es geht um Fachkräfte aus Drittstaaten und gesunden Menschenverstand. Es geht um ein paar Hundert junge, hochqualifizierte Frauen und Männer, die einige Jahre nach Abschluss ihrer Ausbildung bei uns arbeiten könnten. Sie haben mit Erfolg unsere Hochschulen besucht. Oder sie haben einen Studiengang in einer höheren Fachschule absolviert, wie die Schweiz viele kennt und für welche unser Land – besonders im Bereich Hospitality und Tourismus – bekannt ist. [RELATED]
Diese potenziellen Fachkräfte, an denen es der gesamten Wirtschaft so stark fehlt, sind gut integriert, kennen unsere Werte und schätzen sie. Sie stellen eine Chance für die Zukunft des Standorts Schweiz dar, weil sie hochproduktiv sind und später den Ruf der Schweiz weitertragen werden, sei es in ihrem Heimatland oder wo immer in der Welt sie ihre Karriere fortsetzen werden.
Heute stehen sie zumeist vor verschlossenen Türen. Das liegt an den restriktiven Vorgaben des Ausländer- und Integrationsgesetzes (AIG). Eine Motion, die vor vier Jahren mit grossem Mehr von beiden Räten angenommen wurde, will dies ändern. Der Bundesrat hat entsprechend eine Gesetzesänderung vorbereitet. Der Nationalrat hat sie auf alle Absolventinnen und Absolventen der Tertiärstufe, also auch jene der höheren Berufsbildung, sowie auf Postdoktorandinnen und -doktoranden erweitert.
Und jetzt blockiert die staatspolitische Kommission des Ständerates (SPK-S) das Vorgehen. Sie will nichts davon wissen. «Kein Handlungsbedarf!», findet sie. Einfach nicht eintreten, empfiehlt sie ihrem Rat für diese Sommersession und ignoriert damit, was die Wirtschaft zurzeit am meisten beschäftigt. Die Mehrheit der Kommission ist der Meinung, dass der vereinfachte Zugang zum Arbeitsmarkt für Drittstaatenangehörige mit Schweizer Tertiärabschluss verfassungswidrig ist. Er verstosse prinzipiell gegen den Volkswillen und die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, denn er ermögliche eine erleichterte Einwanderung ausserhalb der Kontingente. Diese Kontingente seien aktuell nicht ausgeschöpft.
Der Ständerat muss volkswirtschaftliche Verantwortung übernehmen.
Christophe Hans, Leiter Public Affairs HotellerieSuisse
Aus Sicht des Bundesrates würde die neue Regelung jedoch keine Masseneinwanderung auslösen: Es geht um höchstens 500 bis 700 Bewilligungen pro Jahr, eine Zahl, die für die Justizministerin «vertretbar» ist. Zudem hat das Parlament schon ein Dutzend andere Ausnahmen bewilligt. Es stimmt zwar, dass die Kontingente bis Oktober 2022 nur zu 75 Prozent (Bewilligung B) und 68 Prozent (L) ausgeschöpft wurden. Laut dem Staatssekretariat für Migration liegt der Grund für 2021 und 2022 in der Pandemie. Ein temporärer Effekt also.
Für HotellerieSuisse sind die Argumente der SPK-S in Zeiten des Fachkräftemangels nicht verständlich. Mit einer breiten Allianz aus der Welt der höheren Fachschulen, des Tourismus und dem Gewerbe hat sich der Verband beim Nationalrat stark für eine Gleichbehandlung der Hochschulen und der höheren Berufsbildung eingesetzt. Es widerspricht der Realität, wenn der Bundesrat davon ausgeht, beim Fachkräftemangel ginge es nur um Absolventinnen und Absolventen der Hochschulen. Auch aus bildungspolitischen Gründen ist es nicht akzeptabel, die höhere Berufsbildung komplett auszublenden.
Die Schweiz kann nicht die Gleichwertigkeit der Bildungswege in der Bundesverfassung verankern und dann die Verfahren ungleich gestalten. Die höhere Berufsbildung verdient mehr. Umso dankbarer war die Allianz, als der Nationalrat ihren Argumenten folgte. Der Entscheid der SPK-S ist daher in jeder Hinsicht ein Rückschlag und muss unbedingt korrigiert werden. Der Ständerat muss volkswirtschaftliche Verantwortung übernehmen. Talente «made in Switzerland» müssen ihren Beitrag zur Zukunft unseres Landes leisten dürfen. Was sind ein paar Hundert von ihnen im Vergleich zu den 5,2 Millionen Erwerbstätigen in der Schweiz? Ein Tropfen Gold, der die Schweiz stärker macht.