«Du bist echt gut drauf» – «Jetzt gehts ans Eingemachte» – «Der langweilige Teil ist schon durch» – «Ready?»: So heisst es unter anderem in einem Fragespiel im Stil eines psychologischen Tests der Krafft Gruppe. Zu dieser gehören das gleichnamige Hotel, das «Nomad» und Gastrobetriebe im Basel.
Es gilt, ein paar Fragen zu beantworten: Welches Tier wärst du? Was machst du, wenn alle Gäste gleichzeitig nach dir rufen? Und: «In dieser Sauce würdest du schwimmen.» Wer sich durch die mit Emojis dekorierten Fragen auf der Karriereseite der Website der Gruppe klickt, erhält am Ende eine Einschätzung, zu welchem der Betriebe er wohl am ehesten passt.
Fit für Fachkräfte
Der Fachkräftemangel in der Gastro- und Beherbergungsbranche hat sich während der Pandemie akut verschärft. In einer losen Artikelserie beleuchtet die htr hotelrevue das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven und zeigt verschiedene Ansätze auf, wie die Branche das Problem angeht. Ganz nach dem Motto: Fit für Fachkräfte.
«Mit einem Augenzwinkern wollen wir den verstaubten Bewerbungsprozess bewusst auflockern», sagt Eldar Hernández, verantwortlich fürs Marketing bei der Krafft Gruppe. Seit Ende November ist das Spiel online. Die Krafft Gruppe hat es mit einer Social- Media-Kampagne, einem Print-Inserat, auf der Job-Website und per Newsletter bekannt gemacht und an Jobmessen sowie am Career Day der Hotelfachschule SHL präsentiert.
Mögliche neue Mitarbeitende als Kunden betrachten
Der Fachkräftemangel zwingt Hotels dazu, bei der Personalrekrutierung neue Wege zu gehen. Die von der htr hotelrevue im Rahmen einer kurzen Umfrage kontaktierten Verantwortlichen fürs Recruiting sind sich einig: Wo doch Betriebe längst um die Gunst einer limitierten Anzahl von Bewerbenden buhlen, ist es zentral, dass sich Hotels durch geschicktes sogenanntes Employer Branding als attraktive Arbeitgeber profilieren.
Das könnte zunächst über soziale Medien geschehen. Beispiel 25 hours Hotels: Das mit zwei Zürcher Hotels in der Schweiz vertretene deutsche Unternehmen gewährt unter anderem auf Instagram mit dem Format «25 hours People» einen Blick hinter die Kulissen und zeigt damit, «wie es ist, bei uns zu arbeiten», so die HR-Verantwortliche Melanie Argast.
Mitarbeidende als Kunden
Employer Branding sei wichtig als Teil des Massnahmenmixes, betont Thomas Haase vom Dübendorfer Beratungsunternehmen HR-Campus. «Ein Unternehmen sollte aufzeigen, was das Haus speziell macht und womit es heraussticht – und dabei verschiedene Kanäle und Medien nutzen.» Damit könne man vielleicht auch jene erreichen, die gar nicht aktiv auf Stellensuche seien, sich mit dem aktuellen Arbeitgeber aber nicht oder nur wenig identifizierten.
Hotels betrachten auch die verschiedenen Elemente des Bewerbungsprozesses zunehmend als Begegnungspunkte mit den möglichen neuen Mitarbeitenden, die es bewusst zu gestalten gilt. «Ganz generell muss man heute eine authentische ‹Candidate Experience› bieten: die potenziellen Mitarbeitenden als Kunden betrachten, die man für sein Unternehmen gewinnen möchte», sagt Florian Senn, Head Recruiting SV Group. Konkret bedeute das unter anderem, dass man bereits in Stellenausschreibungen die Du-Form wähle, entsprechend der Du-Kultur des Unternehmens. Der Beziehungsaufbau sei zudem sehr wichtig und stehe bei einem ersten Gespräch im Vordergrund.
Schnelle Reaktion wichtig
Verantwortliche von 25 hours Hotels achten darauf, schnell zu antworten, wenn sich Kandidaten bewerben – per E-Mail oder auch per Telefon. «Wenn wir schnell reagieren, können mehr Einstellungen zustande kommen», sagt Argast. Auch wenn der Job nicht mehr vakant sei, gelte es, eine Rückmeldung zu geben. «Selbst wenn es nicht zu einem Gespräch kommt, bleiben wir so in Erinnerung.»
Arbeitnehmende müssen das attraktive Klima und die Bedingungen tatsächlich vorfinden, die Hotels in Aussicht stellen. So etwa im Fall der Krafft Gruppe. Sie garantiert temporären Mitarbeitenden des saisonal konstant gut ausgelasteten Krafft Hotels im Sommer die Einsätze. Und bietet unbefristeten Angestellten die 4-Tage-Woche an.
Auch durch Offenheit und Flexibilität versuchen Hotels, Stellen einfacher besetzen zu können. Laut Senn von der SV Group ist das Unternehmen offen für ungewöhnliche Lebensläufe: Man folge nicht mehr starr einem Anforderungsprofil – um nicht geeignete Menschen zu übersehen. Ein Quereinsteigerprogramm als Teil der Arbeitsmarktstrategie sei in Arbeit.
