Unser Zug tuckert durch die staubtrockene Landschaft zwischen Rabat und Fez, irgendwo im marokkanischen Niemandsland. Draussen ist es knapp 45 Grad, und die ramponierte Klimaanlage hat längst den Geist aufgegeben. Wir teilen unser Abteil mit sechs verschleierten Frauen und schwitzen um die Wette. Allen Widrigkeiten zum Trotz haben wir unser Lächeln nicht verloren und sprechen uns gegenseitig Mut zu.
Wieso wir gerade in diesem unmenschlichen Moment auf die Idee kommen, unsere Zugreise von Marokko bis in die Schweiz auszudehnen, steht in den Sternen. Als wir in Fez aus dem Zug steigen, steht der Entschluss trotzdem fest: Wir versuchen, per Zug von Marokko nach Bern zu reisen.
Highlight
Marokko eignet sich wunderbar für eine Reise mit dem öffentlichen Verkehr.
Missing
Für Individualreisende, die Europa mit dem Zug entdecken wollen, wäre eine länderübergreifende digitale Plattform zwingend.
Aufgefallen
In Sachen User Experience auf digitalen Kanälen hinken die Bahngesellschaften den Airlines weltweit massiv hinterher.
Geografisch stellt die Meerenge von Gibraltar das grösste Hindernis dar. Die Fähre zwischen Marokko und Spanien überbrückt dieses jedoch ohne Probleme. Auch die Zugtickets zwischen Fez und dem Hafen von Tanger lassen sich mit wenigen Mausklicks und für wenig Geld buchen. Wirklich interessant wird es, als wir uns bezüglich der Zugverbindungen weiter nördlich schlauzumachen versuchen.
Nachdem uns die Systeme der spanischen und der französischen Bahn keine Routen und Preise vorschlagen können, probieren wir es bei den SBB. Wir erhalten einen Vorschlag zwischen Bern und Barcelona. Leider nur in die falsche Richtung, mit unmöglichen Verbindungen in Frankreich, für rund 300 Franken pro Person.
Nachdem wir unseren Frust mit einem Tee runtergespült haben, versuchen wir uns via Reiseblogs über das Zugreisen in Europa zu informieren. Dabei stossen wir immer wieder auf zwei Lösungen: den Interrail-Pass sowie die unabhängige Plattform Omio.com. Ersteres ist preislich für unsere Route absolut uninteressant, Zweiteres kann keine Verbindungen zwischen Málaga und Bern finden, obwohl ein durchgehendes Schienennetz besteht.
So bleibt noch, für jeden Teilabschnitt ein einzelnes Ticket zu kaufen. Bei RENFE, SNCF und SBB ist dies grundsätzlich möglich. Aus unbekanntem Grund lassen sich jedoch grenzüberschreitende Tickets zwischen Barcelona und Toulouse nicht buchen. Zudem gelangen wir an einen Kostenpunkt, der 500 Franken pro Person übersteigt. Das Risiko für verpasste Anschlüsse müssten wir selber tragen.
Die Verlagerung von Europareisen von der Luft auf die Schiene klappt nur, wenn die europäischen Bahngesellschaften zusammenspannen.
Nach dem Abendessen machen wir einen Quervergleich via Swoodoo, dem Onlinetool für Flugbuchungen. Bei Easy Jet gibt es Málaga–Basel für knapp 60 Franken, buchbar in weniger als einer Minute. Die Hürde ist definitiv zu tief, um zu widerstehen. Hatten wir nun zu wenig Durchhaltewille? Sind wir zu bequem? Vielleicht.
Fakt ist, wir haben in Südafrika, Kenia, Indien, Thailand, Laos, Vietnam und Marokko grosse Distanzen mit dem Zug zurückgelegt. Es ist uns immer gelungen, mit vernünftigem Aufwand an die richtigen Tickets zu kommen. Wir sind die Ersten, die eine Verlagerung von Europareisen von der Luft auf die Schiene begrüssen. Dies klappt aber nur, wenn die europäischen Bahngesellschaften zusammenspannen und sich bei der User Experience im Such- und Buchungsprozess sowie bei der Preisgestaltung eine grosse Scheibe von den Airlines abschneiden.
[IMG 2] Gemeinsam mit seiner Partnerin Lena-Maria Weber reist Patric Schönberg mit dem Rucksack für ein Jahr um die Welt. Der ehemalige Leiter Kommunikation von HotellerieSuisse berichtet aus seiner persönlichen Perspektive über Dinge, die auffallend anders sind als bei uns. Interessierte können die gesamte Reise auf Instagram unter @losnescos mitverfolgen.