Über 56 Prozent der Touristen aus den Golfstaaten sind jünger als 35 Jahre, 81 Prozent reisen in Gruppen von 1 bis 5 Personen, 64 Prozent mieten ein Auto und 57 Prozent interessieren sich vor allem für Natursehenswürdigkeiten.
Während der Schweiz im ersten Halbjahr 2022 im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019 noch immer 3 Millionen Übernachtungen ausländischer Touristen fehlten, gehörten die Golfstaaten zu den Märkten, die der Covid-Krise am besten standhielten.
Nach den von Schweiz Tourismus an der jüngsten Pressekonferenz präsentierten Zahlen lagen die Übernachtungen der Gäste aus dem arabischen Raum im ersten Semester 2022 um 22,8 Prozent unter dem Niveau von 2019, der Durchschnitt aller ausländischen Märkte dagegen um –32%.
Der historisch für die Städte Genf und Zürich sehr wichtige Markt bucht überwiegend im 5-Sterne-Segment, wobei seit etwa zehn Jahren eine jüngere «Middle Class»-Kundschaft auch in 4- und 3-Sterne-Hotels logiert. Die kontaktierten 5-Sterne-Hotels bestätigen, dass die Touristen aus dem Nahen Osten zu den ersten gehörten, die nach der Öffnung der Grenzen im Juni 2021 zurückkehrten, und einige Häuser verzeichnen heute sogar Rekordraten.
«Wer Erfolg haben will, muss mit diesem Markt arbeiten wollen»
Nati Felli
Eigentümerin und Direktorin des Guarda Golf Hôtel & Résidences in Crans-Montana
Sehr kaufkräftige und ausgabefreudige Touristen
«Dies ist der beste Sommer, seitdem ich vor zwölf Jahren eröffnet habe, vor allem dank den Gästen aus dem arabischen Raum. Er generiert 40 Prozentder Übernachtungen, während es normalerweise um diese Zeit zwischen 10 und 15 Prozent sind», sagt Nati Felli. Die Eigentümerin und Direktorin des Guarda Golf Hôtel & Résidences in Crans-Montana reist regelmässig in die Golfstaaten und räumt ein, dass sie diesen Markt «schon immer» anvisiert habe. So liess sie speziell für diese Kundschaft sieben 300 m2 grosse Suiten einrichten, die auch bei brasilianischen und russischen Gästen beliebt sind.
«Die Hotels in Abu Dhabi oder Dubai sind sehr leistungsstark, deshalb sind diese Kunden äusserst anspruchsvoll. Schnelligkeit und Verfügbarkeit sind entscheidend. Für mich ist es eine Frage der Anpassung, der Offenheit, man muss mit diesem Markt arbeiten wollen», erklärt Nati Felli, deren orientalische Kunden mindestens eine Woche, manche sogar bis zu einem Monat bleiben.
Nach den Zahlen von Luzern Tourismus geben die arabischen Gäste pro Tag mit Abstand die grössten Summen aus: durchschnittlich 430 Franken. Gegenüber den Gästen aus China mit 330, aus Amerika mit 220, aus der Schweiz mit 160 und aus Europa mit 150 Franken liegen sie damit klar in Führung. Luzern gehört seit rund zwanzig Jahren zu den beliebtesten Reisezielen der arabischen Touristen. Trotz ihrer hohen Kaufkraft ist die Kundschaft aus dem Nahen Osten jedoch nicht für alle Hoteliers attraktiv. Die Managerin eines 4-Sterne-Hotels mit 40 Zimmern im Kanton Luzern gesteht, dass sie «nicht in dieses Segment investieren möchte», da kulturelle Probleme und das Verhalten in den Zimmern den reibungslosen Betrieb in ihrem Haus gefährdeten.
Für den Genfer Markt eine sehr wichtige Kundschaft
Im Sommer sind die Luxushotels im Genfer Seebecken für die Kundschaft aus den Golfstaaten eine unumgängliche Destination. Im renommiertesten Genfer Hotel, dem Four Seasons Hôtel des Bergues, machen sie ein Drittel der Gäste aus. «Wir bieten ihnen – wie allen unseren Kunden – einen persönlichen Service. Auf Wunsch stellen wir ihnen einen Koran und einen Gebetsteppich zur Verfügung und teilen ihnen nach Möglichkeit Zimmer mit Bidet zu.
