Wer über asiatische Wachstumsmärkte spricht, sollte Südkorea nicht vergessen. Die Besucherzahlen mögen nicht mit China vergleichbar sein, und sie reichen auch nicht an die Werte von Indien heran. Jedoch schlummert noch eine Menge Potenzial in diesem Markt. Dieser Meinung ist auch Sybille Gerardi, Leiterin Unternehmenskommunikation bei Luzern Tourismus. «Zum Beispiel gibt es eine wachsende Zahl junger individuell Reisender, die offen sind für neue Erlebnisse.» 


1,51 Nächte blieben die Gäste aus Südkorea 2019 durchschnittlich im Hotel.

Natur nannten 32,9 Prozent als Hauptgrund für ihre Reise. 5,7 Prozent nannten die Bergbahnen.

210 Franken gaben die Reisenden gemäss «Tourismus Monitor Schweiz 2017»im Schnitt täglich aus.

50,9 Prozent der südkoreanischen Gäste übernachten während ihrer Ferien im Hotel.
 


Südkorea gehöre schon länger zu den wichtigen Fernmärkten, wobei Gerardi Luzern als Teil der gesamten Region Luzern-Vierwaldstättersee sieht. «Durch die Kombination aus Stadt, See und Bergen sind wir sehr gut aufgestellt. Südkoreanische Gäste finden bei uns auf kleinem Raum alles, was die Schweiz für sie ausmacht. Sie sind sehr aktiv und nutzen Luzern als Hub für Bergausflüge zur Rigi, zum Pilatus oder Titlis.» Daher investierten auch die Bergbahnen in den Markt, viele Leistungsträger hätten eigene Sales-Repräsentanten. «Davon profitiert die gesamte Region – und somit auch wir als Städtedestination.»

Die Hauptreisezeit geht von Mai bis Oktober. Für den Winter interessierten sich südkoreanische Gäste wenig, da sie Schneeaktivitäten von zu Hause kennten. «Daher ist das Potenzial im Zeitraum November bis März nicht so gross.» Anders der Markt China: Für chinesische Gäste werde Wintersport immer interessanter. Unterschiede erkennt Gerardi auch zwischen Südkorea und Indien: Während Inder möglichst indisch essen möchten, sind Südkoreaner offen für Schweizer Spezialitäten, die sie noch nicht kennen.

Prominente Botschafter sorgen für Aufmerksamkeit
Gerardi nimmt die Gästegruppe als unkompliziert wahr. Reiseanbieter sollten aber darauf achten, dass Menükarten oder Informationen zur Reise auf Koreanisch verfasst seien. Grundsätzlich finden Gäste aus Südkorea massgeschneiderte Angebote gut, die ihren Interessen entsprechen. Zum Beispiel eine Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee und dann ab Weggis mit der Bergbahn auf die Rigi, um dort noch eine kurze Wanderung zu machen und die Aussicht zu geniessen. Oder den koreanischen Audioguide-Kommentar im City Train Luzern. Tipps für Fotospots sind auch gefragt. Dort können die Gäste dann Aufnahmen für Instagram machen. «Alles, was mit Social Media zu tun hat, ist ihnen wichtig, vor allem Instagram und Tiktok.»

Kampagnen mit südkoreanischen Prominenten sind auch in anderen asiatischen Ländern gefragt.
Sybille Gerardi, Leiterin Unternehmenskommunikation Luzern Tourismus   

Selbst bearbeitet Luzern Tourismus die gängigen Social-Media-Kanäle in Korea nicht, liefert aber Content. Koreaner sind sehr auf Social-Media-Stars ausgerichtet, beobachtet Gerardi, aber auch generell auf VIPs, Filmstars oder Boygroups. Daher werden Werbekampagnen mit südkoreanischen Prominenten in der Region oft unterstützt. Luzern Tourismus ist dann die koordinierende Stelle beim Dreh. So wie diesen Juni, als die Sängerin und TV-Presenterin Lee Hyolee zusammen mit ihrem Mann in der Schweiz war. Eingeladen hatte Schweiz Tourismus anlässlich der Art Basel. Vor dem Kunstevent waren die Lees drei Tage in Luzern und drehten einen Promotionsfilm. Sie flanierten durch die Altstadt und sahen sich den Wochenmarkt an.

Zusätzlich gab es Shootings ausserhalb Luzerns. Der Dreh gehörte nicht zu den seit vielen Jahren regelmässig stattfindenden «Swiss Friend»-Kampagnen, bei denen südkoreanische Stars für das Tourismusland Schweiz werben. Aber es ging um die gleiche Sache: die Bekanntheit einer Celebrity nutzen, um in ihrem Heimatland auf die Schweiz aufmerksam zu machen. Lee Hyolee eigne sich durch ihre starke Social-Media-Präsenz sehr gut dafür, so Gerardi. «Sie ist so etwas wie Key-Opinion-Leader für Nachhaltigkeit und gesunden Lifestyle.» Schöner Nebeneffekt solcher Produktionen mit südkoreanischen Prominenten: Sie sind auch in anderen asiatischen Ländern gefragt. «Neben Indien ist Südkorea das Hollywood Asiens mit internationaler Ausstrahlungskraft.»

