Nadia Fontana Lupi, weshalb führen Sie das Seminar Next Gen Tourism Brainpool durch?
Ich und meine Tourismuskollegen möchten unsere Berufserfahrung an junge, motivierte Menschen weitergeben, damit sie als Tourismusmanager erfolgreich sein können.

Wer steht hinter der Initiative?

Das Team besteht aus sieben Personen, die über einen grossen Erfahrungsschatz im Tourismus verfügen. Wir kennen die Erwartungen, die an einen Tourismusdirektor gestellt werden. Es braucht viele Fähigkeiten und eine hohe Motivation.

Zur Person
Nadia Fontana Lupi ist nicht nur Direktorin der DMO Mendrisio, sondern auch eine Entwicklerin. Die 60-Jährige ist Gründungsmitglied der Arbeitsgruppe der Grand Tour of Switzerland. Sie war massgeblich an der Entwicklung des Projekts Albergo Diffuso Monte Generoso beteiligt und verantwortlich für die Kandidatur der Osterprozessionen von Mendrisio für das immaterielle Kulturerbe der Unesco. Seit 2019 ist sie Präsidentin des Dachverbands World Heritage Experience Switzerland. Die gebürtige Tessinerin verfügt über einen Master of Business Administration.

Warum ist jetzt der richtige Zeitpunkt – erwarten Sie einen Generationenwechsel?
Ja, viele DMO-Leiter in der Schweiz sind 55 Jahre und älter. Allein im Tessin stehen vier von fünf Direktoren wenige Jahre vor der Pensionierung. Aber das ist noch nicht alles.

Erzählen Sie.

Ich beobachte, dass es Direktoren gibt, die kurz nach ihrem Amtsantritt wieder gehen, weil sie mit einer zu komplexen Arbeitsrealität konfrontiert sind. Wir sehen zu viele Abgänge.

Was dürfen die Teilnehmenden vom Seminar erwarten?

Wir gehen davon aus, dass die Teilnehmenden des Seminars ein bestimmtes Ziel vor Augen haben. Wir wollen mit ihnen einen Arbeitsplan für die 12-monatige Einarbeitungszeit erstellen und für jeden Einzelfall herausarbeiten, welche Herausforderungen es gibt und welche Personen in den Destinationen einen wichtigen Beitrag zum Gelingen leisten können.

Was bringt die junge Generation mit, was Manager vor zehn Jahren noch nicht hatten?

Früher hatte der Geschäftsführer einer DMO nicht unbedingt einen Abschluss in Betriebswirtschaft, Marketing oder Kommunikation. Viele der heutigen Geschäftsführer wurden noch «on the job» ausgebildet und haben Erfahrungen aus erster Hand gesammelt.

Wo sehen Sie Defizite bei der neuen Generation?

Eine touristische Ausbildung ist unerlässlich, aber sie reicht heute nicht mehr aus. Man muss sich der Vielfalt der Aktivitäten bewusst sein, die man managen muss, um eine Destination oder ein touristisches Entwicklungsprojekt zum Erfolg zu führen.

Worauf ist zu achten?

Der Umfang und die Vielfalt der Themen sind enorm. Man darf nichts dem Zufall überlassen und den Zeitaufwand nicht unterschätzen. Leider hat man nicht mehr die Zeit, sich Schritt für Schritt einzuarbeiten, denn heute ist alles sehr schnelllebig, und wer bestehen will, muss sich flink zwischen Personalmanagement, Kommunikation, Projekten, Budgets, Gremien und Interessengruppen hin und her bewegen.

Welches sind die wichtigsten Eigenschaften eines Destinationsmanagers?
Es braucht Geduld, die Fähigkeit, zuzuhören und mit verschiedenen internen und externen Zielgruppen zu sprechen. Ein hohes Mass an Engagement und Zielstrebigkeit ist ebenfalls erforderlich. Gleichzeitig muss der Destinationsmanager das Team, die Bevölkerung, aber auch die Behörden und den eigenen Vorstand in seine Arbeit einbeziehen. Er muss also ein Netzwerk aufbauen und pflegen.

Man muss sich flink zwischen Personalmanagement, Kommunikation, Projekten, Budgets, Gremien und Interessengruppen hin und her bewegen.

Welches sind die häufigsten Fehler im Destinationsmanagement?
Wir sollten nicht von Fehlern sprechen. Jede Destination ist anders in Bezug auf Struktur, Organisation, Grösse, Politik, Budget. Die Herausforderung besteht darin, zu verstehen, wie man mit dem, was man hat, ein Ergebnis erzielen kann.

Wie bringt man Politik, Landwirtschaft, Leistungsträger und Private an einen Tisch und findet gute Lösungen, ohne dass sich jemand übervorteilt fühlt?

Vertrauen kann man durch konkrete Taten aufbauen: Ein DMO-Geschäftsführer sollte aktiv an Sitzungen teilnehmen, sich für Besprechungen zur Verfügung stellen und auch schwierige Themen ansprechen wollen, wobei er sich seiner Rolle und seines Handlungsspielraums bewusst sein muss.

Welche Führungs- und Verhandlungsformen sind erfolgreich?

Die Führung muss immer durchdacht und überlegt sein. Es braucht das nötige Interesse und die Sensibilität für die Destination und die Menschen, die dort leben und arbeiten. Zum Erfolg gelangt man jenseits aller Swot-Analysen. [RELATED]

Es gibt diverse Lehrgänge. Weshalb braucht es den Next Gen Tourism Brainpool trotzdem?

Schulen, so gut sie auch sein mögen, können nur einen Teil der Erfahrungen vermitteln, die mit dem Einstieg in den Beruf verbunden sind. Oft geht vergessen, dass eine DMO selten die Kontrolle über ein Produkt hat. Aber Touristiker können zum Wachstum der Partner beitragen, beispielsweise zur Gastfreundschaft der Leistungsträger, zur Entwicklung von Innovationen oder auch zur Aufwertung von lebendigen Traditionen und verankerten Besonderheiten, die eine Region ausmachen.

Können Sie Destinationen nennen, in denen der Generationenwechsel erfolgreich gelungen ist?

Aus der Ferne betrachtet hat in Basel ein grosser Wandel stattgefunden, als die Leitung vom langjährigen Direktor Daniel Egloff auf Letizia Elia überging. Ich glaube, dass Letizias Erfahrung bei Schweiz Tourismus ihr den Start erleichtert hat.

Next Gen Tourism Brainpool
Die Seminar-Referenten sind Manuela Angst, CEO Bern Welcome; Urs Wohler, Geschäftsführer Niesen-Bahn; Rafael Enzler, Präsident St. Gallen-Bodensee Tourismus; Matthias Straub-Fischer, Senior Consultant der Beratungsfirma 7 Generations; Bruno Fläcklin, ehemaliger Geschäftsleiter Lenzerheide Marketing und Support; Patrick Arn, Studienleiter Fachhochschule Graubünden; Nadia Fontana Lupi, Direktorin Mendrisiotto Turismo.

Das Seminar findet am 26. und 27. September in Magglingen statt.

nextgentourism.ch

Blanca Burri