Alle diese Aufmerksamkeiten tragen dazu bei, dass sie sich wie zu Hause fühlen», erklärt Pedro Nora, Marketingdirektor des Palace, und freut sich, dass die Übernachtungszahlen der Gäste aus den Golfstaaten vom Sommer 2019 schon fast wieder erreicht sind. Marc-Antoine Nissille, Direktor des 5-Sterne-Hotels «Les Armures» in Genf, berichtet von «jüngeren Kunden, von denen viele in angelsächsischen Ländern studiert haben und den europäischen Reisenden etwas ähnlicher sind».[RELATED]
Die von Genf Tourismus seit der Pandemie eingeleitete «Resort»-Neupositionierung richtet sich zwar vor allem an die lokalen Märkte, wirkt sich aber auch auf die arabische Kundschaft positiv aus, «indem sie diese Gäste überzeugt, ein paar Tage länger zu bleiben, was der gesamten regionalen Wirtschaft zugutekommt», erklärt Franck Romanet, Market Manager der Golfstaaten bei Genève Tourisme. «Für uns hat diese Region hohe Priorität und ist einer der Märkte, in die wir am meisten investieren», ergänzt Jonathan Robin, «Director Markets» bei Genève Tourisme. 2019 liegt der Markt der arabischen Gäste in Genf mit rund 8 Prozent der Übernachtungen auf Platz 5.
In der Deutschschweiz ist auch die Region Interlaken und Grindelwald bei der Kundschaft aus den Golfstaaten sehr gefragt. «Zu uns kommen viele Familien. Man spürt, dass sie die verlorene Zeit nachholen wollen», sagt Mario Resch, Direktor Marketing & Sales des 5-Sterne-Hotels Schweizerhof in Grindelwald. Er unterstreicht die Bedeutung der Aktivitäten für Kinder, «die immer im Mittelpunkt stehen». Bemerkenswert ist auch die wachsende Zahl von Touristen aus den Golfstaaten, die im Winter kommen.
Nachgefragt: «Als Hotelier muss man mit kulturellen Unterschieden umgehen können.»
Lars E. Güggi, Direktor des 4-Sterne-Hotels Monopol in Luzern, erklärt im Interview, auf was es bei Gästen aus den Golfstaaten ankommt, damit Sie sich in der Schweiz wohlfühlen.
Welchen Marktanteil hat die Kundschaft aus dem arabischen Raum in Ihrem Hotel?
Zwischen 5 und 10 Prozent der gesamten Logiernächte, mit einem Peak ganz klar im Sommer. Erfreulicherweise sind wir heute fast wieder auf dem Niveau von 2019. Es sind hauptsächlich junge Ehepaare und kleine Familien, die uns besuchen.
Gibt es besondere Erlebnisse, die diese Klientel sucht?
Sie sind sehr an Naturausflügen interessiert und sind buchungs- und belegungswillig. Sie wollen meistens die Berge erleben, aber auch die Stadt. Man merkt, dass sie über ein grosses Budget verfügen.
Einige Hoteliers sagen, diese Kundschaft sei schwierig. Was meinen Sie?
Als Hotelier muss man mit kulturellen Unterschieden umgehen können. Sie sind anspruchsvoll, haben zwar ein anderes Preisverständnis als andere Gäste, sind aber auch schliesslich bereit, den Preis zu zahlen. Oft buchen sie z.B. die Kinder nicht mit, aber das ändert sich allmählich.
Müssen die Hotelzimmer spezifisch ausgestattet sein?
Für arabische Gäste ist es beispielsweise undenkbar, dass man keine Klimaanlage hat. Etwas anderes: Diese Gäste benutzen ein Bidet. Das haben wir nicht. Mittlerweile bringen sie aber eine Schleuderdusche mit. Sie kennen den Markt.
Eine Prognose?
Ich bin zuversichtlich, dass der Markt der Golfstaatengäste wachsen wird. Unsere Region hat viel Potenzial. Mit dem See und der Rigi, dem Pilatus oder auch Engelberg haben wir sehr viel Natur zu bieten. Und Luzern Tourismus arbeitet gut und verbreitet ein positives Image, das in den Golfstaaten wahrgenommen wird.
übersetzt durch Christina Miller