Besonderheiten hervorheben und passende Angebote schnüren
«Unsere Destination ist prädestiniert für Naturliebhaber, die abseits der grossen Massen die Schweizer Kultur und Bergwelt geniessen möchten», sagt Dominique Lüthy, Geschäftsführer der Tourismusorganisation Adelboden-Lenk-Kandersteg. Diese Stärke werde auch beim Markt Südkorea ausgespielt.  Unabhängig von Alter und Geschlecht zeigten die Gäste von dort eine grosse Begeisterung für die Natur. Majestätische Berge, klare Bergseen, frische Bergluft – Lüthy sieht darin die perfekte Kombination, um den Südkoreanerinnen und Südkoreanern zu bieten, wonach sie suchen: unvergessliche Wandererfahrungen. Eine beliebte Tour ist der Bärentrek entlang der Via Alpina, aber auch kulinarische Gourmettouren oder die Wildstrubelumwanderung sind gefragt. Welche Services bei südkoreanischen Gästen ankommen?

Sie fänden es zum Beispiel gut, wenn bei Bergtouren der Gepäcktransport organisiert ist, beobachtet Lüthy. «Sie müssen sich dann um nichts kümmern und können sich voll auf die alpinen Schönheiten konzentrieren.» Vor allem bei südkoreanischen Naturliebhabern und Wandergruppen sind die Sommer- und Herbstmonate beliebt. Es gibt aber auch einige Gäste in der Nebensaison, im Frühsommer und zum Winteranfang, was für eine bessere Auslastung über das ganze Jahr hinweg sorge. «Da wir immer viel zu bieten haben, können wir hier anknüpfen. Unsere Strategie ist es, die Besonderheiten unserer Destination, Seen und Wasserfälle oder die Kulinarik, auch in Wachstumsmärkten wie Südkorea zu positionieren und passende Angebote für diese Gästegruppe zu schnüren.» Der Fokus in der Marktbearbeitung liege klar bei den südkoreanischen Individualreisenden. «Diese Gäste bleiben länger und bringen auch mehr Wertschöpfung in die Region. Gerade südkoreanische Hochzeitsreisende schätzen unsere Alpenwelt sehr. Sie wollen bleibende Reiseeindrücke sammeln. Momente, die das Herz berühren.»

Auch Bruno Hauswirth, Tourismusdirektor von Grindelwald, sieht in der landschaftlichen Schönheit einen Erfolgsfaktor beim Markt Südkorea. Zumal es in der Jungfrauregion gleich drei Natur-USPs gibt: Jungfraujoch – Top of Europe, Eigernordwand und das Unesco-Welterbe Swiss Alps Jungfrau-Aletsch. Es kommen aber weitere Gründe dazu. Zum Beispiel biete Grindelwald eine Vielzahl an Outdoor­aktivitäten: Wandern, Wintersport und auch Soft-Adventure wie den First-Glider, bei dem Gäste bäuchlings durch die Lüfte sausen. «Für südkoreanische Besuchende, die gerne Abenteuer erleben und sich sportlich betätigen möchten, sind die Bedingungen bei uns ideal.» Als weiteren Treiber zählt Hauswirth den Filmtourismus auf.

In Grindelwald werden regelmässig bekannte Hollywoodproduktionen gedreht, aber auch koreanische TV-Produktionen. Zum Beispiel Szenen der in Südkorea sehr populären Netflix-Serie «Crash Landing on You». Auch Schweizer Kultur und Tradition sind in dem Markt ein gutes Verkaufsargument: «Die Besucher wollen die einzigartige Architektur, die lokale Küche, Folklore und die Bräuche der Region kennenlernen.» Zudem sei Grindelwald eine der wenigen alpinen Ganzjahresdestinationen. Nicht zu vergessen: die gute ÖV-Anbindung. Täglich fahren sieben Direktzüge ab Flughafen Zürich nach Interlaken-Ost, von dort geht es mit der Berner-Oberland-Bahn nach Grindelwald. Ein Pluspunkt, denn in der Schweiz bewegen sich Koreaner mit dem Zug fort.


Nachgefragt

Wie sich die Macht von Social Media nutzen lässt

Jean Kim vertritt Schweiz Tourismus in Südkorea. Sie weiss, wie wichtig Instagram und Co. sind, um Aufmerksamkeit auf das Reiseland Schweiz zu lenken. [IMG 2]

Jean Kim, lassen Sie uns zuerst übers Essen reden. Sollte es bei südkoreanischen Gästen jeden Tag koreanische Verpflegung geben?
Nicht jeden Tag. Koreanische Reisende bemühen sich, offen auf die Schweizer Küche zuzugehen. Fondue und Raclette sind für sie traditionelle Schweizer Gerichte. Sie mögen so etwas nicht unbedingt, aber sie lieben es, die lokale Küche zu probieren. Was immer bleibt: die Sehnsucht nach koreanischem Essen.

