Restaurants zahlen weiterhin mehr Steuern als Take-away-Betriebe. Dies entschied am Sonntag die Mehrheit des Stimmvolks und der Stände – und zwar deutlich. Rund 685'000 Stimmberechtigte nahmen die Initiative an, 1'710'000 legten ein Nein in die Urne. Kein einziger Kanton sagte Ja. Die Stimmbeteiligung lag bei 47 Prozent.
Am deutlichsten wurde das Volksbegehren in Zürich verworfen, wo fast 76 Prozent der Stimmberechtigten Nein sagten. In Zug waren 75,8 Prozent dagegen, in zehn weiteren Kantonen lag der Anteil Nein-Stimmen über 70 Prozent. Am besten kam das Anliegen der Wirte noch in den Kantonen Uri, Jura und Tessin an, aber auch dort waren jeweils knapp 65 Prozent dagegen.
Neue alte Idee
So klar das Resultat ist, so unklar sind dessen Folgen. Das Problem des komplizierten Steuersystems bleibt bestehen. FDP, BDP, GLP-Vertreter und wirtschaftsnahe Verbände haben kurz nach dem Nein den Einheitssatz wieder aufs Tapet gebracht – nur knapp drei Jahre nachdem der Nationalrat diese Idee versenkt hatte (mehr dazu hier).
«Ein Einheitssatz über alle Branchen hinweg wäre die gerechte Lösung», sagte etwa der Zürcher FDP-Nationalrat Ruedi Noser zur sda. Auch die die Regierung ist laut Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf nach wie vor überzeugt, dass ein Einheitssatz mit ganz wenigen Ausnahmen die beste Lösung wäre.
Von den grossen Parteien lehnt heute nur die SVP einen Einheitssatz kategorisch ab. Die CVP ist skeptisch.
Bereits der frühere Finanzminister Hans-Rudolf Merz wollte das komplizierte Mehrwertsteuersystem durch einen Einheitssatz von 6,5 Prozent ablösen, der ab 2018 nach Auslaufen der befristeten Erhöhung zugunsten der IV auf 6,2 Prozent gesunken wäre. Vergeblich.
«Reines Partikularinteresse der Wirte»
Dass nun die Gastrosuisse-Initiative vom Volk abgelehnt wurde, überrascht vor diesem Hintergrund nicht, jedoch die Deutlichkeit des Verdikts. Bei der letzten SRG-Trendumfrage lagen die Gegner zwar mit 46 Prozent im Vorsprung, doch 41 Prozent der Befragten wollten in der ersten Septemberhälfte noch ein Ja in die Urne legen.
Die Befürworter konnten damit weder die Unentschlossenen überzeugen noch einen Meinungsumschwung bei manchen Stimmberechtigten verhindern. Die Initiative sei ein «reines Partikularinteresse der Wirte» gewesen, erklärte FDP-Mann Noser.
Im Parlament hatte sich die SVP sowie eine Mehrheit von CVP und BDP auf die Seite der Wirte geschlagen. Im Abstimmungskampf beschloss dann aber lediglich die SVP die Ja-Parole, die CVP entschied sich für Stimmfreigabe. Die übrigen Parteien empfahlen ein Nein, wobei es sowohl bei der FDP als auch bei der CVP zahlreiche abweichende Kantonalparteien gab.
Initiative zu wenig präzis
Die Initiative verlangte, dass gastgewerbliche Leistungen mit Ausnahme von alkoholischen Getränken und Tabakprodukten dem gleichen Steuersatz unterliegen wie die Lieferung von Nahrungsmitteln. Nach der Lesart des Bundesrats hätte dies Nahrungsmittel generell betroffen.
Gastrosuisse hatte aber nur Take-aways im Visier: Für deren Angebot gilt heute der aus sozialpolitischen Gründen reduzierte MwSt-Satz von 2,5 Prozent. Grund für diese Einreihung ist, dass sich Take-away-Produkte nicht vernünftig von Nahrungsmitteln aus Läden abgrenzen lassen. In Restaurants hingegen werden die normalen 8 Prozent fällig.
Selbst die Initianten räumten nach dem wuchtigen Nein ein, der Initiativtext sei zu wenig präzis gewesen und habe kein klares Szenario enthalten. Dies bedeute aber nicht, dass das Volk die Interessen des ganzen Gastgewerbes ablehne.
Lösungssuche geht weiter
«Man hat offensichtlich überall gesehen, dass das nicht die Hilfe sein kann, die das Gastgewerbe in einer schwierigen Situation benötigt», sagte auch die Finanzministerin. Allerdings habe die Diskussion in den vergangenen Wochen auch gezeigt, dass die Ungleichbehandlung von vielen Menschen als ungerecht empfunden werde.
Selbst die Gewinnerin des Tages, Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo, räumte nach dem überwältigenden Sieg ein: «Die Probleme sind nicht gelöst. Die Diskussionen werden weitergehen».
«Wir haben Bedeutung des Gastgewerbes aufgezeigt»
Die Initianten der Gastroinitiative sind ob der klaren Niederlage an der Urne überrascht: «Wir hatten andere Rückmeldungen aus dem Volk», sagte Gastrosuisse-Präsident Casimir Platzer gegenüber Radio SRF. Trotzdem sieht er in der Schlappe auch Positives: «Wir haben dem Volk die Bedeutung des Gastgewerbes aufgezeigt.»
Die Leute hätten vor einer Weile noch nicht einmal gewusst, dass es unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gebe. Hier hätten die Initianten Aufklärungsarbeit betrieben.
Laut Platzer, der im Vorfeld der Abstimmung immer wieder mit der Ungleichbehandlung für die Restaurantgäste argumentiert hatte, haben die Wirte ihr Bestes gegeben. «Wir haben gedacht, dass es knapp werden könnte». Das deutliche Resultat überrasche ihn.
Auch hotelleriesuisse und Parahotellerie Schweiz bedauern die Ablehnung der Initiative durch das Schweizer Stimmvolk. Damit sei die Ungleichbehandlung der gastgewerblichen Leistungen gegenüber der Take-Away-Branche nicht beseitigt worden, heisst es laut Mitteilung. Für die beiden Branchenvertreter habe im derzeitigen MwSt-System mit drei Sätzen nun die Weiterführung des Sondersatzes für Beherbergungsleistungen von 3,8 Prozent Priorität, und dass für die Zeit nach 2017 eine definitive Lösung gefunden wird. (sda/npa)