Neuen Job geschaffen, der besser auf Bewerber passte
«Wir schaffen einen neuen Job, wenn wir sehen, dass ein Kandidat zwar nicht auf das ausgeschriebene, dafür umso besser auf ein anderes Profil passt, das bislang bei uns noch nicht existiert», so Hernández von der Krafft Gruppe. Ein Beispiel: Jemand hatte sich als Chef de Rang beworben, im Gespräch haben sich dessen organisatorische Fähigkeiten gezeigt. So hat die Gruppe neu eine Stelle Food & Beverage Management geschaffen. «Wir wollen noch mehr auf den Menschen schauen.»
Entsprechend achten Hotels bei Inseraten darauf, Kandidatinnen und Kandidaten nicht mit einer langen Liste von Anforderungen förmlich zu erschlagen. «Konkret beschränken wir uns auf fünf Anforderungen und fünf Aufgaben. Früher waren es viel mehr», sagt Senn von der SV Group.[DOSSIER]
Sorgfältige Prüfung der Kandidatinnen und Kandidaten bleibt wichtig
HR-Experte Haase warnt allerdings davor, die Anforderungsschwelle zu senken und Herausforderungen der Stelle oder im Team zu beschönigen. Schliesslich sei Fluktuation immer teurer, als noch einen Monat länger auf die Stellenbesetzung zu warten. Als Beispiel aus seiner Beratungstätigkeit nennt Haase einen tüchtigen und geschätzten Abteilungsleiter, der aber einen eher militärischen Führungsstil pflegte. «Wir rieten zur Transparenz bereits im Bewerbungsprozess.»
Die befragten Hotels sehen diesbezüglich klar: Angestellte müssen ihre Aufgabe meistern können, ins Team und als Menschen zum Betrieb passen. Bei der Krafft Gruppe heisst das laut Hernández: «Wir fragen das Dossier ab, es gibt ein oder zwei Gespräche, die Person kommt zum Probearbeiten, und mittags essen wir alle, abteilungsübergreifend, gemeinsam an einem Tisch und lernen uns noch besser kennen.»
Denn so ganz spielerisch wie im lockeren Fragespiel geht es beim gesamten Recruiting selbst bei der Krafft Gruppe nicht zu und her. Allerdings hat es dem Unternehmen nach eigenen Angaben viel Aufmerksamkeit gebracht. Über 1700-mal haben sich User bislang bis zum Schluss durchgeklickt. Die Zahl der Bewerbungen habe sich seither im Vergleich zu Vorperioden verdoppelt. Das sei aber nicht mit der Zahl an Einstellungen gleichzusetzen.
Als Betrieb um Junge werben
Im Rahmen des NextGen.Hospitality Camp 2021 von HotellerieSuisse haben sich junge Teilnehmende damit auseinandergesetzt, wie Betriebe für Berufseinsteigende attraktiv werden können. In einem Folgeprojekt haben sie sich auch mit dem Thema Rekrutierung befasst. «Der Grundgedanke war, dass nicht nur wir uns beim Betrieb bewerben, sondern der Betrieb sich auch bei uns», sagt Lael Hänni, die zusammen mit anderen die Problemstellung bearbeitete. Junge Jobanwärter wollten auf zeitgemässen Kanälen von Jobmöglichkeiten erfahren, so etwa auf Linkedin, Tiktok oder Instagram. Und: «Das Gespräch sollte nicht 08/15 sein – es könnte zum Beispiel in einem Hotelzimmer oder im Restaurant stattfinden.» Wünschenswert sei zudem, dass auch das Team einbezogen werde, etwa in einer Vorstellungsrunde beim Kaffee. «Mitarbeitende sollten die Vakanzen im Betrieb kennen, wer eine erfolgreiche Rekrutierung vermittelt, erhält eine Belohnung», hat sich die Gruppe laut Hänni weiter überlegt. Und Betriebe könnten Bewerberinnen und Bewerber zum Essen oder gar Übernachten in den Betrieb einladen. Hotels sollten zudem die deklarierten Werte leben. ua
Tipps für besseres Recruiting
Das Portal Superhotelier.com gibt Tipps für ein erfolgreiches Recruiting in Zeiten des Fachräftemangels. Eine Auswahl:
Active Sourcing: Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber auf Job-Netzwerken wie Linkedin oder Xing aktiv ansprechen! Laut Superhotelier.com sind viele Mitarbeitende an neuen Jobangeboten interessiert.
Recruiting-Apps: Wie Tinder, aber mit Jobs: Kandidatinnen und Kandidaten swipen, um Interesse beziehungsweise Desinteresse an einem Job zu bekunden.
Guerilla-Recruiting: Ungewöhnliche Massnahmen ausserhalb der gängigen Norm erwecken mehr Aufmerksamkeit – rechtliche Grenzen beachten!
Talent-Pool: Wenn eine spontane Bewerbung auch gerade nicht passt: Es lohnt sich, interessante Dossiers unter Einhaltung des Datenschutzes zu sammeln.
Internes Recruiting: Viele Mitarbeitende wechseln den Arbeitgeber, weil sie keine Entwicklungsperspektive im Unternehmen sehen. Durch die Förderung der Mitarbeitenden können Betriebe wichtige Stellen einfacher besetzen und so auch das Personal motivieren. ua