Wie sollten Reiseanbieter damit umgehen?
Sie können für Abwechslung sorgen, indem sie immer wieder mal koreanische Küche anbieten, besonders bei Gruppen- und Incentive-Reisen. Mit dem Kimchi-Eintopf Kimchi-Jjigae oder der Reis-Bowl Bibimbap liegen sie immer richtig. Hilfreich wäre es auch, Listen mit empfohlenen koreanischen Restaurants in den jeweiligen Regionen bereitzustellen. Vorschläge für asiatische Restaurants als Ersatz für ein koreanisches Restaurant fänden genauso Anklang.

Sehen Sie derzeit neue Entwicklungen im Markt?
Ja, bei den FITs, den «free individual travellers». Sie legen den Fokus verstärkt auf einzigartige Erlebnisse abseits ausgetretener Pfade – damit gewinnt auch der Aufenthalt selbst an Bedeutung. Dieser Trend spielt bei der Wahl der Unterkunft eine wichtige Rolle. Für koreanische FITs ist ein Hotel, das einen attraktiven USP bietet, ein wichtiger Mehrwert. Dieser motiviert sie, die Extrameile zu gehen und das Hotel unabhängig von Lage oder Preis zu buchen.

Bei individuell Reisenden sollten Hotels ihren USP vermarkten.

Für Schweizer Hotels eine Chance?
Ja, wenn sie ihre Alleinstellungsmerkmale geschickt über die Social-Media-Kanäle vermarkten, die FITs in Korea nutzen. So können sie das Interesse dieser wichtigen Zielgruppe wecken.

Ist Social Media ein Schlüsselinstrument? 70 Prozent der koreanischen Schweiz-Reisenden sind unter 35 Jahre.
In der Tat. Besonders diese Altersgruppe verlässt sich stark auf Social Media, wenn es um Reiseinspiration, Empfehlungen und Informationen geht. Sie verbringt durchschnittlich auch immer mehr Zeit damit. Am beliebtesten ist Instagram, gefolgt von Facebook und dem koreanischen Portal Naver.com. Schweizer Regionen, die sich über Naver.com vermarkten wollen, sollten wissen, dass es dafür unter anderem eine kontinuierliche Kommunikation mit den lokalen Nutzern braucht. Das ist sehr ressourcen- und zeitintensiv.

Also besser die gängigen Plattformen.Was ist da zu beachten?
Mobilgeräte und Kurzvideos werden bei den unter 35-Jährigen immer beliebter. Die Kurzvideos sind in der Regel weniger als eine Minute lang – ideal für die Betrachtung auf mobilen Geräten. Da könnten Schweizer Anbieter ansetzen. Jedoch hat jede Videoplattform ihre Eigenheiten – daher ist es wichtig, die zu wählen, die zur Zielgruppe der Destination oder des Hotels passt. Tiktok zum Beispiel eignet sich gut, um aussergewöhnliche Erlebnisse und kulturelle Highlights zu zeigen.

Und Instagram Reels?
Da empfehle ich, mit südkoreanischen Influencern zusammenzuarbeiten. Ein Beispiel ist die Travel-Influencerin Seosum, sie hat rund 170 000 Follower. Wichtig finde ich auch, relevante Hashtags zu verwenden und visuell fesselnde Inhalte zu posten, zum Beispiel die Fahrt mit der Zahnradbahn den steilen Berg hinauf. So bringen Schweizer Anbieter potenzielle Gäste zum Buchen. Aber aufgepasst: Koreaner sind sehr bildbewusst! Die Videos müssen aus diesem Grund qualitativ hochwertig sein.

Die Schauspielerin Lee Si-young ist aktuelle Markenbotschafterin von Schweiz Tourismus. Die Videos, die sie über ihren Tiktok-Kanal verbreitet, sind unterhaltsam. In einem Beitrag sieht man sie mit anderen auf dem Brienzersee tanzend in einem halbvollgelaufenen Plastikboot. Welche Reichweite hat so etwas?
Eine enorme. Lee Si-young kommt auf 17 Millionen Tiktok-Follower, 3 Millionen sind es bei Instagram. Über ihre Accounts lassen sich die Alleinstellungsmerkmale einer Destination sehr gut kommunizieren. Ihre Follower werden so inspiriert, die Schweiz als nächstes Reiseziel zu erwägen – bis zur Buchung ist es dann nicht mehr weit.

Auch Journalisten greifen die Posts auf und schreiben Artikel darüber.
Genau. Diese Kombination aus Social-Media-Einfluss und Medienberichterstattung ist sehr wirksam. Dadurch wird das Interesse für das Reiseland Schweiz bei einem noch viel grösseren Publikum geweckt. Grundsätzlich geht es darum, die Vorlieben südkoreanischer Reisender zu verstehen und die Macht von Social Media zu nutzen. Für die Sichtbarkeit im Markt ist das Gold wert.

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