«Absolut inakzeptabel»: So lautet das Verdikt der Organisationen. Das Parlament habe ein Abschussgesetz beschlossen. Wölfe – auch Jungtiere – könnten präventiv zum Abschuss freigegeben werden. Doch es gehe nicht nur um den Wolf. Der Artenschutz werde generell ausgehebelt.
Dem Trägerverein für das Referendum gehören die Verbände Pro Natura, WWF, BirdLife, Gruppe Wolf Schweiz sowie zooschweiz an. Auch der Schweizer Tierschutz STS will Unterschriften sammeln. SP und Grüne haben Unterstützung angekündigt.
Bestände regulieren
Das Parlament lockerte den Schutz stärker als der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Künftig sollen die Behörden die Bestandesregulierung erlauben dürfen, ohne dass Wölfe Schaden angerichtet haben und ohne dass zuvor Schutzmassnahmen ergriffen werden müssen. Auch in Jagdbanngebieten – neu Wildtierschutzgebiete genannt – sollen Wölfe nicht sicher sein.
Die Möglichkeit des «Abschusses auf Vorrat» sei unverhältnismässig, kritisierte Urs Leugger-Eggimann, Zentralsekretär von Pro Natura und Präsident des Trägervereins für das Referendum, vor den Medien in Bern. Die Revision sei missraten.
Auch andere Tierarten
Die Gegnerinnen und Gegner kritisieren auch, dass der Bundesrat neben Wolf und Steinbock jederzeit weitere geschützte Arten auf die «Abschussliste» setzen und zur Bestandesregulierung freigeben könnte – zum Beispiel Biber, Luchs oder Höckerschwan. Es sei nur eine Frage der Zeit, dass dies geschehen würde, warnen sie.
Die Naturschutzorganisationen heben die Bedeutung der Artenvielfalt hervor. Diese stabilisiere die Ökosysteme, die in Zukunft durch den Klimawandel noch stärker unter Druck kämen. In der Schweiz sei jede dritte Art bedroht, sagte Océane Dayer vom WWF. Damit belege die Schweiz unter den 36 OECD-Ländern den unrühmlichen Spitzenplatz.
Gelegenheit verpasst
Die Revision des Jagdgesetzes wäre eine gute Gelegenheit gewesen, etwas für die Artenvielfalt zu unternehmen, befand auch Werner Müller von BirdLife Schweiz. Beispielsweise zum Schutz der gefährdeten Arten Feldhase, Schneehuhn, Birkhahn und Waldschnepfe. Stattdessen habe sich das Parlament vom Artenschutz verabschiedet.
Weiter kritisieren die Naturschutzorganisationen, dass die Verantwortung für die Regulierung von Beständen geschützter Arten vom Bund an die Kantone übertragen wird. Das sei eine verfassungswidrige Verschiebung der Kompetenzen, argumentieren sie. Damit drohe ausserdem ein kantonaler Wildwuchs.
Berner Konvention verletzt?
Schliesslich ziehen die Organisationen in Zweifel, dass das neue Gesetz mit der Berner Konvention zum Artenschutz kompatibel ist. Aus Sicht des Bundes lässt sich das Gesetz so umsetzen, dass es kompatibel ist.
Die Naturschutzorganisationen sind anderer Meinung. Sie berufen sich dabei auf ein Rechtsgutachten von Arnold Marti, einem Spezialisten für Umweltrecht. Dieser sieht die Konvention in mehreren Punkten verletzt – unter anderem, weil Regulationen gemäss der Konvention nur zulässig sind, wenn alle milderen Mittel ausgeschöpft sind, beispielsweise Herdenschutzmassnahmen.
Regulierung schon heute möglich
Grundsätzlich einverstanden sind die Organisationen damit, dass der Wolfsbestand reguliert werden kann. Aus ihrer Sicht ist dafür aber keine Gesetzesänderung nötig, weil das heute schon möglich ist. Das beweise der Entscheid von vergangener Woche, im Kanton Graubünden vier Jungwölfe aus dem Beverinrudel zu schiessen.
Dennoch zeigen sich die Organisationen bereit, bei einem Nein zum vorliegenden Gesetz über Lösungen zu reden. Denkbar wäre für sie eine vom Bund beaufsichtigte Wolfsregulierung bei flächendeckender Umsetzung des Herdenschutzes.
Kein grosser Stadt-/Landgraben
Der Trägerverein für das Referendum rechnet sich mit Blick auf die Abstimmung gute Chancen aus. Dabei beruft er sich auf Umfragen, wonach eine deutliche Mehrheit präventive Abschüsse ablehnt. Der Stadt-/Landgraben sei dabei weniger tief als angenommen, betonte Anna Baumann, die Präsidentin von zooschweiz.
In der Landbevölkerung hätten sich in einer repräsentativen Umfrage vor zehn Jahren 79 Prozent für die Rückkehr des Wolfes in die Schweiz ausgesprochen, in der städtischen Bevölkerung 89 Prozent.
Sie sehe keinen Grund, weshalb sich die Stimmung in der Bevölkerung gross geändert haben sollte.
Zunächst müssen die Gegnerinnen und Gegner des Jagdgesetzes aber die nötigen 50'000 Unterschriften sammeln. Dafür haben sie bis zum 16. Januar Zeit. (sda)